Trotz LGBT, Korruption und illegalen Lockdowns: Von der Leyen sieht Fortschritte beim Rechtsstaat

Ungarn diskriminiert LGBT, in Bulgarien herrscht die Korruption, in Spanien war der Corona-Lockdown illegal: Der Rechtsstaat in EUropa wird immer mehr ausgehöhlt. Doch Brüssel spricht von Fortschritten, Kommissionschefin von der Leyen schiebt Sanktionen auf die lange Bank.

Ungarn und Polen müssen zunächst keine Mittelkürzung wegen der umstrittenen Verstöße gegen Rechtsstaat und Pressefreiheit fürchten. Die EU-Kommission stellte den beiden osteuropäischen Ländern zwar ein schlechtes Zeugnis aus, was den Druck im Kessel erhöht.

Sie schob mögliche Budgetkürzungen jedoch auf die lange Bank. Auch Bulgarien, wo die Korruption herrscht, und Spanien, wo es einen illegalen Lockdown gab, bleiben ungeschoren. Das Europaparlament reagierte mit Unverständnis – es fordert schnelle Entscheidungen.

“Die Kommission muss jetzt unmittelbar handeln und vor allem Ungarn, aber auch Polen EU-Gelder sperren. Sie kann sich wirklich nicht mehr rausreden”, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD). „Faktisch wird die Lage immer schlimmer, in Ungarn wie in Polen.“

Doch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spielt auf Zeit. Über mögliche Budgetkürzungen will die CDU-Politikerin erst im Herbst entscheiden.

Der Bericht habe vor allem den Zweck, die EU-weite Debatte über den Rechtsstaat zu fördern, sagte ein Kommissionsexperte. Mit Finanzsanktionen, wie sie der neue Mechanismus zum Schutz des EU-Budgets vorsieht, habe das nichts zu tun: „Das sind zwei unterschiedliche Instrumente“.

Strafen sind wahrscheinlicher geworden

Immerhin sind finanzielle Strafen im September oder Oktober nun wahrscheinlicher geworden. Denn der Rechtsstaats-Check könnte als Grundlage für spätere Mittelkürzungen dienen – wenn erwiesen wird, dass Gefahr für das EU-Budget droht.

Dies müsse in einer gesonderten Untersuchung geprüft werden, heißt es in Brüssel. Der nun vorgelegte Bericht liefert aber einige wichtige Anhaltspunkte.

So betont die EU-Kommission, dass die Sorge um die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn seit dem ersten Bericht vom September 2020 nicht kleiner geworden sei. Auch die Medienvielfalt sei gefährdet. Zudem ist von unzureichenden unabhängigen Kontrollmechanismen und einem mangelnden Vorgehen gegen Klientelismus und Vetternwirtschaft die Rede.

Kritik gibt es auch am Rechtsstaat in Polen. Der Umbau der Justiz sei weiter „Grund zu ernsthafter Sorge“, sagte die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova.

Massive Probleme gibt es auch in Bulgarien, wo Korruption und organisiertes Verbrechen immer noch nicht eingedämmt werden konnten. Im Juni hatte die US-Regierung Sanktionen gegen bulgarische Oligarchen verhängt, um „die Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung demokratischer Institutionen (zu) unterstützen“. Die EU unternahm nichts.

“Wir haben positive Reformen ermutigt”

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Von der Leyen und Justizkommissar Didier Reynders setzen auf Dialog – und die Kraft des guten Beispiels. Er habe den Rechtsstaats-Bericht mit 20 nationalen Parlamenten diskutiert, sagte Reynders. Dies habe „positive Reformen ermutigt“.

Insgesamt habe sich die Lage des Rechtsstaats in der EU leicht verbessert, bilanziert die Behörde. Bedenkliche Rückschritte gebe es aber bei Pressefreiheit und Pluralismus.

Die Corona-Pandemie habe zu massiven Problemen bei der Berichterstattung geführt, heißt es in Brüssel. Aufmerksam notiert die EU-Kommission auch die Einschränkung der Grundrechte durch Lockdowns und andere Corona-Maßnahmen.

Zuletzt hatte das Verfassungsgericht in Spanien den ersten Lockdown kassiert. Das Urteil zeige, dass die Gewaltenteilung funktioniere, meint die EU-Behörde – der Rechtsstaat habe sich als „resilient“ erwiesen. Na dann…

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P.S. Ungarns Orban hat ein Referendum über sein umstrittenes LGBT-Gesetz angekündigt. Die EU-Kommission wollte sich dazu zunächst nicht äußern – und verwies auf ein Vertragsverletzungsverfahren, das in der letzten Woche eingeleitet worden war. Doch bis das Wirkung zeigt, hat Orban längst “sein” Votum…