Warum die westlichen Kriegsberichte einseitig sind – das Beispiel Pawlohrad
Seit mehr als einem Jahr berichten die Medien über den Krieg in der Ukraine. Doch wie zuverlässig und glaubwürdig sind die Berichte? Zweifel sind erlaubt, wie das Beispiel des russischen Angriffs auf die Stadt Pawlohrad zeigt.
Update hier
Die Stadt im Gebiet Dnipropetrowsk wurde in der Nacht zu Montag von russischen Marschflugkörpern angegriffen. Es gab gewaltige Explosionen, wie auf diversen Videos zu sehen ist. Offenbar wurde ein “explosives” Ziel getroffen – genau wie zuvor in Sewastopol, wo die Ukraine ein Öllager attackiert hatte.
Doch die “Tagesschau” zeigt nur Bilder von zerstörten Häusern und schreibt: In der ukrainischen Großstadt Pawlohrad wurden nach Behördenangaben mindestens 34 Menschen verletzt. Unter den Verletzten seien fünf Kinder, teilte der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk, Serhij Lyssak, mit. Zwei Frauen seien auf der Intensivstation.
Ähnlich halten es die meisten deutschen Medien, z.B. die “Süddeutsche”. Sie stützen sich auf den Governeur oder auf den ukrainischen Botschafter in Deutschland: “Erneuter russischer Raketenangriff auf zivile Objekte. Dabei galt der Angriff offenbar militärischen Zielen, wie u.a. der “Guardian” berichtet.
“Russian missiles have struck warehouses reportedly storing ammunition at a railway depot in the Ukrainian city of Pavlohrad, in an apparent effort to slow Kyiv’s preparations for its much anticipated counteroffensive expected to start shortly”, schreibt das Blatt.
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Das ist natürlich ganz etwas anderes als ein Angriff auf zivile Ziele. Nach diesem und anderen Berichten hat Russland ein Munitionsdepot und womöglich auch ein Eisenbahnkreuz vernichtet, um die ukrainischen Vorbereitungen auf die Frühjahrs-Offensive zu behindern.
Doch von all dem findet sich nichts in den deutschen Leitmedien. Sie behaupten zwar, sich bei ihren Kriegsberichten auf ukrainische und russische Quellen zu stützen. Doch offenbar wurden in diesem Fall nur geschönte ukrainische Darstellungen genutzt; russische Quellen wurden völlig ausgeblendet.
Genutzt und breit zitiert werden die Russen eigentlich nur, wenn es schlecht läuft für Russland – wie im Fall von Wagner-Chef Prigoschin. Der sieht Russland “am Rande einer Katastrophe”, weil nicht genügend Munition geliefert werde – das bringt dann sogar der “Spiegel” ganz groß raus.
“Updates” vom britischen Geheimdienst
Zusätzlich verfälscht wird das Bild von westlichen Geheimdienst-Informationen. Besonders unangenehm tut sich der britische Militärgeheimdienst hervor, aus dem deutsche Medien ständig zitieren. Er meldet fast nur ukrainische Erfolge und russische Probleme. Mit dem tatsächlichen Geschehen haben die “Updates” wenig zu tun.
So berichtet die neueste Meldung vom 1. Mai von den russischen Befestigunganlagen. Der massive und taktisch wichtige russische Angriff auf Pawlohrad wird mit keinem Wort erwähnt. Der “Update on Ukraine” ist für die aktuelle Lage ohne Wert. Dennoch berufen sich sogar EU-Berater regelmäßig auf das britische Militär.
Wie kann das sein? Nun, offenbar taugen deutsche und französische Dienste noch weniger – und die EU verfügt immer noch nicht über eigene Aufklärung. Sie liefert zwar mehr und mehr Waffen und Munition in die Ukraine – doch beim Kampfgeschehen verlässt man sich in Brüssel auf die geschönten Berichte aus Kiew und London.
Kein Wunder also, dass die Lagebeurteilung in Politik und Medien einseitig ist…
Mehr zum Krieg in der Ukraine hier
P.S. Pawlohrad ist nur ein Beispiel unter vielen. Anderen Berichten zufolge verschweigen westliche Medien auch, dass die ukrainischen Elitetruppen aufgerieben und weitgehend vernichtet worden sind…
european
4. Mai 2023 @ 16:23
Unterschiedliche Berichterstattung im direkten Vergleich:
Die Welt spricht ueber Kinderkidnapping im grossen Stil:
https://www.welt.de/politik/ausland/plus245145778/Neuer-Name-Adoption-Umerziehung-das-perfide-System-des-russischen-Kinder-Kidnappings.html
Die Weltwoche interviewt die russische Kinderbeauftragte (selber 10fache Mutter)
https://weltwoche.ch/daily/die-ukrainer-wollen-uns-als-monster-darstellen-russland-soll-ukrainische-kinder-verschleppt-ja-deportiert-haben-putins-kinderbeauftragte-wehrt-sich-ihr-zufolge-hat-russland-730-000-kin/
Perfide finde ich, dass man sie in der UN nicht mal angehoert hat, weil die Delegierten den Saal verlassen haben. Das sind die, die von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit reden, der aber ganz besonders dadurch ausgezeichnet ist, dass jeder Angeklagte das Recht hat, gehoert zu werden.
Neu ist so etwas uebrigens nicht. Im Vietnamkrieg organisierten die USA die Operation Babylift und transportierten mehr als 2000 oder 3000 vietnamesische Kinder in die USA und andere Laender und gaben sie weltweit zur Adoption frei. Die heute Erwachsenen wissen nicht, woher sie kommen, wer ihre Eltern sind und ob diese vielleicht noch leben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Babylift
Kann man gut finden oder nicht. Kriegswirren fuehren manchmal zu seltsamen Handlungsweisen.
KK
2. Mai 2023 @ 14:04
Gerade wegen dem Gemisch aus Lügen und Halbwahrheiten nehme ich die tagesschau zwar noch regelmässig zur Kenntnis, aber ohne den Meldungen noch im mindesten zu vertrauen; die dienen nur noch meinem Wissen, wo NACH sich die Leute um mich rum RICHTEN.
Nur ein aktuelles Beispiel, wie schon mit simplen Tricks der Sprache dort die Fakten verdreht werden:
Gestern wurde in der 20-Uhr-tagesschau über die Maidemos in Frankreich berichtet und dabei erwähnt, dass die sich immer noch gegen die Rentenreform richteten; dabei fiel folgender Satz: “Macron hatte die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters trotz massiven Widerstands im Eiltempo verabschieden lassen” (20-Uhr-tagesschau, 01.05.2023, ab Minute 4:17).
Dabei hatte das Parlament die Reform mangels Mehrheit ja ausdrücklich nicht verabschiedet, sondern Macron im präsidialen Alleingang die Reform per Dekret durchgesetzt. Also nicht “verabschieden lassen”, sondern von oben herab verordnet.*
Das ist schon was ganz anderes, nicht wahr? Die Formulierung der tagesschau stellt es so dar, als richteten sich die Proteste gegen einen ganz normalen demokratischen Prozess, der das Durchsetzen der Reform so ja eben nicht war.
Und wenn das schon bei dem doch hier eher beiläufigen Thema schon so eingefärbt wird, dann kann man sich vorstellen, wie das bei der Kriegspropaganda erst läuft!
* Die “Vertrauensabstimmung” hatte ja nicht die Reform zum eigentlichen Gegenstand, sondern war von der Angst vor Marie Le Pen geleitet – also eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Und war trotzdem denkbar knapp.
KK
2. Mai 2023 @ 11:39
@ Joseph Berchtold:
“ Somit müsste man mehr nachliefern, oder?“
Gerade das kann man ja nicht, weil man schon die bislang zugesagten Mengen nicht zusammen bekommt!
Helmut Höft
2. Mai 2023 @ 10:24
Allein schon die Unterscheidung zwischen „ziviler Infrastruktur“ und … was? Hat die Ukraine etwa doppelt Infrastruktur, eine zivile und eine militärische? Und „die Russen“ treffen „in böser Absicht“ immer die falsche?
Zur Kriegsberichterstattung schlag nach bei Ponsonby bzw. Morelli.
Stef
2. Mai 2023 @ 07:59
Mir hat die Berichterstattung über den Brand des Gewerkschaftshauses von Odessa in 2014 die Augen geöffnet. Zuerst hieß es im öR Fernsehen, dort hätten russlandtreue Konterrevolutionäre die örtlichen Maidanaktivisten verbrennen lassen und erschlagen. Ein pasr Stunden später wurde einmal kurz erwähnt, dass es genau anders herum war. Danach wurde die Geschichte zum Tabu und ist vollständig verschwunden.
Was die Kriegsberichterstattung angeht, hat sich Ebos Beobachtung als der Standard herausgestellt. Irgendwo wird am Rande immer klargestellt, dass Informationen von Kriegsparteien unzuverlässig sind (was man durch Korrespondenten vor Ort ändern könnte, aber nicht will). Dann wird ausschließlich die pro-ukrainische Version verkündet.
Fazit: Auch „demokratische Kriegsberichterstattung“ bleibt jedenfalls im Mainstream reine Propaganda.
Josef Berchtold
2. Mai 2023 @ 07:27
Wer argumentativ auf der Seite der Ukraine steht, hätte es nutzen können, von einem großen Schlag gegen die Ukraine zu sprechen, dass viel Munition zerstört wurde. Somit müsste man mehr nachliefern, oder?
Alexander Hort
1. Mai 2023 @ 20:41
Was mir persönlich, neben den genannten Dingen, gerade bei der politischen Berichterstattung im deutschen Fernsehen immer wieder übel aufstößt, sind, häufig vonseiten der Moderation, Suggestivfragen, bei denen die „korrekte“ Antwort quasi vorweggenommen wird, sowie routinemäßig unsaubere Formulierungen (weil häufig umgangssprachlich, oder auch implizit wertend), für die mein Deutschlehrer mir früher in meinen Aufsätzen Punkte abgezogen hätte.
Oder gelegentlich auch einfach schroffe Bemerkungen der Moderation, wo man sich fragt ob das jetzt eine Frage sein soll. Gerade auch bei Themen, die polarisieren, wie z.B. dem Krieg in der Ukraine.
WBD
1. Mai 2023 @ 16:55
Danke, lieber EBo, für diese Zeilen – allerdings ist mir das schon vor nahezu 10 Jahren aufgefallen, daß unsere (Leit-) Medien eine seltsame Berichterstattung speziell zu den geopolitischen Themen Syrien und Ukraine pflegen. Nein, nein, Lügen tut man ja nicht – aber grundsätzlich nur Gutes über die eine Seite, und grundsätzlich nur Schlechtes über die andere Seite lässt eben ein grundsätzlich falsches Bild beim Medienkonsumenten entstehen. Lügen ohne zu Lügen – und sich über das böse Wort der ‘Lügenpresse’ dann aber fürchterlich aufregen!
Ich bin in Braunschweig aufgewachsen, und konnte dort bei erwachendem politischen Verstand an den Nachrichtensendungen von Ost und West deutlich mitbekommen, wie des Einen seine Wahrheit zu des Anderen seiner Propaganda wurde – auf beiden Seiten.
Auch deshalb bin ich so entsetzt über die derzeitige Stimmung im Lande, weil mir leider sehr bewusst geworden ist, daß diese Stimmung einzig durch die Medien geschaffen worden ist. Für mich ist das schon lange eine Stimmung, die bewusst auf einen Krieg vorbereiten will – in einer etwas vornehmeren Art als seinerzeit im Sportpalast, aber auch wesentlich wirkungsvoller. All die vielen Fernsehbilder – man hat’s doch mit den eigenen Augen gesehen…
ebo
1. Mai 2023 @ 17:08
Ds geht tatsächlich schon seit Jshren so, im Fall der Ukraine seit 2014. Allerdings ist das Beispiel Pawlowhard besonders krass – es zeigt, wie man durch Weglassen einen völlig falschen Eindruck erweckt. Nach den ersten, schockeirenden Twitter-Meldungen der Nacht hatte ich eine große Berichterstattung in den deutschen Medien erwartet – und fand so gut wie nichts…
european
1. Mai 2023 @ 17:36
Ich stimme Ihnen zu. Diese Missinformation ist auch der Grund, weshalb ich den Berichten ueber Butscha misstraue und auf eine neutrale Untersuchung warte.
Man muss viele andere Quellen bemuehen, auch internationale. Sonst bekommt man kein Bild zusammen. Deshalb bin ich persoenlich auch froh, auf diesem Portal Informationen zu finden, die sonst nicht zu bekommen sind. Dazu kommt die Meinungsfreiheit im Austausch mit anderen Foristen.
Es bezieht sich ja nicht nur auf den Krieg. Phoenix hat z.B. die Pressekonferenz von Baerbock in Indien nur teilweise uebertragen. Nachdem Baerbock ihr uebliches Palaver von den Werten losgeworden war, hat Phoenix abgeschaltet und die Worte des indischen Counterparts nicht gesendet. Zu finden war dieser Teil auf den Seiten der Weltwoche. Der indische Aussenminister hat Baerbock mit eleganten, aber pointierten Worten in die Schranken gewiesen. Euer Krieg, euer Problem. Indien hat keine Probleme mit Russland und denkt gar nicht daran, sich vor einen Karren spannen zu lassen.
Man darf den deutschen Medien nicht mehr trauen. Auch der BBC hier nicht mehr. Das wahre Leben beginnt mit dem Ausschaltknopf und der Suche nach Quellen im Netz, die man auch testen muss. Aber sie sind vorhanden.