Ukraine: EU-Fragebogen wirft Fragen auf
Die Ukraine hat einen Fragebogen für den Antrag auf EU-Mitgliedschaft vollständig ausgefüllt. Was steht drin? Und wie geht es weiter? Selbst in Brüssel kann dies niemand mit Sicherheit sagen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei ihrem Besuch in Kiew Anfang April eine beschleunigte Entscheidung über die Aufnahme des Landes versprochen.
Sie überreichte Selenskyj einen Fragenkatalog zum angestrebten EU-Beitritt – und der Präsident versprach, das Dokument binnen einer Woche zu bearbeiten. Dieser Fragebogen wurde nun ausgefüllt, heißt es in Kiew.
Doch in der Brüsseler Behörde kann niemand sagen, worum es eigentlich genau geht. Auf der Webseite der EU-Kommission findet sich weder der Fragebogen noch eine Bestätigung dafür, dass er eingegangen ist.
Hat die Ukraine alle Anforderungen aus dem bisher gültigen Assoziierungsabkommen mit der EU erfüllt? Wie will Selenskyj den Krieg mit Russland beenden? Welche Grenzen strebt er an, welchen Mehrwert bietet er der EU?
All das ist völlig offen. Klar ist nur, dass ein Fragebogen nicht genügt, um in die EU aufgenommen zu werden. Wenn überhaupt, kann es nur darum gehen, der Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen.
Danach vergehen in der Regel mehrere Jahre, bis sich die Tür zum Beitritt öffnet. Die Grundvoraussetzung dafür wäre, dass der Krieg in der Ukraine beendet wird – und dass alle 27 EU-Staaten zustimmen.
Doch bisher sieht es nicht einmal so aus, als strebe Selenskyj einen Waffenstillstand an. Auch von der Leyen redet nicht von Frieden – im Gegenteil: Sie fordert mehr Waffen und mehr Zeit für den „Sieg“ über Russland.
Ihr Vorgehen ist daher überaus fragwürdig. Der Fragebogen und seine Antworten können bestenfalls eine unverbindliche Absichtserklärung sein. Im schlimmsten Fall wecken sie unerfüllbare Illusionen…
Siehe auch „Von der Leyens unfriedliche Osterbotschaft“
P.S. Die EU-Kommission räumt ein, dass Selenskyj bisher nur einen Teil des Fragebogens ausgefüllt hat. Der zweite Teil, bei dem es um den so genannten Aquis geht, fehlt noch. Kein Wunder – denn die Ukraine hat bisher kaum etwas von dem umgesetzt, was den „Bestandskern“ der EU ausmacht…
european
20. April 2022 @ 15:16
Ich lese gerade im Newsroom, dass Deutschland darauf setzt, ukrainische Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um den vielbeschworenen „Fachkräftemangel“ zu bekämpfen. Wer baut denn die Ukraine nach dem Krieg wieder auf, wenn deren Fachkräfte dann in Deutschland sind und bleiben wollen/sollen/werden?
Deutschland produziert seit Jahren/Jahrzehnten wirtschafts- und gesellschaftsschädliche Leistungsbilanzüberschüsse, die es ohne Defizite anderer Länder im Binnenmarkt und außerhalb nicht geben kann. Der angebliche „Fachkräftemangel“ heißt, wir holen Menschen aus schwachen Ländern, um noch mehr Überschüsse zu produzieren, die die anderen Länder noch weiter schwächen, weil sich ihre Defizite in dem Maße erhöhen wie Deutschland’s Überschüsse. Betrifft auch die Niederlande, ist halt nur ein kleineres Land.
Wer soll eigentlich noch unsere Produkte kaufen, zumal die Energiekosten für die Betriebe weiter durch die Decke gehen werden und man dies durch Lohnsenkungen wieder reinholen wird. Unsere Gewerkschaften sind doch zahnlose Bettvorleger im Tigermuster.
Nur mal so.
Der Drops der Frankreichwahl ist noch nicht gelutscht. Ich glaube nicht, dass Melenchon seine Anhänger dazu auffordert LePen zu unterstützen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass seine Anhänger gar nicht zur Wahl gehen.
Holly01
19. April 2022 @ 09:48
Ich gebe mich hiermit geschlagen.
Es hat keinen Sinn gegen die publizierte Realität anzuschreiben.
Wenn es eine geschlossene Front gibt, die selektiv wahrnehmen will und die gegen die eigenen substanziellen und existenziellen Interessen handelt, hat reden gar keinen Sinn mehr.
Wenn Ostern etwas gezeigt hat, dann die völlige Bedeutungslosigkeit jeder Opposition.
Ich finde diesen Blog und die Arbeit einiger anderer sehr bemerkens- und beachtenswert.
Der Umbau in Deutschland und der EU ist aber kaum noch zu stoppen und sicher nicht mehr umzukehren.
Dann geht das jetzt eben seinen Weg.
Die NATO wird Russland angreifen. Das ist sicher. Russland wird Atomwaffen einsetzen, das ist auch sicher.
Die EU wird zerbrechen und die Einzelstaaten werden Krieg gegeneinander führen.
China wird zur unipolaren Weltmacht aufsteigen.
Das war wohl auch der Plan von Anfang an.
Das „deutsche“ Europa währte etwa von der Griechischen Finanzkrise bis zum Baubeginn von Northstream II.
Der Rest ist Wunschdenken.
Frankreich und Deutschland werden einzeln und gleichzeitig marginalisiert.
Die USA setzen auf Polen das gerade seine Armeegröße verdoppelt.
Viel Spaß den Polen (kleiner Hinweis auf den Irak und den 8 jährigen Iran Krieg, aber das gönne ich Euch, anscheinend braucht Ihr diese Lehre).
Und ja natürlich wird die EU jetzt alles und jeden aufnehmen, die EU ist nur noch der bürokratische Arm der NATO.
Etwas Koordination und Lenkung, die Inhalte setzen die USA über die NATO.
Der Euro?
Der Euro wird inhaltlich nicht zu halten sein. Wahrscheinlich wird der zerbrechen, wenn Deutschland austritt und das sehe ich innert der nächsten 3-5 Jahre und das wird keine Aktion der Stärke sein.
Deutschland wird wirtschaftlich, ökonomisch komplett zusammen brechen, kollabieren, zerstört ob es als Staat so bestehen bleibt, wie es sich heute darstellt bezweifle ich massiv. Eine „Rolle“ wird es aber auf Jahrzehnte (also sehr laaaange) nicht mehr spielen.
Kleopatra
19. April 2022 @ 08:19
Die Voraussetzung für die Aufnahme in die EU ist die Einigung zwischen allen bestehenden Mitgliedstaaten und dem Beitrittsbewerber. Es ist also eine Frage des politischen Willens. Der Krieg muss somit nicht beendet sein (andernfalls könnte Russland ja die Aufnahme der Ukraine in die EU auf Dauer verhindern). Im Fall Zyperns hat man ja auch die Aufnahme beschlossen, ohne dass der bestehende Konflikt gelöst war; genauso wie man damals auf eine Lösung spekuliert hat, kann man das im Fall der Ukraine tun.
Russland gibt sich alle Mühe, sich als Partner eines Friedensvertrags unmöglich zu machen (siehe nicht nur die Kriegsverbrechen, sondern auch den Umstand, dass eine Einheit, die sich damit hervorgetan hat, von Putin ausgezeichnet wird). Mit Russland unter seiner gegernwärtigen Führung sind allenfalls Vereinbarungen möglich wie mit einem Geiselnehmer.
ebo
19. April 2022 @ 09:02
Für einen Beitritt zur Europäischen Union haben die Staats- und Regierungschefs der EU 1993 bei ihrem Treffen in Kopenhagen drei Voraussetzungen formuliert. Diese so genannten „Kopenhagener Kriterien“ müssen alle Staaten erfüllen, die der EU beitreten wollen:
Das „politische Kriterium“: Institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten.
Das „wirtschaftliche Kriterium“: Eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten.
Das „Acquis-Kriterium“: Die Fähigkeit, sich die aus einer EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen und Ziele zu eigen zu machen das heißt: Übernahme des gesamten gemeinschaftlichen Rechts, des „gemeinschaftlichen Besitzstandes “ (Acquis communautaire).
Nichts davon ist erfüllt. Das „politische Kriterium“ ist im Kriegszustand unerreichbar.
european
19. April 2022 @ 11:39
Was muss man unter dem „Schnellverfahren“ verstehen, auf das Selenskyj sich in seiner Rede bezogen hat? Gibt es Schlupflöcher, von denen die Allgemeinheit nichts weiß.
Der ukrainische Botschafter ist übrigens erklärter Anhänger von Bandera. Nur so nebenbei, für den Fall, dass immer noch jemand glaubt, es gäbe in der Ukraine keine Nazis.
https://www.fr.de/politik/asow-regiment-ultra-rechts-nationalistisch-ukraine-botschafter-andrij-melnyk-91425243.html
https://makroskop.eu/spotlight/im-krieg-mit-russland/der-kulturkampfer/
Des weiteren würde mich interessieren, ob die EUCO-Präsidentin während der Legislaturperiode absetzbar wäre?
ebo
19. April 2022 @ 13:16
Ja, man kann die Kommission und ihre Präsidentin stürzen. Unter J. Santer ist das ja schon einmal passiert – wegen einer vergleichsweise harmlosen Korruptionsaffäre einer Kommissarin. Allerdings wurde VDL von Deutschland und Frankreich eingesetzt, mithilfe Polens und Ungarns. Sie genießt daher so etwas wie Narrenfreiheit…
Kleopatra
19. April 2022 @ 12:33
Natürlich gibt es diese Kriterien. Aber letztlich geht es um den politischen Willen; da jede Aufnahme eines Mitgliedstaates einen Vertrag zwischen dem Beitrittsstaat und den bisherigen Mitgliedstaaten dasrstellt, können die Mitgliedstaaten sich grundsätzlich auch über die Kopenhagener Kriterien hinwegsetzen. Nicht zuletzt steht es ja weder im der Macht der Ukraine noch der EU, den Krieg zu beenden, sondern dafür ist auch Russland erforderlich; und wenn man das Prinzip durchalten wollte, dass kein Staat im Kriegszustand aufgenommen werden kann, würder man Russland ein Veto gegen den EU-Beitritt der Ukraine zugestehen.
ebo
19. April 2022 @ 12:37
Es wäre ein schwerer Fehler, sich über die Kriterien hinwegzusetzen.
Es wäre auch falsch, die Ukraine im Hauruck-Verfahren aufzunehmen. Dies würde zu einem Bruch in den Beziehungen zu anderen Beitritsskandidaten auf dem Westbalkan und in der Türkei führen.
Von der Leyen weckt falsche Erwartungen, Selinskyj handelt mit Zitronen.
european
19. April 2022 @ 13:13
@ebo
Ich stimme Ihnen zu. M.E. ist diese Aktion zum jetzigen Zeitpunkt sowieso ein Fehler, weil sie die Verhandlungsmöglichkeiten eher schwächt als stärkt. Es gibt keinen Schutz durch die EU und ein möglicher neutraler Status, der ja auch von Russland gefordert war, wird damit erschwert.
Natürlich gibt es Länder wie Schweden oder Finnland, die einen neutralen Status haben, aber die Herangehensweise war aus einer friedlichen Situation heraus und nicht aus einer kriegerischen. Außerdem spielt die geographische Lage der Ukraine mit dem Zugang zur Schwarzmeerküste noch eine zusätzliche und wirklich maßgebende Rolle.
Marianne Brull
19. April 2022 @ 14:27
Danke liebe)r Holly für Ihre immer Hirnanregenden, oft sehr aufschlussreichen Kommentare. Bitte hören Sie jetzt nicht auf!
Ich möchte jedoch dazu eine Bemerkung machen_ trägt man in diesen katastrophistischen Szenaris der Tatsache Rechnung, dass wir uns in einer nicht Jahrhundert- sondern in einer Jahrtausendwende befinden! Was war alles passiert in den z.B. viertausender a.Ch, Dass wir das nicht mehr erleben werden, sondern vielleicht zugrunde gehen ob dem Quatsch den wir grade jetzt noch bauen wäre irgendwie zu bedenken. Mit Ausschluss der verschiedenen Religionen…