Plötzlich rechts offen
Bisher war Frau von der Leyen die grünste Schwarze, die die CDU zu bieten hatte. Nun zeigt sie sich auch rechts offen.
Schon jetzt kollaboriert VDL mit Italiens Postfaschistin Meloni. Künftig könnte sie auch mit der rechtslastigen EKR zusammenarbeiten, in der Melonis “Fratelli d’Italia” und die (gerade abgewählte) polnische PiS den Ton angeben.
Auf eine entsprechende Frage sagte die CDU-Politikerin nicht Nein. Sie stellte nur eine Bedingung: die Abgeordneten müssten für europäische Werte, für die Nato und für die Ukraine einstehen – dann könne man über eine Zusammenarbeit reden.
“The cut-off line is ‘do you stand for democracy?’, ‘do you defend our values?’, ‘are you very firm in the rule of law?’, ‘are you supporting Ukraine’ and ‘are you fighting against Putin’s attempt to weaken and divide Europe?’And these answers have to be very clear,” she said.
Hintergrund ist die Sorge, dass von der Leyens konservative Parteienfamilie EVP bei der Europawahl schwächer abschneiden könnte also gewohnt, weil die Rechten und Rechtsextremen zulegen.
EVP-Chef Weber wirbt bereits seit Wochen aktiv um die EKR. Er hat noch einen anderen Hintergedanken: Die Mehrheit soll nach rechts rücken und sich von Grünen und Linken unabhängig machen, die VDL bisher oft gestützt haben.
Inhaltlich sind Weber und von der Leyen schon auf die EKR zugegangen, wie die Zugeständnisse an die Bauern und die Ankündigungen zum nächsten Kommissionsprogramm zeigen…
Siehe auch “Ein abgekartetes Spiel (II)”
Kleopatra
23. Februar 2024 @ 08:53
Im Parlament muss man nun einmal mit den Mehrheiten arbeiten, die es gibt. Wenn es zum Beispiel im Parlament keine Mehrheit für den Green Deal gibt und er abgelehnt wird, nennt man das repräsentative Demokratie. Demokratie ist eine Staatsform, in der es grundsätzlich nicht „richtig“ oder „falsch“ gibt, sondern ergebnisoffen diskutiert und verhandelt und am Ende mit Mehrheit entschieden wird. Und für die Ziele, die man für „richtig“ hält, muss man eben Mehrheiten zustandebringen.
Unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten hat auch eine rechte Mehrheit mit markant rechtem politischem Programm eine Existenzberechtigung. Wer anderer Meinung ist, muss das eben bei der Wahl zur Geltung bringen. Eine informelle große Koalition, wie sie jahrelang bestand, wirkt entpolitisierend, weil sie dazu führt, dass die Wahlentscheidung irrelevant wird.
Was den Krieg betrifft: Dieser wurde nicht von ruchlosen EU-Intriganten angezettelt, sondern von dem immer stärker zu einem Nationalfaschismus tendierenden russischen Präsidenten, und die EU hat ein vitales Interesse daran, dass Russland hier nicht siegt. Das heißt, dass unsere Interessen in dem Krieg auf dem Spiel stehen, und dass in dieser Hinsicht (und nur in dieser) eine möglichst breite Koalition zur Unterstützung der Ukraine anzustreben ist.
Arthur Dent
23. Februar 2024 @ 09:54
@Kleopatra
„Volkes Wille“ (Fördern des Gemeinsinns, Streben nach Gemeinwohl) müsste gerade in der repräsentativen Demokratie in den Parteien wirksam werden. Kann ich über weite Strecken nicht erkennen. Als Wähler hat man keinerlei Einfluss auf das politische Personal, dass sich zur Wahl stellt. Das entscheiden die Wahlgremien (eine Handvoll Leute) der Parteien. Bei der deutschen Verhältniswahl ist die Hälfte der Abgeordneten per Liste praktisch gesetzt, die in den BT einziehen. Da können Sie wählen wie sie wollen. 87 Prozent der Abgeordneten sind Akademiker, ein Großteil davon Juristen – wo spiegelt sich im Deutschen Bundestag die Gesellschaft wider? Mittlerweile wirken die Parteien nicht nur an der politischen Willensbildung mit, sie bestimmen sie. Wer hat Interesse am Krieg? Der Arbeiter, der Bauer, der Handwerker? Vom Krieg profitieren immer nur die „Fürsten“ (die fallen auch nicht auf dem Schlachtfeld) – „Bauern“ sind immer die Opfer. Die verlieren ihr Hab und Gut, ihre Gesundheit oder ihr Leben. Die „Obrigkeit“ verfügt immer über genügend publizistische Macht, um ihre Interessen als die der Allgemeinheit darzustellen.
Helmut Höft
23. Februar 2024 @ 10:00
@Kleopatra
Deine Anmerkung betreffend ‘informelle große Koalition’ ist immer zutreffend. Es gilt Kant, sinngemäß: “Was Dritte betrifft – also alle Entscheidungen der Politik – ist öffentlich zu verhandeln!”
Was den Krieg in Europa angeht (bitte 100mal abschreiben, damit das sitzt 😉 ):
“Alle Ressourcen und die 3,5-fache Kopfzahl auf russischer Seite – der Rest, Abwesenheit von Demokratie, Anwesenheit von Korruption und Ungesetzlichkeit, ist gleich – und da soll(te?) die EU einen russischen Sieg verhindern? Das kann nix werden! Außer: “Boots on the ground!” Anders geht das nicht.”
Ist das gewollt? Moralische Entrüstung (oder Gefühle?) helfen da nicht weiter!
ebo
23. Februar 2024 @ 13:50
In einer repräsentativen Demokratie wird die Regierung gewechselt, wenn sie keine Mehrheit mehr hat. Auch die Politik wird dann angepasst.
In der EU hingegen passt man die Politik an, noch bevor gewählt wurde – stellt aber zugleich sicher, dass die Frühung (von der Leyen) bleibt.
Cherchez l’erreur
Monika
23. Februar 2024 @ 16:42
Das ist kein erreur sondern volle Absicht, so wird die Fortführung der von den Bevölkerungen abgelehnten Politik sichergestellt ohne den Anschein von Demokratie aufgeben zu müssen. Ich weiss nicht, ob aus verzweifelter Lage heraus oder einfach der Sicherheit, “dass uns eh keiner mehr kann”, die Politik sich dieses neuen “Stils” befleißigt.
Kleopatra
23. Februar 2024 @ 20:33
@ebo: Nicht alle repräsentativen Demokratien sind parlamentarisch verfasst. Zum Beispiel sind die USA natürlich eine repräsentative Demokratie, aber ihre Regierung geht nicht aus dem Parlament hervor, sondern der Regierungschef (Präsident) wird unabhängig vom Parlament gewählt. Seine von ihm ernannten Minister unterliegen zwar der Bestätigung durch den Senat, die dieser auch verweigern darf, aber wenn der amtierende Präsident keine Mehrheit im Repräsentantenhaus hat, ändert sich an der Regierung bis zur nächsten Präsidentenwahl nichts. Das einzige, was sich ändert, sind die Möglichkeiten, Gesetze zu erlassen, und hier haben sich abzeichnende neue Koalitionen im EP ja bereits zu einer Änderung der Politik der Kommission von der Leyen geführt (außerdem sind die Mitgliedstaaten als Rat ebenfalls an der Gesetzgebung beteiligt, und zwar sogar stärker als das Parlament; Änderungen bei den Einstellungen der Mitgliedstaaten wirken sich also unmittelbar auf den Gesetzgebungsspielraum aus).
Der Rat ist insofern demokratisch legitimiert, als alle einzelstaatlichen Regierungen in der einen oder anderen Weise demokratisch ins Amt kommen. Die Kommission wird hingegen in ähnlicher Weise ernannt wie die amerikanische Regierung, wobei die Staaten die Rolle des Präsidenten übernehmen und das EP die des amerikanischen Senats. Bei der Kommission spielt zudem noch der Umstand eine Rolle, dass sie theoretisch nur die Aufgabe hat, die Bestimmungen der Verträge zu überwachen und durch geeignete Rechtsakte zu konkretisieren (gardienne des traités).
ebo
23. Februar 2024 @ 22:13
Sie wollen doch nicht allen Ernstes das Präsidialsystem der USA mit der EU vergleichen?
Biden ist von den US-Bürgern bzw. ihren Wahlmännern gewählt worden, von der Leyen nicht.
Der US-Kongreß ist viel mächtiger als das Europaparlament, wie die Blockade der amerikanischen Ukrainehilfen zeigt.
In den USA gibt es im Herbst eine echte Richtungswahl, in der EU wird die Richtung schon vor der Wahl festgelegt.
KK
24. Februar 2024 @ 00:18
Ich versuch mir ja gerade abzugewöhnen, mich von Kleopatra weiter provozieren zu lassen… und wieder fällt mir dazu ein Zitat von Wiglaf Droste ein, aber ich bin nicht sicher, ob es so konkret vielleicht nicht doch justitiabel sein könnte.
Kleopatra
24. Februar 2024 @ 07:00
@ebo: Ich wollte nur darauf hinweisen, dass nicht in allen repräsentativen Demokratien die Regierung wechselt, wenn sie eine andere Mehrheit im Parlament ergibt. Dass die Politik der USA von den Mehrheiten im Repräsentantenhaus abhängt, ändert nichts daran, dass dieses Parlament keine Minister oder gar den Regierungschef absetzen kann. Die gesamte Kommission wird vom Rat nominiert und vom Parlament lediglich bestätigt, und danach kann letzteres allenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit die gesamte Kommission abschießen.
Die EU ist nicht als parlamentarische Demokratie konzipiert, und es ist deshalb wenig sinnvoll, zu kritisieren, dass sie nicht wie eine solche funktioniert.
Skyjumper
24. Februar 2024 @ 10:30
Es ist richtig, dass die EU nicht als parlamentarische Demokratie verfasst wurde, wie es @Kleopatra feststellte.
Man muss es jetzt nur noch darum ergänzen, dass die EU gar nicht als Staat konzipiert wurde. Und seit sich die EU (wie auch die sie tragenden nationalen Parteien) zunehmend als Staat versteht und auch so agiet, werden diese Schwächen immer stärker.
Nur leicht provokant sei festgestellt, dass die EU auch nicht über eine wirkliche Gewaltenteilung verfügt. Dass das EU-Parlament nicht tatsächlicher Wahlgewichtung, sondern zusätzlich auch nach einen Quotierungsfaktor, zusammengesetzt ist. Die EU erfüllt in vielen ihrer Institutionen wichtige Definitionspunkte für eine Demokratie schlicht überhaupt nicht.
ebo
24. Februar 2024 @ 10:39
So ist es. Das Parlament ist nur Ko-Gesetzgeber mit dem Ministerrat, ohne Initiativrecht. Über weite Teile der EU-Politik – Corona-Aufbaufonds, Impfstoffbeschaffung etc., Sanktionen – hat es keine Kontrolle.
Die nicht gewählte EU-Kommission hingegen vereint immer mehr Macht auf sich. Sie schlägt die Gesetze vor, sie wacht über ihre Umsetzung, neuerdings kann sie sogar Finanzsanktionen gegen Mitgliedsstaaten verhängen…
Helmut Höft
23. Februar 2024 @ 08:41
Auch ohne diese Ganze Lechts/Rinks-Sch…: Es ist nicht zu fassen! Welche ‚democracy‘, welche ‚values‘? Warum fällt niemand, der solche Phrase drischt nicht auf der Stelle ins Koma?
Konsequenz aus den verlogenen – und kriminellen – Aktivitäten aller Art in der Politik: Weiter so! Wer sich über die Politniki immer noch nicht klar ist kann nachlesen, was bspw. Hannah Arendt nach der Veröffentlichung der Pentagon-Papiere 1971 über „Die Lüge in der Politik“ geschrieben hat. https://www.humanistische-union.de/publikationen/vorgaenge/167-vorgaenge/publikation/die-luege-in-der-politik/
MarMo
22. Februar 2024 @ 17:20
Konservative wie Von der Leyen sind nicht „plötzlich rechts offen“, sie sind es tendenziell in vielen Fällen (wie die deutsche Geschichte zeigt). Rechte wie Konservative lehnen Transfers an Bedürftige ab (Sozialpolitik), sind sich häufig einig in der Steuerpolitik, der Wirtschaftspolitik und bei Finanzen. Beide Gruppen haben Schnittmengen in der Kultur- und Bildungspolitik (unsere Kinder schicken wir auf Privatschulen, der Rest der Bevölkerung kann mit schlecht ausgestatteten Schulen, großen Klassen und Lehrermangel klarkommen). Und bei der Migrationspolitik ist man nahe beieinander. Da kommt man zusammen – kein Problem (leider gilt dasselbe heute eingeschränkt für Parteien, bei denen man sich das früher nicht hätte vorstellen können).
Europäische Werte? Welche Werte? Oder sind Doppelmoral, Verzocken von Steuergeldern der EU-Bürger, Verweigerung von Verantwortungsübernahme, USA-Hörigkeit und Kriegstreiberei die neuen europäischen Werte?
ebo
22. Februar 2024 @ 17:33
Natürlich sind vor allem die deutschen Konservativen seit jeher “rechts offen”. CDU/CSU und die EVP haben ja auch jahrelang mit Orban zusammengearbeitet. Allerdings hat sich von der Leyen in den letzten vier Jahren vor allem auf eine “große Ampel” aus EVP, Sozis, Liberalen und Grünen gestützt, gelegentlich sogar auch auf Stimmen der Linken. Die EKR und die rechtsradikale ID waren tabu. Das ändert sich nun – wie auch die Politik. Nach der “Mondlandung” mit dem “Green DEal” fürchten VDL und ihre Anhänger bei der Europawahl offenbar eine Bruchlandung…
Arthur Dent
22. Februar 2024 @ 13:49
Hihi – plötzlich rechts offen? Wann hätte die CDU jemals links gestanden?
CDU CSU SPD Grüne und FDP würde ich zwar nicht als rechtsextrem, aber als gesichert antidemokratisch einstufen. 🙂
KK
22. Februar 2024 @ 13:38
“Sie stellte nur eine Bedingung: die Abgeordneten müssten für europäische Werte, für die Nato und für die Ukraine einstehen”
In welcher Reihenfolge?
Und schliessen sich EUropäische Werte und die Ukraine in ihrem derzeitigen Zustand nicht streng genommen aus?
Übrigens: Mit dieser Art Opportunismus der “Konservativen”, den u.a. vdL und Weber hier zeigen, wurde vor gut 90 Jahren das Dritte Reich erst möglich gemacht!
Corona Hotspot
22. Februar 2024 @ 12:19
Sie würde auch ganz offiziell dem Teufel eine Chance geben, wenn sie dadurch an der Macht bliebe um EUropa im Interesse ihrer Herren komplett zu versenken.
MarMo
22. Februar 2024 @ 16:44
Das ist anzunehmen.