Soziale Krise und Ukraine-Fatigue – eine explosive Mischung
Die Watchlist EUropa vom 06. März 2023 – Heute mit der sozialen Krise in der EU, den zunehmenden Problemen in der Ukraine – und dem transatlantischen Tauziehen um “grüne” Subventionen und mögliche China-Sanktionen.
Die EU sitzt zwar in Brüssel – doch sie kriegt nicht mit, was vor ihrer Haustür passiert. So ist es kaum verwunderlich, dass die schwere soziale Krise in Belgien kein Thema ist – weder in der Kommission, noch im Europaparlament, das eigentlich die Bürger vertreten soll.
Dennoch wird diese Krise Schlagzeilen machen. In Belgien sind in dieser Woche an jedem Tag Streiks angesagt – es geht um höhere Löhne, sichere Renten und mehr Geld für den öffentlichen Dienst. Am Freitag soll es sogar einen Generalstreik geben.
In Frankreich wollen die Gewerkschaften das öffentliche Leben lahmlegen – mit einem Streik gegen die Rentenreform, der am Dienstag beginnt. Die Menschen streiken für mehr Gerechtigkeit, schreibt die “Süddeutsche” – ein Thema, das die EU offenbar vergessen hat.
Sogar in Deutschland grummelt es. Millionen Beschäftige wollen mehr Geld – und gehen dafür auf die Straße, berichtet “t-online”. Es geht längst nicht mehr nur um den öffentlichen Dienst; auch Post, Bahn und Energiewirtschaft sind von der Streikwelle betroffen.
Hintergrund ist die Inflation, die die EU nicht in den Griff bekommt. Aber auch der Ukraine-Krieg spielt hinein. So will Deutschland noch mehr Geld für Rüstung ausgeben, doch bei den Sozialausgaben (Stichwort Kindergrundsicherung) sparen.
Die EU vergißt ihre Bürger
Die EU vergißt ihre Bürger – und gibt alles für einen Krieg, den niemand gewinnen kann. Dies zeigt sich aktuell in Bachmut, wo heftige Kämpfe toben. Es zeigt sich aber auch an der “Heimatfront”, wo es Spannungen zwischen Präsident Selenskyj und dem Militär gibt.
Während sich in den EU-Ländern die gefürchtete Ukraine-Fatigue breitmacht – nach Deutschland gab es auch in Belgien, Frankreich und Österreich Demonstrationen für den Frieden – tut Kommissionschefin von der Leyen so, als sei der Krieg schon halb gewonnen.
Fortan werde man sich um die Bestrafung der Kriegsverbrecher kümmern, verkündete die Leyen-Behörde. Die EU werde aktiv beim neuen “Internationalen Zentrum für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression (ICPA)” mitarbeiten.
Allerdings ist die Rechtgrundlage weiter unklar – denn für das “Verbrechen der Aggression” ist eigentlich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag zuständig. Da Russland – genau wie die USA – kein Mitglied ist, kann es nicht belangt werden.
Von der Leyen sucht nun einen juristischen Ausweg, wie so oft in diesem Krieg. Auch die Finanzierung von Waffen aus EU-Gelden und die Beschlagnahmung russischen Vermögens ist nicht durch EU-Recht gedeckt – die CDU-Dame macht es trotzdem.
VDL goes to Washington
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Am Freitag wird sie zudem in Washington erwartet, wo sie mit Präsident Biden über “grüne” Subventionen (IRA) und mögliche China-Sanktionen sprechen will. Das hat zwar auch schon Kanzler Scholz getan. Aber egal – VDL muß auch noch ihren Senf dazugeben!
Auf die leichte Schulter sollte man das nicht nehmen. Schon bei den Russland-Sanktionen hat die CDU-Dame den SPD-Kanzler vor vollendete Tatsachen gestellt. Während Scholz noch seine Regierung bildete, hat VDL bereits mit Biden die Details besprochen…
Siehe auch “Biden will EU zu China-Sanktionen drängen”. Mehr Newsletter hier
KK
7. März 2023 @ 01:01
@ ebo:
“Ohne das Narrativ “Die Ukraine verteidigt EUropa und seine Werte” wäre all dies undenkbar. Wie kommt es eigentlich, dass dieses Narrativ so gut verfängt?
Nur aus Ungarn kommen noch andere Töne.”
Hat wohl auch damit zu tun, dass es in der Ukraine eine ungarische Minderheit gibt, die ebenfalls unter den rechts-nationalistischen Kräften besonders in der Westukraine leiden, weil in den vergangenen Jahren ihre Rechte wie die fast aller Minderheiten mehr und mehr eingeschränkt wurden. Das kann sich ein Nationalist wie Orban, der es ja sonst mit den “Werten” auch nicht immer so genau nimmt, natürlich nicht gefallen lassen 😉
Hekla
6. März 2023 @ 21:18
@ebo: schön, dass Sie Ungarn erwähnen, ich bewundere die Ungarn für Ihre konsequente Ablehnung von Waffenlieferungen und ihre stete Forderung nach diplomatischen Lösungen. Man unterstellt ihnen deshalb immer eine besondere Nähe zu Putin – ich glaube eher, es ist einfach ein kleines Land, das auch schon zweimal auf der falschen Seite der Geschichte stand. Vermutlich werden sie – nach der herrschenden EU-NATO-Lehrmeinung – am Ende auch diesmal wieder auf der falschen Seite gestanden haben, aber sie haben sich als souveräner Staat dafür entschieden und sich von der Masse der EU-Kriegsbegeisterten nicht unter Druck setzen lassen. Ein Land mit Selbstachtung, scheint mir.
KK
6. März 2023 @ 19:33
“Die EU vergißt ihre Bürger – und gibt alles für einen Krieg, den niemand gewinnen kann.”
Dafür tut sie alles für die Bürger der Ukraine… gibt buchstäbliches ihr letztes Hemd. Für ein durch und durch korruptes und rechts-nationalistisch gesteuertes Drittland, mit dem wir eigentlich nichts am Hut haben sollten, weil es meilenweit von den Werten des Lissabon-Vetrages entfernt ist.
ebo
6. März 2023 @ 19:52
Ohne das Narrativ “Die Ukraine verteidigt EUropa und seine Werte” wäre all dies undenkbar. Wie kommt es eigentlich, dass dieses Narrativ so gut verfängt?
Nur aus Ungarn kommen noch andere Töne. Der Westen rede sich in eine “Kriegspsychose” hinwein, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto.
“In Brüssel gibt es Leute, die es als einen Wettkampf betrachten, wer der Ukraine mehr Waffen liefert, Europa oder die USA”, erklärte er. Dabei befinde sich die Welt “in der 25. Stunde”, um einen drohenden Weltkrieg abzuwenden.
Hekla
6. März 2023 @ 16:51
“Auf die leichte Schulter sollte man das nicht nehmen. Schon bei den Russland-Sanktionen hat die CDU-Dame den SPD-Kanzler vor vollendete Tatsachen gestellt. Während Scholz noch seine Regierung bildete, hat VDL bereits mit Biden die Details besprochen…”
Das ist wirklich atemberaubend .. die Kommissionspräsidentin bespricht Maßnahmen, die die EU trifft, vorab mit dem US-Präsidenten. Informiert dann offenbar nur noch die eigentlichen Entscheider der EU, die Mitglieder des Europäischen Rates, die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, was sie und der US-Präsident abgesprochen haben?
Welche Existenzberechtigung hat diese EU eigentlich noch, wenn die wichtigsten Entscheidungen vom Präsidenten eines Drittstaates gefällt werden? Wer vertritt hier überhaupt die Interessen der EU-Bürger? Kampfjet-Metsola und ihr Klatschverein sicher nicht. Sind wir nur noch Verfügungsmasse, geht es nur noch darum, als relative demographische Einheit für die Interessen von Drittstaaten, wie die Ukraine und die USA, in die politische Waagschale geworfen zu werden? Oder um ihre Kriege, die außer ihnen kein vernünftiger Mensch in Europa haben will, zu bezahlen? Es reicht…
KK
6. März 2023 @ 15:13
“Allerdings ist die Rechtgrundlage weiter unklar – denn für das “Verbrechen der Aggression” ist eigentlich der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag zuständig. Da Russland – genau wie die USA – kein Mitglied ist, kann es nicht belangt werden.”
Auch die Ukraine ist dem Rom-Statut nicht beigetreten; insofern verwundert es schon, wenn die Ukrainer jetzt so laut nach internationaler Gerichtsbarkeit schreien, die sie selbst eigentlich nie* anerkennen wollten!
* Anstatt nur punktuell die Zuständigkeit generös zeitlich und sachlich befristet zu erlauben, wenn es Kiew in den eigenen Kram passt (wie nach dem Euro-Maidan), wäre ein genereller Beitritt ehrlicher gewesen; aber je nach Gusto ein Gericht anzurufen, wenn es gerade oppertun erscheint, es ansonsten aber nicht anzuerkennen, ist einfach nur bigott.