Schulz goes viral
Siggi „Pop“ Gabriel hat es immer versucht und nie geschafft. Nun steigt ausgerechnet sein biederer Genosse Schulz zum Popstar auf. Dank der viel gescholtenen sozialen Medien führt ein virales Eigenleben.
Unglaublich, das hätte ich nie gedacht, das ist ein Phänomen: So reagieren Europaabgeordnete der Grünen und der Christdemokraten, wenn sie auf den neuen Hype um Schulz angesprochen werden.
Als EU-Parlamentspräsident hatte der SPD-Politiker nie so viele Fans wie heute, als Kanzlerkandidat. Die meisten Europaabgeordneten nahmen ihn mehr als vorlaut denn als sexy wahr.
Dass Schulz im Netz als „MEGA“-Mann bezeichnet und sich ein Personenkult um ihn entwickeln würde, ist in der Tat eine handfeste Überraschung. Allerdings hat das wenig mit Schulz zu tun.
MEGA heißt „Make Europe Great Again“ und ist eine ironische Retourkutsche zu Trumps „Make America great again“. Auch fast alle Memen und Sprüche zu Schulz greifen amerikanische Vorbilder auf.
Die meisten Posts und Tweets zirkulieren wohl auch im englischen Sprachraum. Echte Schulz-Fans, gar Wähler, dürften kaum dabei sein. Foren wie „Reddit“ sind fest in der Hand der Amerikaner.
Schulz freut sich trotzdem wie ein Schneekönig, denn auch in den Umfragen geht es steil bergauf, die CDU wird nervös. Aber auch das ist nur eine Simulation. Erst wenn er politisch Farbe bekennt, wird es ernst.
The real Schulz war bisher nämlich kein Popstar, ganz im Gegenteil…
Peter Nemschak
4. Februar 2017 @ 12:21
@ebo reicht es für eine effektive Führungsrolle Anwalt der kleinen Leute zu sein? Das Land ruht nicht bloß auf den kleinen Leuten sondern wird von den Millionen Leistungsträgern, die aus allen Schichten kommen und qualifizierte Arbeit leisten getragen, vom Facharbeiter bis zum Unternehmer, vom Kindergartenpädagogen bis zum Hochschulprofessor. Das heißt. nicht, dass bestimmte Gruppen, die von der Globalisierung und Automatisierung besonders betroffen sind, entlastet gehören oder, im Fall der Jugend, verstärkte Bildungsmöglichkeiten benötigen. Übertriebene Gleichmacherei hat, so wenig wie übertriebene Ungleichheit ,noch nie ein Land an die Spitze geführt oder dort gehalten. Deutschland besteht nicht nur aus Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern.
GS
3. Februar 2017 @ 22:15
Ich muss auch zugeben, dass der Schulz-Effekt in den Umfragen mich überrascht. 6-8 % Zugewinn für eine Partei wegen einer Nominierung, wann gibt es das schon mal? Und dann noch wegen Schulz! Das ist doch unfassbar. Aber es zeigt, dass es in der Bevölkerung doch eine Sehnsucht gibt, diese unerträgliche alternativlose Kuschelei mit Merkel zu überwinden. Dabei sind die inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden ja gar nicht so groß, wie wir hier im Blog auch schon oft gelesen haben.
Peter Nemschak
4. Februar 2017 @ 10:56
Dem Grunde aber nicht der Höhe nach hat die Reaktion des Publikums auf Schulz nicht überrascht. Es ist der derselbe Effekt, der lange Merkel zu Gute kam: hie der freundliche und gebildete biedere Schulz, mit dem man gerne entspannt ins Theater geht oder Reisen unternimmt, dort die fleißige, persönlich anspruchslos wirkende biedere Merkel mit mütterlichem Image. Offenbar brauchen die Menschen solche Projektionen, auch wenn es dahinter anders aussehen mag. Wäre Steinbrück aus sachlicher Sicht für Deutschland und Europa nicht der geeignetere SPD-Kanzlerkandidat als Schulz?
ebo
4. Februar 2017 @ 12:04
Steinbrück hat sich von diversen deutschen Banken die Nase vergolden lasse, als Anwalt der kleinen Leute war er deshalb völlig unglaubwürdig. Schulz hat allerdings auch schon Vorwürfe an der Backe – dabei geht es um Tagesgelder im Europaparlament….
duodecim stellae (@12stellae)
3. Februar 2017 @ 20:00
Im Grunde ist es scheißegal ob das Sarkasmus ist oder nicht. In Zeiten des Informationsüberflusses und der Aufmerksamkeitsökonomie gibt es keine schlechte Publicity. Außerdem sind die Memes einfach zu geil bescheuert, bin echter Schulz-Fan und feier grad den #Gottkanzler !
8% in 8 Tagen. Bis zu BTW steht die SPD bei dem Trend bei über 300% ! Schulz ist der neue Chuck Norris, war selten so gut drauf.
S.B.
3. Februar 2017 @ 11:42
Alle Menschen mit gesundem Menschenverstand sollten sich fragen, was es bedeutet, wenn ein Politiker wie ein Popstar gefeiert wird. Gabs alles schon mal in der deutschen Geschichte. Das Schlimme ist, dass Schulz substanziell rein gar nichts bringt, sondern mit – noch dazu abgedroschenen – Sozi-Phrasen punktet. Kein Wunder bei der unterbelichteten Zielgruppe.
Aus seiner alten politischen Heimat kommen übrigens ganz andere Töne:
EU-Abgeordnete über Martin Schulz: „Ich bin sehr froh, dass wir ihn los sind“
„Ich bin sehr froh, dass wir ihn los sind“, sagt die EU-Abgeordnete Trebesius über Martin Schulz. „Schulz‘ Karriere in Brüssel ist abgelaufen und er sucht nun nach einer Anschlussverwendung.“ Und: „Vielleicht ist es Schulz‘ Vorteil, dass seine Rolle in Brüssel bei uns zu Hause in Deutschland nicht bekannt ist.“
Es wäre angebracht, den deutschen Wählern Schulz politische Vita mit Blick auf sein Demokratieverständnis näher zu bringen. Aber da sehe ich wieder gaaaanz große Lücken in der deutschen Mainstream-Medien-Landschaft.