Selenskyj spielt mit dem Feuer (und dem EU-Recht)
Der ukrainische Präsident Selenskyj spielt mit dem Feuer. Er droht mit neuen Angriffen auf das Atomkraftwerk Saporischschja und fordert, Russen die Einreise zu verbieten – was gegen EU-Recht verstößt.
“Jeder russische Soldat, der auf die Anlage schießt oder aus ihrer Deckung schießt, muss wissen, dass er ein besonderes Ziel für unsere Geheimagenten, für unsere Spezialkräfte, für unsere Armee wird”, sagte Selenskyj.
Kurz danach setzte der Beschuß auf das AKW wieder ein. Alle Indizien sprechen dafür, dass die Ukraine angreift – denn Russland hält den Reaktor seit Monaten besetzt und hat keinen Grund, ihn von außen zu attackieren.
Zudem fordert Russland einen Waffenstillstand rund um das AKW-Gelände. Doch weder die Ukraine noch die EU gehen darauf ein. Die EUropäer fordern den Abzug Russlands – auch in diesem Fall folgen sie Selenskyj blind.
Dabei hat Kiew hat das Gelände nach eigenen Angaben bereits mit Kampfdrohnen angegriffen. Die Ukraine ist auf den Strom aus Saporischschja angewiesen und scheut offenbar vor nichts zurück, um das AKW zurückzuerobern.
Mit dem Feuer spielt Selenskyj auch bei den Grundfreiheiten. So fordert er die EU seit Tagen auf, ein Verbot von Einreise-Visa für russische Staatsbürger zu verhängen. Der tschechische EU-Vorsitz hat sich diese Forderung zu eigen gemacht.
Dabei ist diese neue Sanktion offensichtlich nicht mit EU-Recht vereinbar. Es kennt weder eine Kollektivschuld, wie sie Selenskyj unterstellt, noch die Möglichkeit, die Freizügigkeit für alle Bürger eines Landes pauschal aufzuheben.
Zum Glück hält Deutschland dagegen – noch…
Mehr dazu im Verfassungsblog. Mehr zu Selenskyj hier
P.S. Wiederholt haben EU und Nato vor Atomunfällen und Angriffen auf AKW gewarnt. Doch nun, da die Ukraine selbst mit solchen Attacken droht und sie offenbar auch ausführt, drückt man in Brüssel beide Augen zu…
european
17. August 2022 @ 21:29
Diese Doku möchte ich hier gern weiterempfehlen. Tahir Chaudhry war mir durch die sehenswerte 4-teilige Doku “Der Märchenonkel” über den Blender Todenhöfer aufgefallen. Seine neueste Doku: “Das sagt man nicht über die Ukraine”. Sehr gut recherchiert, er geht ziemlich weit in der Entwicklung zurück, und schlüssig zusammengestellt. Es wird noch einen zweiten Teil geben, der aktuell in Arbeit ist.
KK
16. August 2022 @ 21:24
Schauspieler haben als Präsidenten noch nie getaugt – auch Reagan hat die Welt mit seinem SDI und Able Archer 83 an den Rand der nuklearen Vernichtung geführt. Selenskyj will das Werk wohl vollenden, denn warum sollten die Russen das von Ihnen selbst besetzte und zur eigenen Stromversorgung in den besetzten Gebieten eingeplante AKW beschiessen?
Alexander
16. August 2022 @ 13:04
Am 11. September 2022 sollen in den von Russland eroberten Gebieten der Südukraine Referenden über einen Beitritt zur russischen Föderation stattfinden. Wenn diese Gebiete in 4 Wochen zu Russland gehören, dann könnten dort zum Beispiel auch Wehrpflichtige eingesetzt werden, was die militärische Lage weiter zu Ungunsten der Ukraine verändern würde.
Die Frage ist nun, wie weit das Selenskyj-Regime zu gehen bereit ist, um eine Abstimmung zu verhindern. Hoffen wir also, dass S. nicht womöglich unter dem Einfluss irgendwelcher Mittel wahnsinnige Entscheidungen trifft!
Holly01
16. August 2022 @ 17:05
” Die Frage ist nun, wie weit das Selenskyj-Regime zu gehen bereit ist, …. ”
Sehr sehr weit, dem Vernehmen nach haben die Westukrainer die halbe Ostukraine an US-Investoren verkauft, weil man die Eigentumsrechte der Ostukrainer nicht mehr anerkennt.
Die EU scheint diese Rechtsposition zu unterstützen.
Das erklärt dann wohl auch warum in den USA vom Fracking in der Ukraine die Rede ist. Das macht ja nur da Sinn, wo die großen Rohstoffvorkommen sind, also im Osten der Ukraine.
european
16. August 2022 @ 12:20
Ich bin nach wie vor erstaunt darueber, wie wenig Resonanz der letzte Amnesty-Bericht gefunden hat bzw findet. Ich haette mit deutlich mehr Kritik seitens der Politik gerechnet. Weiterhin duerfte auch dem letzten mittlerweile bekannt sein, dass Selenskyj nicht gegen die Korruption im Land war, sondern aktiver Teil. Aber auch da kommt nichts. Auch das Verbot von Oppositionsparteien scheint niemanden zu interessieren.
Sehr seltsam das Ganze
Alexander
16. August 2022 @ 13:06
“Ich bin nach wie vor erstaunt darueber, wie wenig Resonanz der letzte Amnesty-Bericht gefunden hat bzw findet.”
Ich nicht! Das gehört zur “full-spectrum dominance”.
Robby
16. August 2022 @ 10:50
Der Selenskji kommt mir so vor als sei das der IS auf Steroide. Natürlich weiß ich, dass die Angriffe auf das Nuklearkraftwerk der Genehmigung Washington und London bedürfen. Übrigens, das uns auch Sorgen bereiten sollte, ist die Tatsache der Angriffe auf die Krim die nur vom US Militär ausgeführt werden konnte. Die Leugnung durch die Russen dieser Tatsache zeigt, dass sie nicht eskalieren wollen. Noch nicht.
ebo
16. August 2022 @ 10:53
Die Explosionen auf der Krim sind in der Tat bemerkenswert. Keiner will es gewesen sein …
Alexander
16. August 2022 @ 21:32
@ebo: Es gibt Meldungen, dass Russland 430 Flugzeuge und 360 Hubschrauber an der Grenze der Ukraine stationiert hat. Sollte das zutreffen, dann werden die wohl eher nicht tagelang dort herumstehen oder nur eine Übung abhalten?
Darüber hinaus mehren sich die Gerüchte, dass GB eine wichtige Rolle bei den „Missgeschicken“ der letzten Tage spielen soll. In Kursk sollen zum Beispiel Saboteure in den vergangenen Tagen mehrere Trägermasten von Hochspannungsstromleitungen des Atomkraftwerks gesprengt haben.
ebo
17. August 2022 @ 00:00
Wer auf der Krim zuschlägt, will eskalieren. Ob es nun die Briten waren oder die Amerikaner oder die Ukrainer – es riecht nach Pulver
Alexander
18. August 2022 @ 23:10
„U.S. approves of Ukraine striking Russian-occupied Crimea“
https://www.politico.com/newsletters/national-security-daily/2022/08/17/u-s-approves-of-ukraine-striking-russian-occupied-crimea-00052364
Die Sache eskaliert gerade!
https://twitter.com/ILRUSSO1/status/1560352368369213441
https://twitter.com/DeuNachrichten/status/1560336681404108800
Nun kann wohl alles passieren …
Thomas Damrau
16. August 2022 @ 10:05
Karl Marx hat einmal bemerkt, dass Geschichte sich wiederholt: einmal als Tragödie – das zweite Mal als Farce. Der Fall Ukraine scheint Marx zu widerlegen.
2014 hatte noch den Plot einer schlechten Hollywood-Farce: Bürgerproteste in der Bananenrepublik, Vermittlungsversuche der naiven EU, Dazwischengrätschen der ausgekochten Frau Nuland, die USA bekommen ihren Willen, am Ende wird mit Champagner gefeiert. Leider mit realen Toten.
Für das Jahr 2022 hätte man gerne ein Helden-Epos geschrieben: Der jugendliche Held Selenskyj legt dem Oberschurken Putin unter Aufsicht des weisen Onkels Biden mit Hilfe der leider etwas unfähigen EU das Handwerk.
Tragischerweise hält sich die Realität nicht ans Drehbuch:
– Militärisch bewegt sich relativ wenig. Vor allem ist von der angekündigten ukrainischen Gegenoffensive wenig zu sehen.
– Die EU hat zunehmend andere Probleme: Energiemangel, Folgen der Klimaüberhitzung, Furcht vor Rezession, Furcht vor aufgebrachten Bürgern.
– Biden könnte nach den Zwischenwahlen im Herbst vorzeitig zur Lame Duck werden.
In dieser Lage macht Selenskyj, was er am besten kann: Propaganda-Krieg. Er muss um jeden Preis in den Schlagzeilen bleiben und die Deutungshoheit über die Ereignisse behalten:
– Er kündigt baldige militärische Erfolge an – und mittelfristig die Rückeroberung von was-auch-immer.
– Er denkt sich neue Sanktionsmaßnahmen aus, die die EU bisher bedauerlicherweise noch nicht verhängt habe.
– Er erinnert immer wieder an die neue Domino-Theorie: “Wenn erst die Ukraine gefallen ist, fällt es nächstes die EU.”
– Er nimmt die EU in Geiselhaft – so wie jetzt beim AKW Saporischschja. Er kreiert Situationen, in denen die EU zwar keine eigenen Handlungsoptionen hat (sie kann Putin nicht aus dem AKW vertreiben), aber im Zweifelsfall die Folgen mitzutragen hat (wenn das Ding in die Luft fliegt).
Und die EU ist in der Zwickmühle:
– Sie hat ihre Rolle im ursprünglichen Helden-Epos angenommen.
– Sie hat mitgeholfen, Selenskyj zum heldenhaften Präsidenten zu stilisieren.
– Jetzt kann die EU nur schwer sagen: “Wolodymyr, so geht das nicht.” Also besser schweigen.
ebo
16. August 2022 @ 10:22
Die EU hat sich selbst ihrer Handlungsoptionen benommen. Sie hätte die Sanktionen und die Waffenlieferungen als diplomatischen Hebel nutzen können – im Verhältnis zu Russland, aber auch zur Ukraine.
Stattdessen hat sie Selenskyj einen Blankoscheck ausgestellt, ihm die Mitgliedschaft angeboten und auch noch erklärt, dass nur er den Krieg beenden und mit Russland verhandeln könne.
Deshalb hat sie nun die Rolle des passiven Zuschauers, der das Drama am Ende auch noch bezahlen darf.
Armin Christ
16. August 2022 @ 09:44
Selenski fordert, Selenski fordert, Selenski fordert, Selenski fordert ……. die EU hält sich nicht an ihre eigene Rechtssetzung …… Wo bleibt der Rechtsstaat und überhaupt: bestimmt jetzt Selenski die Richtlinien der Politik ? Deutsche Politiker – ähm – innen treffen sich mit Ukrainischen Ministerialen, die von Nichtmenschen reden …… .
In Lettland, wo man die SS verherrlicht, ist ein USAmerikaner Premierminister und generell hat das Baltikum Probleme mit den Rechten von “Nichtbürgern”; Polen, Tschechien und Konsorten handhaben das ähnlich. Wenn Friedrich Engels nicht schon vor 150 Jahren im Nachklang des Pariser Gemeinderats geschrieben hätte, daß Barrikadenbau bei der modernen Militärtechnik nichts bringt wurde ich ja rufen: Auf die Barrikaden !
ebo
16. August 2022 @ 09:52
In den USA scheint Selenskyj langsam in Ungnade zu fallen. Jedenfalls nimmt man dort auch seine Schattenseiten zur Kenntnis, wie die “Berliner Zeitung” berichtet.
Martin Hutter
16. August 2022 @ 16:01
Der ehemalige (inzwischen verstorbene) scharf konservative und einflussreiche amerikanische Sicherheitsberater (fuer Jimmy Carter, Ronald Reagan, Bush-1) Brzezinski hat die EU schon 2012 als auf lange Sicht politisch impotent bezeichnet. Der hat gar nicht ahnen koennen, WIE recht er behalten wuerde.