Polen ignoriert Juncker (Deutschland auch)
Die polnische Regierung hat die Frist der EU zur Überarbeitung ihrer umstrittenen Justizreform verstreichen lassen. Auch Deutschland setzt sich über die Vorgaben aus Brüssel hinweg – und hilft Polen.
Am 26. Juli hatte die Kommission der rechtsnationalen polnischen Regierung eine Frist von einem Monat gesetzt. Diese Frist ist verstrichen, ohne dass Warschau die Forderungen umgesetzt hätte.
Zwar ging am Montag Nachmittag ein Brief aus Warschau in Brüssel ein. „Die Bedenken der EU-Kommission sind unbegründet“, erklärte das Warschauer Außenministerium auf seiner Webseite.
Die Kommission reagierte zunächst nicht auf diese neue Breitseite. Denn sie sitzt in der Bredouille.
Kommissionschef Juncker würde Polen gern das Stimmrecht im Ministerrat entziehen – die so genannte „Nuklearoption“ ist die schärfste Strafe im EU-Recht.
Doch Kanzlerin Merkel bremst. Ihr sind gute Beziehungen zu Warschau offenbar wichtiger als das EU-Recht. Wie es weiter geht, wollen Merkel und Juncker am Mittwoch in Berlin klären.
Dabei dürfte auch ein weiterer Streitfall zur Sprache kommen: Die deutschen Grenzkontrollen zu Österreich. Brüssel ist gegen eine erneute Verlängerung, denn die widerspräche der Schengen-Verordnung.
Doch Merkel hat die Kontrollen (nach Druck von CSU-Chef Seehofer) zum Wahlkampfthema gemacht. Sie beharrt auf einer Verlängerung – auch hier ist das EU-Recht offenbar nicht so wichtig.
Merke: Im deutschen Europa gilt, was Merkel sagt. Juncker darf zwar noch Vorschläge machen. Doch die zentrale Rolle als höchster Wächter über die EU-Verträge hat er offenbar schon verloren…
Siehe auch „Frankreich vs. Polen“
Kleopatra
31. August 2017 @ 00:42
Ich erinnere mich an die Zeiten, als man an der französischen Grenze noch kontrolliert wurde. Hat mich von Reisen dorthin nicht abgehalten. Also wo ist das Problem? Verrückt war ja nur, dass Deutschland die Grenze zu Österreich kontrolliert hat, dass man aber zu feige war, um die Migranten gemäß Art. 16a Grundgesetz abzuweisen. Und erst Frankreich wird, nachdem einige Leute im September 2015 nachweislich über die “Balkanroute” nach Frankreich kamen, um dort dann mit Kriegswaffen Massenmorde zu begehen, im Zweifelsfall zu Lebzeiten der heutigen Generationen keine Grenzkontrollen mehr abschaffen. Danke, Merkel!
Peter Nemschak
28. August 2017 @ 21:22
So what? Das kommt aufs Gleiche hinaus. Seien Sie nicht so pingelig und prinzipienreiterisch. Das Ergebnis zählt. Als Bürger ist es mir recht, wenn in unsicheren Zeiten mehr kontrolliert wird. Dafür nehme ich bei Reisen ins EU-Ausland gewisse Unbequemlichkeiten in Kauf.
Reinard Schmitz
28. August 2017 @ 20:15
Wer die EU gestärkt sehen will, stärkt die Kommission und sieht zu, dass die offenen Fragen dort geklärt werden und zwar so, dass die Kommission das Gesicht bewahrt. Demontage ist Gift. Wenn Gesetze oder Verordnungen angepasst werden müssen, dann ist das ein legitimer demokratischer Akt. Aber die muss man wollen, was offenbar nicht der Fall ist.
Peter Nemschak
28. August 2017 @ 20:53
Schengen war ein großer Schritt in Richtung integration. Eine Änderung wäre rechtlich kompliziert und nicht nötig. Es reicht, Schengen auf Zeit zu suspendieren.
ebo
28. August 2017 @ 20:54
Nein, Merkel will Schengen nicht aussetzen. Sie will es umgehen.
Peter Nemschak
28. August 2017 @ 13:09
Das EU-Recht ist in beiden Fällen realitätsfremd. Der Entzug des Stimmrechts von Polen ist unter den EU-Regeln der Einstimmigkeit realistischerweise nicht durchsetzbar. Auch die Schengen-Regeln entsprechen nicht den heutigen Erfordernissen und hätten angesichts des Migrantenstroms und erhöhter Kriminalität längst geändert gehört. Nicht durchsetzbares Recht verliert seine Legitimität und wird zu totem Recht.
ebo
28. August 2017 @ 17:16
Ach so, das EU-Recht ist schuld? Originelle Erklärung. Und warum fordert dann niemand eine Änderung der Regeln?
Peter Nemschak
28. August 2017 @ 20:51
Schengen grundsätzlich ändern heißt Verträge ändern. Wie realistisch ist dies? Der Wunsch nach Aussetzung von Schengen liegt auf dem Tisch und ist leicht umsetzbar.