Was eine Übergewinnsteuer bringen könnte
Die Übergewinnsteuer, die die EU im vergangenen Jahr angekündigt hat, war ein Flop. Deutschland hat sie schon wieder abgeschafft. Dabei könnte eine gut konzipierte Steuer wichtige Einnahmen generieren.
Eine europaweite Übergewinnsteuer könnte zusätzliche Einnahmen von bis zu 126 Milliarden Euro pro Jahr generieren und den Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft erleichtern.
Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der renommierten Universität Greenwich. Die Mehreinnahmen entsprechen ungefähr 0,8% der Wirtschaftsleistung der EU oder 280 Euro pro Bürger.
Die Studie war vom grünen Europaabgeordneten Rasmus Andresen in Auftrag gegeben worden. Die EU hatte im vergangenen Jahr eine Übergewinnsteuer im Energiesektor angekündigt. Nach einer Klage des US-Ölkonzern Exxon war es um das Thema jedoch still geworden.
In Deutschland ist das Instrument im Juni ausgelaufen. Zuletzt hatte Italien angekündigt, die Extraprofite der Banken zu besteuern.
“Während die Preise steigen und die Mehrheit der Menschen real an Einkommen verliert, haben viele Konzerne seit der Pandemie hohe Zufallsgewinne gemacht“, sagte Andresen.
Die EU müsse hier gegensteuern, denn die Ungleichheit habe nicht nur negative ökonomische Folgen. Sie gefährde auch den sozialen Zusammenhalt und trage zum Erstarken von rechtsextremen Parteien bei.
Konkret schlagen die Forscher vor, Zufallsgewinne erst ab einem bestimmten Prozentsatz zu besteuern. Die Steuer soll erst bei Profiten greifen, die die Schwelle von zehn Prozent aller Vermögenswerte überschreiten.
Steuersatz von 20 bis 40 Prozent
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Der Steuersatz soll zunächst bei 20 Prozent, bei höheren Gewinnen bei 40 Prozent liegen. Dieser progressive Ansatz soll es den Unternehmen erlauben, weiter wichtige Investitionen zu tätigen.
Betroffen wären nach Angaben der Forscher von allem die Bereiche Industrie, Energie, Transport, Informationstechnologie und Finanzwirtschaft.
Die Steuer soll nach dem Bestimmungsland-Prinzip berechnet werden – also an dem Ort, wo der Gewinn tatsächlich erwirtschaftet wird. So ließe sich nach Ansicht der Experten die Gefahr von Steuervermeidung und Abwanderung bannen.
Die Zahlen stützen sich auf Berechnungen aus dem Jahr 2022. Dies sei – wegen Energiekrise und Gewinninflation – zwar ein Ausnahmejahr gewesen. Dennoch habe die Studie gezeigt, wie viel Potential eine Übergewinnsteuer birgt.
Progressive Ökonomen und Politiker werben seit langem für eine Abschöpfung der Extraprofite – bisher ohne großen Erfolg. In der EU scheitert eine Übergewinnsteuer vor allem daran, dass für die Steuerpolitik die Mitgliedsländer zuständig sind.
Das Europaparlament fordert zwar, dass die EU auch über Eigenmittel verfügen müsse, die aus neuen Steuern finanziert werden könnten. Die Reformbemühungen kommen jedoch kaum voran…
Die Studie steht hier. Siehe auch What European Countries Are Doing about Windfall Profit Taxes
Pjotr
17. Oktober 2023 @ 21:31
Sorry, ebo. Aber bei Steuern gelten andere Regeln, die Michael Hartmann, Professor em. für Soziologie, für uns untersucht hat:
“Der enorme Aufschwung des Rechtspopulismus in vielen westlichen Ländern hat eine entscheidende Ursache, die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft. Hauptverantwortlich dafür ist die Politik der zentralen Eliten, die durch zahlreiche Entscheidungen die Wohlhabenden und Reichen begünstigt haben. Diese Entscheidungen sind durch die immer stärker von der Normalbevölkerung abgehobene Lebenslage der Elitenmitglieder und ihre mehrheitlich gehobene soziale Herkunft geprägt. Will man den Aufstieg des Rechtspopulismus bremsen, muss deshalb ein radikaler Politikwechsel in Richtung soziale Gerechtigkeit erfolgen und die Eliten und vor allem die politische Elite müssen sozial wieder wesentlich offener werden.”
https://www.youtube.com/watch?v=k72g7Sc90ZQ
ebo
17. Oktober 2023 @ 22:09
Genau das steht doch in dem Beitrag!
Pjotr
17. Oktober 2023 @ 22:41
Na ja, die charakterliche Deformation der Eliten und ihrer politischen Helfershelfer, die zumindest für D in Hartmanns Studie nachgewiesen wird, steht so dezidiert nicht drin. Egal, dein Bericht und Hartmanns Vortrag ergänzen sich mMn optimal.
Arthur Dent
17. Oktober 2023 @ 19:57
Eine Grüne Auftragsstudie – da ist doch das Ergebnis vorprogrammiert. Und warum soll eine in Italien oder Frankreich oder Deutschland angefallenen Übergewinnsteuer in den allgemeinen EU-Haushalt eingehen? Meist stammen die Zufallsgewinne durch explodierende Preise, die von den Menschen in dem Land gezahlt werden mussten, in dem sie angefallen sind. Da sollten sie auch denen wieder zugute kommen. Der Klimaforscher Patrick T. Brown hat eingeräumt, eine Studie so angepasst zu haben, damit sie in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wird. Mehr Drama steigert die Auflage.
Die Grünen sind immer sehr enthusiastisch und schalten fossile Anlagen schnell ab. Sie unterschätzen aber gewaltig den Zeitfaktor bis Erneuerbare marktreif und ersatzfähig sind
european
17. Oktober 2023 @ 18:49
Ich persönlich glaube nicht an „Zufallsgewinne“, sondern eher an Marktmacht. Gewinner der Krise sind Energie- und Lebensmittelkonzerne, nicht zufällig, sondern weil sie es können. In Deutschland gibt es z.B. nur noch 4 Lebensmittelkonzerne. Das nähert sich der Monopolstellung.
Die Länder müssen anfangen, Konzerne zu zerschlagen und damit den sogenannten Markt wieder beleben. Land, egal ob Ackerland oder anderes, muss unverkäuflich gemacht werden, in Staatsbesitz zurückgeführt, und die 99Jahre Pacht wieder aktiviert. Bill Gates z.B. ist der größte Ackerlandbesitzer der USA. Je mehr er dazukauft, umso höher steigt der Wert des Ackerlandes, den er bereits im Bestand hat. Land ist eben nicht vermehrbar und ähnliche Preistreiberei beobachten wir in europäischen Ländern. Auch die Erpressbarkeit steigt ebenfalls proportional mit dem Landbesitz. Gates z.B. ist großer Fan von hybridem Saatgut, das man jedes Jahr neu kaufen muss.
Klingt alles vermeintlich sozialistisch, ist es aber nicht. Bei der Tendenz stirbt der sogenannte Markt einen Hungertod, weil nichts mehr vermarktet wird. Es geht darum, WER letztlich unsere Zukunft bestimmt.
Helmut Höft
18. Oktober 2023 @ 10:55
@ebo, @all
Vorweg: Wenn es eine Übergewinnsteuer geben sollte – unabhängig einer “perfekten” Konstruktion dafür –, sollte es dann auch eine “Untergewinnprämie” geben? Das ist nicht ironisch gemeint:
Man muss die Erzielung höchster Einkommen/Gewinne grds. verhindern (bspw. durch vorab Verteilung). Es ist immer schlecht, jemanden hinterher etwas weg zu nehmen (siehe bspw. hier: https://www.hhoeft.de/mythos/index.php/2023/10/16/warum-der-mainstream-auf-den-pruefstand-muss-6-c-gute-und-schlechte-steuern-schluss-wray/ im unteren Teil)
In diesem Sinne ist @european absolut Recht zu geben!
@european
Marktmacht … that’s it!
Die Länder müssen anfangen, Konzerne zu zerschlagen … Heilix Blechle! FACK! Nur so kann es gehen. Wobei ich zerschlagen als Ergebnis des Fernziels klar ankündigen würde, im Vorgehen ist jedoch behutsam aber nachdrücklich wäre. (Achtung, Problem: “Der Code des Kapitals” ist das Recht! siehe hier https://www.suhrkamp.de/buch/katharina-pistor-der-code-des-kapitals-t-9783518587607)
Die Lösung solcher Probleme? Da muss die Politik handeln, da müssen heterodoxe Fachleute ran – und nicht die “Ächtzperten” aus dem Mainstream!