Ukraine-Beitritt: Darum geht es wirklich

Berlin und Brüssel wollen die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten machen – trotz eklatanter Mängel und noch dazu mitten im Krieg. Was steckt dahinter, und worum geht es wirklich?

Den Beitritt in die EU (und in die Nato) hat die Ukraine schon 2019 in die Verfassung geschrieben. Danach passierte – nichts. Warum hat es Kiew plötzlich so eilig, und warum zieht Brüssel nun mit?

Die Antwort liegt auf der Hand: Es geht um den Krieg. Die Führung in Kiew braucht Hilfe und eine „europäische Perspektive“, damit sie sagen kann: Unsere Opfer sind nicht umsonst gewesen.

Da die Nato-Mitgliedschaft zumindest offiziell nicht mehr infrage kommt, muß nun die EU herhalten. Die Ukraine erfüllt zwar praktisch kein EU-Kriterium für den Beitritt, doch das ist egal.

Denn Brüssel hat eine „geopolitische Wende“ hingelegt. Jetzt zählen nicht mehr die Regeln, sondern die Ziele. Und das oberste Ziel heißt, Russland zu widerstehen und zu strafen.

Insofern ist es nicht erstaunlich, dass die „geopolitische Kommission“ unter von der Leyen den Kandidatenstatus bewilligt. Ein „Nein“ würde „Putin“ in die Hände spielen, heißt es in Brüssel.

Es gibt jedoch noch zwei andere Gründe, über die kaum gesprochen wird. Der erste heißt Geld, der zweite Beistand. Die EU soll die Kriegswirtschaft finanzieren und im Extremfall sogar militärisch eingreifen.

Für die Finanzierung hat die EU zwar bereits eine „Liquiditätshilfe“ von 9 Mrd. Euro freigegeben. Doch nun ist auch noch ein „Wiederaufbaufonds“ geplant, für den die EU womöglich neue Schulden machen muß.

Ohne eine „europäische Perspektive“ ließe sich das kaum begründen. Wir zahlen ja auch nicht für den Wiederaufbau in Gaza, in Nordsyrien oder im Irak, um nur einige Kriegsgebiete zu nennen.

Noch brisanter ist der militärische Aspekt. Der Artikel 42 des Lissabon-Vertrages enthält eine Beistandsklausel: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung.“

Wird die EU in den Krieg mit Russland gezogen?

Genau darauf schielt die Ukraine, um sich für die Zukunft zu wappnen. Wenn sie schon nicht Nato-Mitglied werden kann, so sollen wenigstens die EU-Mitglieder gerade stehen.

Anders gesagt: Wäre die Ukraine heute Mitglied der EU, wäre diese vertraglich verpflichtet, einen Krieg gegen Russland zu führen.

Wer den schnellen EU-Beitritt der Ukraine will, sollte sich über diese Konsequenz im Klaren sein, schreibt die „Welt“ in einem Kommentar. Doch darüber spricht man in Brüssel nicht so gern…

Siehe auch „Update: EU-Kommission empfiehlt Kandidatenstatus“ und „Die Ukraine ist jetzt völlig vom Westen abhängig“

P.S. Der aus der Flüchtlingskrise bekannte EU-Berater G. Knaus fordert, die Ukraine schnellstmöglich in den Binnenmarkt aufzunehmen, schon vor dem Beitritt. Ich würde mich nicht wundern, wenn auch dies schon diskutiert würde…