Warum man Ungarn und Rumänien nicht vergleichen kann
Die Schmutzkampagne des ungarischen Premiers Orban erschüttert die konservative Parteienfamilie EVP. Doch statt ihr Verhältnis zu Orban zu klären, zeigen die Konservativen mit dem Finger auf Rumänien. Der Rechtsstaat sei auch dort gefährdet.
Das stimmt – sogar Kommissionschef Juncker hat darauf mehrfach hingewiesen. Die sozialdemokratisch geführte rumänische Regierung, die derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, attackiert immer wieder die unabhängige Justiz.
Der neueste Ärger entzündet sich an – offenbar politisch motivierten – Ermittlungen gegen Laura Kövesi, die als aussichtsreiche Kandidatin für den Chefposten bei der geplanten EU-Staatsanwaltschaft gilt.
Eine Spezialeinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft hat Kövesi der Korruption beschuldigt und lud sie am vergangenen Freitag vor – ausgerechnet an jenem Tag, an dem Kövesi in Brüssel für den Posten bei der EU-Staatsanwaltschaft angehört werden sollte, wie SPON meldet.
Das ist beunruhigend. Offenbar schützt auch eine sozialdemokratische Regierung nicht vor Angriffen auf Demokratie und Rechtsstaat. Dennoch lassen sich Ungarn und Rumänien nicht vergleichen.
Denn zum einen läuft gegen Ungarn bereits ein EU-Rechtsstaatsverfahren, gegen Rumänien jedoch nicht. Selbst die EU-Kommission, die die Zustände in Bukarest kritisiert, hat dies bisher nicht beantragt.
Zum anderen steht Rumänien, was Rechtsstaat, Korruption und organisiertes Verbrechen betrifft, immer noch unter Kuratel aus Brüssel. Die EU-Kommission überwacht die Reformen, genau wie in Bulgarien.
Das bedeutet, dass Kommissionschef Juncker und sein für den Rechtsstaat verantwortlicher sozialdemokratischer Kommissar Timmermans bereits aktiv sind. Bukarest kann nicht so frei agieren wie Budapest.
Timmermans kümmert sich auch um Polen und Ungarn. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Europawahl kämpft also aktiv für den Rechtsstaat – was man von seinem Rivalen Weber nicht behaupten kann.
Doch der entscheidende Unterschied liegt woanders. EVP-Mitglied Orban attackiert nicht nur die EU-Kommission, sondern auch deren Präsidenten Juncker. Er greift also das Amt an, das Weber übernehmen will.
Dies lässt sich von den Politikern aus Rumänien nicht behaupten, zum Glück. Im Gegenteil: Sie mühen sich als EU-Ratsvorsitzende, den Laden zusammenhalten – wenn auch mehr schlecht als recht…
Siehe auch “Weber muß einschreiten – oder gehen”
Baer
22. Februar 2019 @ 08:19
@Nemschak,
Wie wäre es mal mit Fakten unterlegten Behauptungen ,anstatt immer nur eine Meinung zu verbreiten.
Worauf stützen sich Ihre „Tatsachen „?
Der Osten scheint bei Ihnen grundsätzlich der Böse zu sein. Dass auch in Deutschland die Demokratie nur als Deckmantel verwendet wird sollte selbst Ihnen nicht verborgen geblieben sein.
Kleopatra
21. Februar 2019 @ 23:48
Ohne es zugeben zu wollen, muss Merkel Orbán für seinen Stacheldrahtzaun doch zutiefst dankbar sein, denn er tut das, was sonst die deutsche Grenzpolizei tun müsste, und entlastet dadurch Merkel und erspart es ihr, öffentlich zu erklären, warum man arme Leute sehr wohl am Grenzübertritt hindern muss. Irgendwie wirkt auf mich die Kombination Merkel und Orbán wie Shen Te und Shui Ta aus dem Guten Menschen von Sezuan, aber anders als bei Brecht auf zwei verschiedene Schauspieler aufgeteilt.
Deshalb darf Merkels Statthalter in spe in Europa, der bescheidene und freundliche Herr Weber, in seiner unvermeidlichen Kritik an Orbán nicht zu weit gehen, und er muss darauf achten, dass sie im Rahmen einer Pflichtübung bleibt.
ebo
22. Februar 2019 @ 09:10
Natürlich ist Orbans Abschottung funktional für Merkels und Seehofers Politik. Doch anders als Erdogan hat der Fidesz-Chef in der Migrationsfrage kein Druckmittel gegen Deutschland. Sein einziger Trumpf ist die EVP-Mitgliedschaft.
Kleopatra
22. Februar 2019 @ 11:07
Wäre die ungarische Grenze für Migranten offen, würden diese bis Deutschland weiterziehen und dort Asyl beantragen wollen und somit die deutsche Regierung zum Offenbarungseid zwingen, d.h. Merkel müsste sich entschließen, entweder selbst die Migranten abzwehren zu lassen (einschließlich Einsatz von Gewalt) oder Ungarn höflich und bescheiden zu bitten, doch wieder so „grausam und unmenschlich“ zu sein wie gegenwärtig. Orban hat somit genau dasselbe Druckmittel wie Erdogan.
Die Formulierung „Merkels und Seehofers Politik“ ist originell: inwiefern kann man von einer Gemeinsamkeit sprechen?
ebo
22. Februar 2019 @ 11:43
Sie sitzen in einer Regierung und verantworten ihre Politik gemeinsam, auch ihren Streit. Offiziell ist ja auch alles beigelegt, oder?
Peter Nemschak
21. Februar 2019 @ 13:05
Ungarn und Rumänien haben beide zutiefst korrupte Gesellschaften und politische Kulturen mit einer lange zurückreichenden Alltagskorruption aus ihrer kommunistischen Vergangenheit. Sowohl Polen wie Ungarn und Rumänien haben die Tendenz, die Mechanismen pluralistischer und rechtsstaatlicher Demokratie außer kraft zu setzen. Dort liegt das eigentliche Demokratieproblem, mit dem die EU zu kämpfen hat. Der Umstand, dass sich die rumänische Regierung sozialistisch nennt, macht es nicht besser. Alle drei Länder leiden unter einem nationalen Komplex, was nach Jahrzehnten sowjetischer Fremdherrschaft verständlich ist. In Osteuropa werden die Spätschäden jahrzehntelanger sowjetischer Besetzung immer deutlicher sichtbar. Skurril ist der Streit zwischen Schweden und Ungarn, in dem Schweden den Ungarn vorwirft, durch falsche finanzielle Anreize die Frauen zu Gebärmaschinen machen zu wollen. Erstens geht das die Schweden nichts an und zweitens werden moderne gebildete Ungarinnen sich nicht von Orban als Brutkästen zur Erzeugung ungarischen Nachwuchses einspannen lassen. Die Tendenz zur Auswanderung aus Ungarn wird anhalten, das Land mittelfristig kulturell und wirtschaftlich verproletarisieren. Orban hat das Ergebnis der Friedensverträge von Trianon, welche Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg zurechtgestutzt haben, in seiner Sicht der Welt noch nicht akzeptiert. Er lebt politisch noch in der Scheinwelt von Großungarn statt sich wie Österreich darauf zu beschränken die monarchische Vergangenheit touristisch zu verwerten.