„Ostfront“ gegen Deutschland und Frankreich
Die neue, vom Krieg geschmiedete Einheit in der EU bröckelt. Eine neue „Ostfront“ macht mobil – gegen Deutschland und Frankreich. Indirekt richtet sie sich auch gegen eine diplomatische Lösung.
Begonnen hat es mit dem Streit um den EU-Beitritt der Ukraine. Danach kam die Reise in den Krieg, die die Regierungschefs aus Polen, Tschechien und Slowenien in Kiew antraten. Und nun der Vorschlag aus Warschau, die Nato solle eine bewaffnete „Friedensmission“ in der Ukraine führen.
Das sind drei Vorstöße, die aus dem Osten kamen – und nur vordergründig der Ukraine helfen. Denn was würde ein Blitzbeitritt zur EU ändern? Was hat der gefährliche Besuch in Kiew gebracht? Was soll eine „Friedensmission“ mitten im Krieg? Alle drei Vorschläge sind unausgegoren und unrealistisch.
Es geht mehr um Symbolpolitik als um echte Solidarität. Dabei leisten Polen, Tschechien und Slowenien, aber auch Ungarn, Rumänien und die Slowakei, echte Solidarität. Sie nehmen unglaublich viele Flüchtlinge auf, organisieren Hilfstransporte und sichern die Ostflanke der Nato.
Das ist mehr als genug – und muß nicht von Symbolpolitik begleitet werden. Die drei Ministerpräsidenten hätten besser ein Flüchtlingslager in Warschau besucht als einen Regierungsbunker in Kiew. Auch ein Besuch in Brüssel wäre nicht verkehrt gewesen – um sich abzustimmen und Alleingänge zu vermeiden.
Doch um Abstimmung geht es ihnen offenbar nicht, die EU wurde nicht wirklich konsultiert. Die Vorstöße richten sich vor allem gegen Deutschland und Frankreich, die bisher in der Russland-Politik den Ton angeben – und nach dem Geschmack vieler Osteuropäer zu konziliant sind.
Die neue „Ostfront“, die an die „neuen Europäer“ aus dem Irakkrieg erinnert und wie selbstverständlich mit den USA und dem UK zusammenarbeitet, macht gegen Deutschland und Frankreich mobil, um die Prioritäten in der EU zu verschieben und mehr Macht zu gewinnen.
Die „Zeitenwende“ von Kanzler Scholz reicht ihnen nicht. Auch von der „europäischen Souveränität“ à la Macron halten sie wenig. Ihnen geht es nicht um heute und morgen – sondern darum, historische Rechnungen mit Russland zu begleichen und den Draht zu Kremlchef Putin zu kappen.
Indirekt richten sie sich damit auch gegen eine diplomatische Lösung – offenbar „erfolgreich“. Denn schon am Tag nach dem Besuch der Drei in Kiew begann Präsident Selenskyj, die laufenden Verhandlungen mit Russland herunterzuspielen und mögliche Ergebnisse infrage zu stellen.
Ob ihm aus Warschau und Washington bedeutet wurde, dass bald mehr Waffen kommen und man mehr Druck auf Russland machen (also mehr Krieg führen und mehr Sanktionen verhängen) müsse, bevor „ernsthafte“ Verhandlungen beginnen können?
Siehe auch „Das Ende der Einheit“
P.S. Interessant ist, dass die neue „Ostfront“ nicht alle Mitglieder der Visegrad-Gruppe enthält. Vielmehr versammelt sie Hardliner wie den polnischen Vize-Regierungschef Kaczynski und den slowenischen Regierungschef Jansa, der sich als letzter Trump-Fan in der EU geoutet hat…
pitiplatsch
18. März 2022 @ 19:27
.. an das dem LOB an ebo muss ich mich anschließen – ich lese nur noch IHN – nie war ER so wertvoll!
Ich schmähe nun auch die NZZ, die wohl aus Unkenntnis (.. was ist Krieg??) Deutschland in die Richtung Ostfront treiben.
PS: Erst heute musste ich Leuten erklären, dass der Unterschied zur Diktatur die verfassungsmäßig eingebaute 2. Meinung ist ….
ebo
18. März 2022 @ 20:28
Dankeschön, das freut mich! Vielleicht könnten Sie und alle Leser die Blogposts ein wenig mehr teilen – etwa auf Twitter und Facebook – das würde mir sehr helfen 🙂
El Zorro
17. März 2022 @ 12:54
Bin beeindruckt. „LostInEU“ verdient seinen Namen. Kaum noch einer in diesem Forum, der einseitig nach: „Wer stoppt Putin?“ schreit, wie es der SPIEGEL schon 2014 zur Parole ausrief. Vielmehr Hinterfragung auf breiter Basis, wer eigentlich wen stoppen sollte. Europa ist verloren. Ein großer Jammer, der uns anfasst – ähnlich, wie „Freund Hein“ es tut, wenn das Ende naht!
ebo
17. März 2022 @ 13:09
Merci, aber mir geht es nicht um Putin, den ich übrigens schon seit Jahren als „Zar“ bezeichne.
Mir geht es darum, die Hintergrunde der EU-Politik und ihrer Folgen zu beleuchten und auch das zu bringen, was die Leitmedien „vergessen“ oder „liegen lassen“. Auch das meint „Lost in EUrope“.
El Zorro
17. März 2022 @ 13:39
… auch das machen sie sehr gut. Wir verschaffen den Minderheiten Gehör. Fühle mich wie „zu Hause“.
Burkhart Braunbehrens
17. März 2022 @ 10:05
Gestern Abend habe ich einen Bericht über den siebenjährigen Krieg im Jemen gesehen.
Unsere Hilfe gegen den schrecklichen Krieg in der Ukraine darf nicht alle anderen Kriege auf der Welt zu gerechten Kriegen machen.
Stop the wars everywhere now ! Save the planet and our lifes. Let the people speak !
Holly01
16. März 2022 @ 18:21
Unter Trump gab es doch extra einen EU Beauftragten, der sich um den Aufbau der „konservativen aka US Reps kompatiblen“ gekümmert hat.
Nun ist ja Frau Nuland (und wenn ich das richtig verstehe die Hälfte ihrer Familie) in der Ukraine und den Intermare aka Visegrad Stzaaten unterwegs.
Die wollen mit Frankreich und Deutschland überhaupt nichts „abstimmen“. Die wollen knallharte Fakten schaffen.
Sollten wir uns nicht freuen, wenn die Polen ebenso wie Deutschland ihre Wiedervereinigung bekommen?
War es nicht auch für Polen eine historisch falsche Entscheidung das Land nach Westen zu verschieben?
Wäre es nicht recht genial wenn die EU plötzlich bis zum Dnjepr reichen würde?
Ich warte auf den Begriff „Galizien“. Sobald der Begriff auftaucht ist die Richtung klar.
Und der absolute Bruch mit Russland ist schon deshalb notwendig weil man ja die Millionen „Russen“ aus dem alten Polen vertreiben muss.
Steigen Sie in das Geschichtskarussel ein und halten Sie sich bitte fest, wir fahren RRRRRRRRRRückwärts !!!!!!
Ne, die Russen geben den Donbas und die Landbrücke von dort zur Krim nur ab, wenn sie militärisch besiegt werden und danach sieht es bisher nicht aus.
Polen bekommt das ohne einen Schuss abzufeuern mit US Hilfe auf ziemlich geniale Art und Weise.
Hut ab Kaczynski.