Ukraine: Blame Game im Nato-Hauptquartier
Nach der gescheiterten Gegenoffensive in der Ukraine hat das Blame Game begonnen. Washington setzt sich von Kiew ab.
Diesen Eindruck vermittelt ein Bericht in der “Washington Post”. “Fehlkalkulationen und Meinungsverschiedenheiten” hätten die “Offensivplanung der USA und der Ukraine” überschattet, berichtet das Blatt (deutsche Zusammenfassung jetzt bei “Focus online”).
Die Ukraine sei nicht den “bewährten” US-Taktiken gefolgt, sondern habe sich verzettelt. Bei einem Treffen im Juni im Nato-Hauptquartier habe US-Verteidigungsminister Austin daher den mittlerweile gechassten Kollegen Reznikov gerügt.
Dieser habe sich mit Hinweis auf die fehlende Luftunterstützung verteidigt. Die USA geben also der Ukraine die Schuld an der gescheiterten Gegenoffensive, doch die Ukraine gibt den Schwarzen Peter sofort zurück.
Bemerkenswert ist, dass das Ganze im Nato-Hauptquartier spielt, wo man immer so tut, als seien alle einer Meinung. In Wahrheit gab es massive Differenzen. Bemerkenswert auch, dass die USA die Offensive geplant haben.
Beides wird von offizieller Seite bis heute bestritten. Dass es nun dennoch ans Tageslicht kommt, noch dazu mit einem negativen “Spin”, deutet darauf hin, dass sich Washington langsam aber sicher von Kiew absetzt…
P.S. Die geplante US-Hilfe für die Ukraine ist vorerst geplatzt. Der Kongress hat kein grünes Licht gegeben. Auch international bekommt die Ukraine immer weniger Unterstützung. Es hängt mehr und mehr an Deutschland…
Stef
8. Dezember 2023 @ 12:15
Das traurige ist: Wir (Europa) können jetzt erst einmal gar nichts mehr machen. Wir haben unsere Karten schlecht ausgespielt, die Hand ist leer. Die Ukraine kann vermutlich auch nichts mehr machen. Sie wird den Krieg verlieren, weil sie an irgendeiner militärischen oder politischen Front früher oder später schlicht kollabiert. Und seien es die Demonstrationen der Soldatenfrauen auf der Straße.
Anschließend wird sich Russland um eine Stabilisierung der Situation kümmern inklusive der neuen langen Nato-Russland Grenzen. Das wird die Militärlobby hierzulande und in den Nachbarstaaten Richtung Osten vermutlich als untrügliche Zeichen weiterer Aggressionen Russlands gegen den armen Westen interpretieren, damit (Schuldenbremse und Wirtschaftskrise hin oder her) zunehmende Mittel in die Rüstung fließen.
Dieses Spiel ist alt und sattsam bekannt. Es kann alleine dadurch ausgebremst werden, dass die zivilen Beteiligten auf allen Seiten den Militanten und dem jeweiligen militärisch-industriellen-Komplex die notwendigen Handschellen anlegen und zwar gleichzeitig.
Das ist ein sehr schwieriges Kunststück, dass nur sehr selten synchron gelingt. Hier rächt sich, dass wir Russland in die Lage gebracht haben, die eigene Militärindustrie so drastisch zu vergrößern. Und wir haben das eigene Militär und die Rüstungsindustrie derart in die Vorhand gebracht, dass sie sich die gewünschten Ressorcen schlicht beim Steuerzahler besorgen können unter Verweis auf die bösen Russen.
All das wird leider nicht folgenlos bleiben für alle Beteiligten.
Was man dagege tun kann? Bauen wir wieder eine Friedensbewegung auf, die ihren Namen verdient. Ziehen wir dem Rüstungskapital die Zähne, indem wir den privilegierten Zugang zur Politik abschneiden und die Korruption beenden. Ein Projekt für mindestens ein Jahrzehnt.
Thomas Damrau
8. Dezember 2023 @ 09:11
“Bewährte US-Taktik”? Die bewährte US-Taktik bestand in den letzten Jahrzehnten vor allem darin, den Gegner erst mal zusammen zu bomben und nur im Zweifelsfall mit dann drückend überlegenen Bodentruppen einzumarschieren. Das ist für die Ukraine gegenüber Russland schlicht unmöglich.
Austins Kritik hört daher etwas seltsam an. Die USA scheinen noch im Modus “hätte eigentlich klappen können” zu sein und weit entfernt von der Erkenntnis “war keine gute Idee, auf die Vernichtung des Gegners zu setzen”.
Zu befürchten ist leider, dass Selenskyj sich an historischen Vorbildern orientiert und “die Näichstkänner än där Gänärralitäit” entlässt und selbst das Kommando an der Ostfront übernimmt. Mit Durchhaltebefehlen (siehe Bachmut) kennt er sich bereits aus.
Brauneis Josef
8. Dezember 2023 @ 08:32
Sanktionen gegen Russland sofort zurücknehmen. Sie schaden hauptsächlich Deutschland. Russland wurde wegen vieler Situationen, insbesondere von 36 Chemielabors zur chemischen Kriegsführung gegen Russland gezwungen ein-zuschreiten. Die ukrainischen Generäle sollten die Macht übernehmen.
Siegel
7. Dezember 2023 @ 19:55
Habe den Eindruck, es gibt sowohl in den USA, als auch der Nato und EU keinen Plan B und kein Ausstiegsplan, Augen zu und durch. Dieses Zögern kostet jeden Tag hunderte Ukrainer und Russen das Leben!!! Ich fordere sofortige Waffenruhe. Alletdings habe ich die Befuerchtung, dass Putin jetzt wohl kaum noch verhandeln will, denn der Westen hat den Zeitpunkt dafuer zu lange hinausgezoegert. Von Anfang an habe ich den Vorwand, der von unseren Politikern vertreten wurde, dass man mit Waffen und Geld die Ukraine in eine bessere Verhandlungspisition bringen will, fuer Unsinn gehalten. Dass dieser Plan nur vorgeschoben war zeigt sich jetzt. Wer im Westen definiert jetzt die Lage???? Scheinbar niemand!!!!
KK
7. Dezember 2023 @ 23:08
„Alletdings habe ich die Befuerchtung, dass Putin jetzt wohl kaum noch verhandeln will, denn der Westen hat den Zeitpunkt dafuer zu lange hinausgezoegert.“
Nicht nur das – der Westen hat ja auch mit den beiden Minsk-Abkommen, die wie inzwischen eingeräumt nur dem Zeitgewinn dienten und nie umgesetzt werden sollten, gezeigt, dass er seine Zusicherungen gar nicht ernst meint und er kein vertrauensvoller Verhandlungs- oder gar Vertragspartner mehr ist.
Und das hat sicher nicht nur Putin begriffen – die beteiligten Länder des Westens und deren übergeordnete Organisationen wie zB EU oder G7 werden es künftig sehr schwer haben, noch ernst genommen zu werden und Verträge mit Substanz abschliessen zu können. Das Vertrauen wurde verspielt, und es wird sehr schwer und langwierig werden, neues wieder aufzubauen – falls das überhaupt gewünscht ist (Personen wie insbesondere Baerbock machen es nicht unbedingt leichter).
Udo
7. Dezember 2023 @ 18:42
Keiner sollte sich falschen Hoffnungen hingeben, dass mit der Ukraine und der Entscheidung den Krieg zu beenden dann auch die Gefahren zu Ende sind.
Erst vor wenigen Tagen hat ein deutsches Medium einen Artikel aus der polnischen Presse übernommen.
Der Sicherheitsberater der Regierung warnt darin, dass die EU nur maximal drei Jahre habe, um sich auf den kommenden Krieg mit Russland vorzubereiten.
Und sieht man sich das vergangene Engagement der ehemaligen Ostblockstaaten an, seit Beginn der russischen Intervention an, wird genau das auch in absehbarer Zeit kommen.
Hier will man eindeutig „alte Rechnungen“ begleichen und mit den Plänen von Józef Piłsudski da weitermachen, wo man 1935 gestoppt worden ist.
KK
7. Dezember 2023 @ 15:02
“Bemerkenswert auch, dass die USA die Offensive geplant haben.”
Und das bereits mindestens seit 2013… aber mutmasslich schon bedeutend länger; seit dem NAhTOd-Gipfel 1997 und der dort vereinbarten “besonderen Partnerschaft” werden da sicherlich entsprechende Planspielchen laufen.
Arthur Dent
7. Dezember 2023 @ 14:29
Natürlich, die Ukraine entscheidet, wie lange sie den Krieg fortsetzen will. Es gibt aber seitens des Westens schon ein wenig Hilfestellung zur Entscheidungsfindung.