Merkel beharrt auf Upload-Filtern – Thunberg inspiriert Brüssel
Die umstrittene EU-Reform des Urheberrechts im Internet könnte doch noch kippen. Diese Hoffnung hat Justizministerin Katarina Barley (SPD). Dabei wurde sie von Kanzlerin Merkel gerade dazu verdonnert, den Weg frei zu machen.
Die Bundesregierung hat am Mittwoch in Brüssel für den heftig umstrittenen Artikel 13 des Entwurfs gestimmt, der aus Sicht von Kritikern Upload-Filter möglich macht und die freie Meinungsäußerung um WorldWideWeb einschränkt.
“Ich habe mich regierungsintern dafür eingesetzt, dass die Urheberrechtsrichtlinie ohne Artikel 13 verabschiedet wird“, erklärte Barley nach der Abstimmung im AStV, dem Ausschuss der Ständigen Vertreter (EU-Botschafter).
Dort stimmten 21 Länder für die Reform. Die Niederlande, Polen, Luxemburg, Finnland und Italien waren dagegen, Slowenien und Belgien enthielten sich.
Die deutsche Haltung war – wie so oft – widersprüchlich. Die Bundesregierung stimmte der Reform zwar zu, äußerte jedoch einen Vorbehalt. Man habe die Sorge, dass die Reform scheitern könne, weil Artikel 13 so umstritten sei, sagte ein EU-Diplomat.
Schließlich stoße der Artikel nicht nur in der Internet-Szene auf Widerstand, sondern auch in der Wirtschaft und im Europaparlament.
Hinter diesen diplomatischen Worten verbirgt sich ein handfester Konflikt in der Großen Koalition in Berlin. Im Koalitionsvertrag hatten SPD und CDU/CSU festgelegt, dass sie Upload-Filter als unverhältnismäßig ablehnen.
Genau dafür hat sich nun auch – wenn man ihren Worten glauben darf – die federführende Justizministerin Barley eingesetzt. Doch das Bundeskanzleramt hielt dagegen. Merkel wies Barley an, zuzustimmen.
Das birgt Sprengstoff nicht nur für die GroKo, sondern auch für das Europaparlament, das die Reform noch zweimal absegnen muß: Einmal im Fachausschuss, und dann – vermutlich Mitte März – im Plenum.
Im letzten Jahr ist die Urheberrechtsreform bereits einmal im EU-Parlament durchgefallen. Der Streit in Berlin könnte nun dazu beitragen, dass das Projekt auch in Brüssel bzw. Straßburg kippt…
WATCHLIST:
- Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg kommt nach Brüssel, der heimlichen europäischen Hauptstadt des Schülerprotests. Jeden Donnerstag gehen hier Zehntausende Schüler auf die Straße. Die belgische Regierung haben die Proteste bereits zum Umdenken bewegt, gerät nun auch die EU unter Druck? Auf jeden Fall wird Thunberg mit offenen Armen empfangen. Details finden sich hier (im belgischen “Soir”)
WAS FEHLT:
- Die jüngste, mal wieder “konstruktive” Begegnung zwischen Juncker und May in Brüssel. Die Erklärung, die sie hinterher gemeinsam herausgegeben haben, steht hier. Ein aktueller Hintergrund zum Brexit-Streit steht hier
- Die massive Kritik der Grünen am neuen Verteidigungsfonds der EU. Europa-Parteichef Bütikofer warnt, der Fonds könne sogar Massenvernichtungswaffen sowie sowie weißen Phosphor und abgereicherte Uranmunition finanzieren!
Siehe auch “Die Friedensunion rüstet auf (ohne die Wähler zu fragen)”
Peter Nemschak
21. Februar 2019 @ 10:18
Die Grünen spielen sich in der EU als Friedensmacher auf und drücken dabei konservative und liberale Parteien nach rechts. Lange Friedensjahre in Wohlstand und Freiheit führen dazu, dass Sicherheit im internationalen System als trügerische Selbstverständlichkeit erlebt wird, obwohl sich an den Machtdynamiken zwischen den Staaten nichts geändert hat. Wie wird das neue globale Gleichgewicht aussehen? Wird es auf friedlichem Weg zustande kommen?
Holly01
21. Februar 2019 @ 11:16
„Goldfein: „Wenn China oder Russland oder ein anderer Gegner auf der Welt jemals eine F-35 in ihrem Luftraum sehen sollten, würde ich ihnen gerne eine Botschaft mit zwei Worten senden: We’re here. Es heißt nicht: Ich bin hier, eine F-35 wird niemals alleine da sein.“ Dann wären etwa Truppen auch auf dem Boden und U-Boote im Meer. Das gemeinsame Vorgehen der verschiedenen Streitkräfte soll einen „asymmetrischen Vorteil“ durch „gleichzeitige Dilemmata“ mit sich bringen. Der Gegner wisse nicht, was er machen soll oder komme zur Einsicht, dass er sich nicht wehren kann.“
aus
“ https://www.heise.de/tp/features/US-Streitkraefte-entwickeln-gegen-Russland-und-China-ein-Konzept-fuer-heimliches-Eindringen-4314180.html “
Sie dazu:
„Lange Friedensjahre in Wohlstand und Freiheit führen dazu, dass Sicherheit im internationalen System als trügerische Selbstverständlichkeit erlebt wird…“
Sehen Sie, die Wertegemeinschaft ist agressiv.
Die Wertegemeinschaft erkennt weder die Staatlichkeit noch Rechtsräume von Staaten an, die nicht die USA sind.
Die trügerische Selbstverständlichkeit besteht darin, zu erwarten die USA wären kein willkürlich handelnder, rechtsfreier und agressiver und höchst „Kriegs geiler“ Staat.
Es ist der Hegemon.
vlg
Peter Nemschak
21. Februar 2019 @ 14:32
Zu einem Gleichgewicht der Mächte gehört nun einmal auch militärische Stärke. Davon haben wir im Kalten Krieg jahrzehntelang profitiert. Auch ein multilaterales System braucht eine Garantiemacht, um zu funktionieren. Wer China und Russland als Garantiemächte ablehnt, wird wohl zu einem Arrangement mit den USA kommen müssen. Die EU ist strukturell nicht mit den anderen Großmächten vergleichbar. In einem anarchischen System ist die Anlehnung an einen starken Verbündeten durchaus von Vorteil. Lieber gemeinsam herrschen als alleine von anderen beherrscht zu werden, ist eine nicht unattraktive Alternative.
Peter Nemschak
21. Februar 2019 @ 09:10
Was würde passieren, wenn die Urheberrechtsreform überhaupt ausbleibt? Ein möglichst freies Internet wäre ein gutes Gegenmodell zum chinesischen. Auch ohne Urheberrechtsreform sind die sogenannten Kreativen nicht verschwunden.
Holly01
21. Februar 2019 @ 10:54
“Was würde passieren, wenn die Urheberrechtsreform überhaupt ausbleibt?”
Das ist nicht so einfach, weil es hoch spekulativ ist.
Die “Urheber” sind ja keine Rechteinhaber. Die “Urheberreform” hat grundsätzlich gesellschaftssteuernde Funktionen.
Nun kann man trefflich über die Steuerung streiten, diese Diskussion wurde aber nie geführt.
Kohl Wende (den Schwarm stoppen und seinen Flug auf immer zu verhindern) wurde ja auch nie diskutiert.
Nach den “linksliberalen” Übertreibungen haben die konservativen Eliten in regelrechte Panik versetzt.
Dann hat sich die “Wende” mit der neoneoliberalen” Welle verbunden und die haben sich gegenseitig verstärkt.
Es gab nie eine echte Diskussion …..
Das ist ein gänzlich freier Gestaltungsraum.
vlg