Von der Leyens vier Gebote für ein “unabhängiges” EUropa
Dass EU-Präsidentin von der Leyen den Karlspreis erhalten hat, war den meisten Medien keine Meldung wert. Trotzdem haben wir ihre Rede gelesen – und uns über “vier Aufgaben” gewundert.
Europa ist mein Leben.
Und es ist die größte Ehre meines Lebens, heute hier vor Ihnen allen zu stehen.
Daher glaube ich, die nächste große Ära – unser nächstes großes, einendes Projekt muss von einem unabhängigen Europa handeln.
Das waren die Kernaussagen. Wir haben sie schon zu oft gehört.
Nur das Wort “unabhängig” lässt aufhorchen – nachdem von der Leyen ihre erste Amtszeit damit verbracht hat, die EU an die USA zu ketten, predigt sie nun das Gegenteil.
Glaubwürdigkeit? No comment!
Aber immerhin hat sie vier Gebote – pardon: Aufgaben – formuliert, um ihre Lebenswerk abzuschließen.
- die Verteidigung; statt einer “Pax Americana” verspricht VDL eine “Pax Europaea des 21. Jahrhunderts”
- die Wettbewerbsfähigkeit;
- die “nächste historische Wiedervereinigung” Europas durch die Erweiterung um beitrittswillige Staaten wie die Ukraine ;
- die Stärkung der Demokratie.
Was soll man davon halten?
- Als Verteidigungsministerin hat VdL die Bundeswehr heruntergewirtschaftet. Die 800 Mrd. Euro für Aufrüstung, die sie nun verspricht, stehen nur auf dem Papier, die “Wiederbewaffnung” kommt auf Pump.
- Die Wettbewerbsfähigkeit ist ein überholter Begriff aus der neoliberalen Schule. Unter von der Leyens Führung ist die W. in Deutschland massiv zurückgegangen – u.a., weil sie billige Energie aus Russland ausschließt.
- Die Erweiterung um die Ukraine wird Europa nicht “wieder vereinen”, sondern tiefer spalten denn je. Von der Leyen hat den Freunden Karls des Großen imperiale Versprechen gemacht, die sie nicht halten kann.
- Die Stärkung der Demokratie – ausgerechnet durch eine Frau, die sich nie einer direkten Wahl für Brüssel gestellt hat und deren Politik dazu führt, dass Nationalisten und EU-Gegner überall stärker werden?
Fazit: Auch die Karlspreis-Rede war keine Meldung wert. Immerhin wird man von der Leyen fortan an ihren “vier Aufgaben” messen können. Und an dem Anspruch, ein “unabhängiges Europa” zu schaffen…
Die Rede steht hier
Arthur Dent
31. Mai 2025 @ 16:29
Die Ukraine ist ein großer Niedriglohnsektor, der Mindestlohn lag 2023 bei etwa 1,10 €. Investoren sind sicher mehr als erfreut (Stichwort: unsere Werte). “Demokratie” bedeutet “pro-amerikanisch” zu sein, das Land hat sich den internationalen Großkonzernen zu öffnen. Länder, die das nicht tun, sind autokratisch. China ist so ein Mittelding.
“Freiheit” heißt Durchsetzung einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung.
Die Vorstellung, dass hauptsächlich die eigene Bevölkerung die Nutznießer der Ressourcenentwicklung eines Landes sind, ist unannehmbar. Einheimische Märkte zu schützen, verhindert die “Entwicklung der Demokratie”. Unabhängig vom Wahlkampfgeschrei machen alle Parteien die gleiche prokapitalistische Wirtschaftspolitik. Die Regierungen verteilen großzügig Subventionen an die Konzerne, die Industrie muss gar nicht mehr herstellen, was Kunden kaufen. Wir sind auch nicht Bürger einer Republik, sondern Konsumenten eines riesigen Basars. Zumindest werden wir so betrachtet.
Michael
30. Mai 2025 @ 10:58
„ Immerhin wird man von der Leyen fortan an ihren “vier Aufgaben” messen können.“
Wie das denn? Das ist pure opportunistische Ideologie! Da kann man Alles und Nichts subsumieren, Alles und Nichts messen!
KK
30. Mai 2025 @ 10:51
“Was soll man davon halten?”
Ein Statement, in dem kein einziges Mal das Wohlergehen der EU-Bürger erwähnt wird. Es geht nur
– ums Militär/Rüstung oder besser eine bislang nie dagewesene Aufrüstung der “Friedensunion”, der alles andere wie zB der Sozialstaat untergeordnet wird, also auf Kosten gerade der Schwächsten der EU-Bürger
– die “Wirtschaft” (was die Investoren und nicht die Werktätigen meint),
– die als “Demokratie” verbrämte Machterhaltung der sogenannten und inzwischen bis in linke Parteien hinein durch Neolioberalismus sich auszeichnenden “Mitte” – während sich gleichzeitig in demokratische Prozesse von inbesondere den als Beitrittskandidaten ausgeguckten Drittstaaten (wie Moldau oder Georgien) direkt zB durch vom Wahlausgang abhängig gemachte Zahlungsversprechen oder indirekt durch (ganz oder teilweise) steuerfinanzierte “NG”Os eingemischt wird
– und letztlich noch nicht mal um die heutige EU, sondern die Ukraine, einen nationalistischen und korrupten Drittstaat: “Слава Україні!”. Dessen “Demokratie” übrigens von der EU selbst 2014 mittels Unterstützung des Sturzes eines demokratisch gewählten Präsidenten vorsätzlich von eben dieser mit Füssen getreten wurde.
Ja, was soll man davon halten?
Guido B.
30. Mai 2025 @ 10:11
Heute berichtet SRF News:
USA: Wir sind gegen den Nato-Beitritt der Ukraine
Keith Kellogg, US-Sondergesandter für die Ukraine, hat erklärt, dass Russlands Sorge über die Nato-Osterweiterung berechtigt sei und die USA nicht wollen, dass die Ukraine der Allianz beitritt. Kellog betonte, dass mehrere Nato-Länder diese Ansicht teilen. “Wenn wir nächste Woche nach Istanbul kommen, werden wir uns hinsetzen und reden”, sagte Kellogg in Washington.
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Wenn das keine Finte ist, um die Russen erneut reinzulegen, muss ich sagen: Ich bin fassungslos! Man stelle sich vor, die USA und mehrere NATO-Länder hätten diese Aussage im Dezember 2021 gemacht. Man stelle sich vor, die USA hätten im Dezember 2021 zu Russland gesagt: “Wir werden uns hinsetzen und reden.” Man stelle sich vor, die NATO hätte Russlands jahrelang wiederholte Bedenken und Klagen ernst genommen und die Aufnahme der Ukraine in die NATO offiziell abgeräumt.
Wenn die USA dieses Statement wirklich ernst meinen, kann ich nur eine Schlussfolgerung ziehen: Der Westen hat richtig Scheisse gebaut. Er hat einen völlig überflüssigen Krieg vorsätzlich provoziert und trägt für die schrecklichen Folgen die Hauptverantwortung. Prof. John Mearsheimer hatte mit seiner Analyse immer recht. Und fast alle Politiker und Medien im Westen haben kläglich versagt. Es ist das schlimmste Versagen des Westens seit dem 2. Weltkrieg.
There’s no other way of saying it: “Slava Ukraini” is NATO’s biggest crime ever!
KK
30. Mai 2025 @ 10:58
“Wenn die USA dieses Statement wirklich ernst meinen…”
Die derzeitige US-Administration mag das vielleicht durchaus ernst meinen, aber nach dem nächsten Regierungs- oder auch nur Präsidentenwechsel kann genau das Gegenteil mit der gleichen Ernsthaftigkeit vertreten werden. Bei einer derart polarisierenden Zwei-Parteien-“Demokratie” wie die der derzeitigen USA haben solche Aussagen selbst für vertrauensselige Dritte eine auch zeitlich nur sehr begrenzte Verlässlichkeit.
Kleopatra
31. Mai 2025 @ 08:12
Wie Sie vielleicht vergessen haben, forderte Russland nicht nur den Ausschluss einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, sondern auch letztlich die Rückgängigmachung der Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten in die NATO. Die russischen Forderungen waren also letztlich von einer Art, dass seitens der NATO nur die Ablehnung denkbar war; also handelte es sich nicht um echte Forderungen, sondern um die Konstruktion eines Kriegsvorwandes durch Russland.
Stef
2. Juni 2025 @ 07:45
Letzteres hätte man als Begründung heranziehen können, wenn man sich seinerzeit erfolglos auf Verhandlungen eingelassen hätte. So bleibt es eine billige Ausrede.
Stef
30. Mai 2025 @ 09:56
Klingt für mich durchaus schlüssig. Erschreckend schlüssig.
VdL will wirtschaftliche Prosperität durch schulden- bzw. steuerfinanzierte Aufrüstungsprogramme, von denen partiell europäische Rüstungsunternehmen profitieren. Sie sieht dabei die Fähigkeit der Abschreckung durch Europa als Beitrag zur militärischen Unabhängigkeit von den USA, was ja an den engen Bindungen zu den USA im Übrigen nichts ändern muss. Denn die gleichzeitig zunehmende Abhängigkeit von Energielieferungen und anderen „Assets“ ist ja „transatlantische Partnerschaft“ und nach VdL-Sprechcode keineswegs „Abhängigkeit“. Die „Wettbewerbsfähigkeit“ dient dabei als Code, dass es um eine streng neoliberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik geht und Umverteilung des Teufels bleibt.
Die Erweiterung der EU um die Ukraine etc. braucht sie um der EU-internen Einigkeit willen und als Pufferstaaten zum Reich des Bösen. Und mit der Stärkung der Demokratie meint sie die Abgrenzung von den populistischen Kräften, die in Europa vermehrt Zulauf haben. Sie meint also nicht „mehr demokratische Legitimation für die EU-Politik“, sondern die Stärkung des selbsternannten „demokratischen Spektrums“ gegen das „populistische bzw. autoritäre Spektrum“.
Das alles liegt voll auf der Linie der Gründer des Karlspreises: Pro-westlich, anti-slawisch, Großkapitalistisch und lieber den Faschismus als Umverteilung in Kauf nehmend.
Ich glaube zwar, dass das alles so nicht funktionieren wird. Und ich halte das für vollkommen verfehlte politische Ziele, die Europa zunehmende Kriegsgefahr, stärkere Abhängigkeiten von den USA, eine wirtschaftliche Abwärtsspirale sowie in dramatisch steigende soziale Spaltung bringen. Aber unlogisch ist es nicht, wenn man die Prämissen der EU-Elite akzeptiert. Ich würde eher sagen, es ist unverbesserlich, denn es nimmt den Untergang der EU aufgrund nicht mehr überbrückbarer innerer Spaltung oder gar einem Großkrieg billigend in Kauf. Aber das ist natürlich nur eine Prognose und Gegenstand der Debatte.
Kleopatra
30. Mai 2025 @ 08:26
Die Direktwahl des Kommissionspräsidenten ist bekanntlich eine Fiktion; aber nach der Vorgehensweise, die das Europäische Parlament vorschlägt, ist vdc von der Bürgern gewählt (“Spitzenkandidatin” der stärksten Fraktion).
Und wieso soll Ihrer Meinung nach ein Beitritt der Ukraine die EU spalten?
Guido B.
30. Mai 2025 @ 08:51
“Und wieso soll Ihrer Meinung nach ein Beitritt der Ukraine die EU spalten?”
Gute Frage. Nichts eint die EU mehr als das Feindbild Russland. Die von Putin destabilisierte und desinformierte EU braucht die Bandera-Ukraine dringend, um entschlossen und geschlossen gegen den Feind im Osten zu kämpfen – und natürlich auch die Feinde im Innern (Ungarn, Slowakei, alle Rechtspopulisten). Die Mitgliedschaft der Ukraine ist die letzte Hoffnung der Eliten, die gemerkt haben, dass ihr entkerntes und verlorenes Weltbeglückungsprojekt ohne Feindbilder nicht mehr zu retten ist. Geht die Ukraine unter, geht der Euro unter. Slava Ukraini!
ebo
30. Mai 2025 @ 10:10
Das Feindbild Russland ein die Eliten, das stimmt. Aber die Ukraine spaltet die Bürger. Schauen Sie mal nach Polen – oder nach Deutschland. Nicht zufällig wurde gerade das Bürgergeld für Ukrainer ausgesetzt.
Bei einem EU-Beitritt der Ukraine würde Polen zum Nettozahlen – und Deutschland und die Ukraine wären auf einen Schlag die größten EU-Länder, die den Ton angeben. Das würde dann auch die Eliten spalten.
Und da haben wir noch nicht von den Agrarfonds gesprochen – und von den Tributzahlungen, die offenbar als Nächstes anstehen: Die EU soll die ukrainische Armee finanzieren – weil sie ja angeblich EUropa schützt…
Der Skeptiker
30. Mai 2025 @ 09:35
Ist Ihnen klar, was das bedeutet? Alle, die bislang EU-Geld bekommen haben, müssen dann zahlen. Auch wenn man sich eingefrorenes russisches Geld widerrechtlich aneignet. Damit ist eine EU-Mitgliedschaft unattraktiv. Zumal, wenn die EU von einer Figur wie VdL regiert wird, die nicht die Interessen der Bürger, sondern des angloamerikanischen Kapitals vertritt.
ebo
30. Mai 2025 @ 10:13
Es geht nicht um Direktwahl der Kommissionsspitze, sondern um das Prinzip der direkten Wahlen. Das ist Ihnen doch sicher bekannt.
Kleopatra
31. Mai 2025 @ 08:07
Wenn Sie darauf anspielen, dass vdc nicht für einen Sitz im Parlament kandidierte: als Kommissionspräsidentin hätte sie den eh nicht einnehmen können, warum also kandidieren? (Und dass sie für die Kommission nominiert werden würde, stand von vornherein fest, da keine andere Fraktion als die EVP eine Chance hat[te], stärkste Fraktion zu werden).
ebo
31. Mai 2025 @ 09:14
Von der Leyen wurde in ihr EU-Amt eingesetzt und hat sich nie einer direkten Wahl für Brüssel gestellt. Selbst in ihrer Heimat Hannover hat sie es vermieden, sich den Bürgern zu stellen; bei der Europawahl stand 2024 sie nicht auf dem Zettel. Man konnte sie aber auch nicht abwählen, denn sie war längst für eine zweite Amtszeit gesetzt – von den EU-Gremien, die längst ein selbstreferentielles System gebildet haben. Der Karlspreis hat dies noch einmal auf das “Schönste” illustriert. Derselbe Mann, der VDL für eine zweite Amtszeit nominiert hat (CDU-Chef Merz) hielt die Laudatio in Aachen 🙂
Kleopatra
31. Mai 2025 @ 10:21
Die Europawahl in. Deutschland ist eine Listenwahl, bei praktisch niemand danach geht, wer auf den Listen steht. Aber wie gesagt: Da sie nach Ernennung zur Kommissionspräsidentin eh sofort das Mandat hätte niederlegen müssen, wäre es geradezu Wählertäuschung gewesen, wenn sie für das Parlament kandidiert hätte.
Dass sie eingesetzt wurde, ergibt sich aus den Verträgen und konnte nicht anders geschehen.
Guido B.
30. Mai 2025 @ 05:41
Führer wie vdL sind das Letzte, was EUropa braucht. Zu autokratisch, zu bellizistisch, zu ideologisch, zu überheblich, zu deutsch.
Georg
30. Mai 2025 @ 13:11
…..und zu dumm