Tricksen für die Ukraine, Macrons letzter Trumpf, Baerbock deckt Netanjahu
Die Watchlist EUropa vom 11. Januar 2024 –
Wenn es um Hilfe für die Ukraine geht, dann ist sich die EU für keinen Trick zu schade. Beim letzten EU-Gipfel wurde Ungarns Regierungschef Orban kurzerhand vor die Tür geschickt, damit er kein Veto gegen EU-Beitrittsgespräche einlegen konnte.
Nun folgt der zweite Trick: Weil Orban sich auch gegen 50 Mrd. Euro-Hilfen für die Ukraine sträubt, wird die Geldspritze kurzerhand ohne Ungarn vorbereitet. Die EU-Botschafter beschlossen, entsprechende Verhandlungen mit dem Europaparlament aufzunehmen.
Der Beschluß fiel mit einfacher Mehrheit – ohne das unwillige Land. Genauso will man beim Sondergipfel am 1. Februar vorgehen, wo die 50 Mrd. beschlossen werden sollen. Wenn Orban nicht mitspielt, soll das Geld einfach von 26 EU-Staaten bereitgestellt werden.
Das entspricht zwar weder den Abstimmungsregeln im Europäischen Rat (dort ist Konsens gefordert) noch den Haushaltsregeln der EU – doch egal: Mit dem Argument, in der Ukraine gehe es um die europäische Sicherheit, werden alle Bedenken wegwischt.
Der Griff in die Trickkiste geht aber noch weiter. Um Orban gefügig zu machen, droht das Europaparlament mit einem Artikel-7-Verfahren – also einem Entzug der Stimmrechte. Einige Abgeordnete wollen Ungarn auch noch den EU-Vorsitz ab Juli nehmen.
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News & Updates
- Macrons letzte Chance. Mit der Nominierung des populären Nachwuchs-Politikers G. Attal zum neuen Premierminister will Präsident Macron aus dem Stimmungstief kommen. Attal solle einen Wahlsieg der Nationalisten bei der Europawahl verhindern, analysiert “Le Monde”. Der rechte “Rassemblement National” liegt in den Umfragen weit vorn. Attal ist übrigens mit S. Séjourné liiiert, dem Chef der Liberalen im Europaparlament. Der warnt schon, dass die EU nach einem Wahlsieg der Rechten im Juni “unregierbar” werden könne… – Mehr dazu hier (Blog)
- Taylor Swift soll Jungwähler locken. Fünf Monate vor der Europawahl lässt Brüssel nichts unversucht, die Jugend an die Wahlurnen zu rufen. Neben einem speziellen „Jugendpaket“ setzt die EU-Kommission nun auch auf Taylor Swift. Die US-Musikerin soll Jungwähler anlocken. Doch das könnte nach hinten losgehen: So haben in den Niederlanden junge Menschen besonders häufig für den EU-Gegner Wilders gestimmt… – Mehr hier (Blog)
- Machtkampf in Polen. In Polen streiten die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk und das Lager der nationalkonservativen PiS um den Fall von zwei inhaftierten PiS-Politikern. Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik waren nach einem Besuch bei Staatspräsident Duda festgenommen worden. Der drängt nun auf ihre Freilassung, Tusk spricht von Sabotage…
Tricksen für die Ukraine (Fortsetzung)
Auch EU-Binnenmarktkommissar Breton macht Druck. Rein “zufällig” fiel dem Franzosen jetzt eine Anekdote aus den Trump-Jahren ein. Der Ex-Präsident habe in einer privaten Unterhaltung gewarnt: Die USA würden Europa im Falle eines militärischen Angriffs nicht zu Hilfe kommen.
So erzählte es Breton laut “Spiegel” bei einer Veranstaltung im EU-Parlament in Brüssel. Der Vorfall liegt allerdings schon vier Jahre zurück. Warum kommt Breton jetzt damit? Nun, er will wohl Stimmung machen. Gegen Orban – und für neue Milliarden-Programme.
Geplant sei ein 100 Mrd. Euro schwerer Rüstungs-Fonds, meldet “Politico”. Dabei geht es wieder um die Ukraine, aber auch um die Verteidigung der EU gegen angeblich mögliche Angriffe aus Russland. Bei so wichtigen Dingen darf man schon mal in die Trickkiste greifen, oder?
Das Letzte
Baerbock deckt Netanjahu. Kurz vor der mit Spannung erwarteten Anhörung des Internationalen Gerichtshofs zu Genozid-Vorwürfen im Gaza-Krieg hat sich Außenministerin Annalena Baerbock hinter Israel gestellt. Sie sehe im militärischen Vorgehen im Gazastreifen keine Absicht zum Völkermord, sagte Baerbock bei einem Besuch im Libanon. Die Grünen-Politikerin deckt damit Regierungschef Netanjahu und seine rechtsradikale Regierung, die wiederholt zur Vertreibung der Palästinenser aus Gaza aufgerufen hat. Ganz anders die Debatte in Belgien, das derzeit den EU-Vorsitz innehat: Dort fordert die stellvertretende Regierungschefin De Sutter, ihr Land solle sich der Klage Südafrikas gegen Israels anschließen. Die EU ist wieder einmal tief gespalten – nur in der Ukraine weiß sie ganz genau, dass es sich um Völkermord handelt…
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KK
11. Januar 2024 @ 12:46
„Das entspricht zwar weder den Abstimmungsregeln im Europäischen Rat (dort ist Konsens gefordert) noch den Haushaltsregeln der EU“
Rechtsstaatlichkeit hatte ich mir immer irgendwie anders vorgestellt…
Die Maxime der EU im 21. Jahrhundert scheint aber nun zu sein: legal, illegal, scheissegal!
DAS ist nicht mehr meine EU!
Arthur Dent
11. Januar 2024 @ 10:46
Die amerikanische Besatzungsmacht sollte endlich aus Deutschland und Europa verschwinden, wie Trump es angekündigt hatte. Die kosten nur Geld und helfen sowieso nicht.
Wer kriegstüchtig sein will, kann sich ja freiwillig an die Front melden. Von den politischen EU-Hofschranzen ist das aber kaum zu erwarten.
ebo
11. Januar 2024 @ 11:34
Der Abzug der USA mag in Ihrem Sinne sein, für die EU ist er ein Horrorszenario. In Brüssel zerbricht man sich schon den Kopf darüber, wie man auf Trump 2.0 reagieren soll…
Monika
11. Januar 2024 @ 21:13
@ebo können sie einem „intrigativ“ nicht sonderlich geschultem Hirn auf die Sprünge helfen? Was ist es, das ein „Abrücken“ der USA aus Europa, ein Ende der NATO für die EU zu einem solchen Horrorszenario macht? So sehr, dass man lieber Selbstmord begeht, aus Angst vor dem Tod? Da fällt mir assoziativ nur der Begriff schweres Stockholm-Syndrom ein…
Früher hieß es mal: Lieber tot, als Rot, ist es immer noch diese Angst vor DEM Kommunismus? oder eher die Angst vor der Verwirklichung des Wortes: Alle Menschen werden Brüder, so wie in der EU-Hymne beschrieben? Die Angst der Super-Reichen vor der „Gleichheit“ des „Werts“ eines Menschenlebens? Dass dann Oligarchen-Bashen an Stelle von Obdachlosen-Klatschen treten könnte?
Eine willkürlich handelnde Exekutive ist IMMER bekämpfenswert. Noch sind die „Kampfmittel“ halbwegs zivilsiert bei uns in Europa..
Thomas Damrau
11. Januar 2024 @ 07:10
Passt alles leider ins Bild: Wenn es um ideologisch aufgeladene Themen geht, sind Rat und Kommission bereit, ihre sämtlichen zur Verfügung stehenden Großmütter zu verkaufen.
Unter Großmütter fällt in diesem Fall: WählerInnen-Wille, die vorgebliche Regel-Basierung, Schuldenbremsen, rationales Handeln ganz allgemein …