Wie der europäische Energiemarkt die Preise treibt

Kanzlerin Merkel setzt in der Klimapolitik unbeirrt auf den Markt. Zum Auftakt der Weltklimakonferenz COP26 warb sie für eine weltweite CO2-Bepreisung. Dabei funktioniert die nicht einmal in der EU. Auch der europäische Energiemarkt setzt falsche Signale.

Die Energiepolitik in EUropa ist immer noch Ländersache – jedes EU-Land hat seinen eigenen Energiemix und seine eigenen Preise. In Deutschland ist Energie besonders teuer, „wettbewerbsfähige Märkte“ sind hierzulande nur ein Wunschtraum.

Die Energiemärkte sind auch nicht voll integriert. Selbst die liberalen Neun räumen ein, dass das Ziel, die Stromnetze europaweit zu verbinden, in weiter Ferne liegt. Bis 2030 strebt die EU gerade mal eine Interkonnektivität von 15 Prozent an. Aktuell sind es viel weniger.

Und die Preisbildung am Energiemarkt ist alles andere als transparent. Das liegt nicht nur an den national höchst unterschiedlichen Steuern und Abgaben, die einen Großteil der Preise ausmachen. Es liegt auch an undurchsichtigen Handelsplätzen, etwa in den Niederlanden.

Es sei unmöglich zu sagen, warum die Gaspreise an der weltweit führenden niederländischen “Title Transfer Facility” (TTF) steigen oder fallen, sagen Insider. Offenbar ist viel Spekulation dabei. Märkte neigen nun mal zu irrationalem Überschwang, auch beim Gas.

Die EU findet kein Rezept gegen den Preisschock. Dabei gefährden die hohen Energiepreise mittlerweile nicht mehr nur einkommensschwache Familien und energieintensive Unternehmen.

Die Inflation beim Gas treibt auch den Strompreis in die Höhe – was wiederum den „European Green Deal“ und den Klimaschutz gefährdet.

Idealerweise sollten Gas und Kohle teuer und der Strom billig sein, damit der Übergang in die klimaneutrale Wirtschaft gelingt. Der „Green Deal“ sieht sogar eine Verteuerung der fossilen Energieträger durch den Emissionshandel vor – auch hier soll der Markt wahre Wunder wirken.

Doch das Preissignal verpufft, wenn der Strom ebenso teurer wird wie das Gas, wie derzeit in Europa. Offenbar haben wir es hier mit Marktversagen zu tun – bzw. mit einem Fehler im europäischen Marktdesign.

Der Markt folgt dem teuersten Angebot

Nach den EU-Regeln bestimmt das teuerste Kraftwerk den Preis auf den europäischen Strommärkten. Da derzeit der Gaspreis am Limit liegt, orientiert sich der Strom am teuren Gas.

Das ist einerseits gut, da so auch billigere Energieträger wie Wind oder Sonne hohe Preise erzielen. Es ist aber auch schlecht, da sich der Strompreis von der (nationalen) Produktion abkoppelt und rasant in die Höhe schnellt.

So müssen die Franzosen plötzlich tiefer in die Tasche greifen, obwohl ihre Atomkraftwerke genauso günstig Strom produzieren wie vor der Gaskrise.

Die Akzeptanz schwindet

Bisher ärgert das vor allem Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der gemeinsam mit dem spanischen Premier Pedro Sánchez auf Reformen drängt.

Es sollte aber auch Merkel und all jene umtreiben, die auf Dekarbonisierung und Klimaneutralität setzen. Schon jetzt treiben die hohen Preise die Verbraucher und Unternehmen auf die Barrikaden.

Wenn die EU nicht gegensteuert, wird die Akzeptanz für neue Klimaschutzmaßnahmen schwinden und der Widerstand zunehmen. Die geplante Ausweitung des Emissionshandels auf Verkehr und Gebäude trifft bereits auf entschiedene Gegenwehr…

Mehr zur neuen Energiekrise hier

P.S. Wie schlecht der Markt funktioniert, zeigt ein Bericht in der “B.Z.”: Deutschland verschenkt Strom ins Ausland – trotz Rekordpreisen für Verbraucher.