Die Lage ist ernst, sehr ernst
EU-Kommissionschefin von der Leyen hat ihre jährliche, fast schon rituelle Rede zur “Lage der Union” gehalten. Sie drehte sich vor allem um die Ukraine und den Krieg mit Russland. Doch zum Zustand der EU hat sie fast nichts gesagt. Dabei ist die Lage ernst, sehr ernst.
In Europa herrscht Krieg, die EU hat ihn nicht abwenden oder verkürzen können. Sie hat es nicht einmal versucht. Dazu kommt noch ein Wirtschaftskrieg, den Brüssel mit angezettelt hat und der nun auf die Mitgliedsländer zurückschlägt und auch das zweite große Versprechen nach dem Frieden – Wohlstand für alle – infrage stellt.
Die Energiekrise ist nur das jüngste und krasseste Beispiel für den Boomerang-Effekt, der u.a. durch ein Kohle- und Ölembargo ausgelöst wurde – sowie durch beispiellose Sanktionen gegen die russische Zentralbank, die Devisen-Einnahmen wertlos machen.
Wir haben aber auch eine Lebensmittel- und Preiskrise, die durch die hohen Energiepreise sowie durch Sekundäreffekte der EU-Sanktionen ausgelöst wurde. Jeder kann sich dabei täglich beim Gang in den Supermarkt überzeugen.
Als Nächstes droht der Absturz in die Rezession. In Deutschland ist er kaum noch abzuwenden – auch wenn Superminister Habeck meint, einige Unternehmen könnten einfach für ein paar Monate ihre Tätigkeit einstellen, das sei doch nicht so schlimm.
Auch eine Eurokrise ist nicht mehr ausgeschlossen. Der Krieg und die Sanktionen kosten enorm viel Geld – doch viele Euroländer sind jetzt schon hoffnungslos überschuldet. Die Zinserhöhungen der EZB machen es nicht besser, im Gegenteil.
Die Hütte brennt, das Fundament wankt
All dies dürfte in eine soziale und politische Krise münden, wie wir sie jetzt schon in Schweden und in Italien erleben. Die Niederlande und Belgien fürchten sich vor Bauernaufständen und Gelbwesten, Tschechien hat eine Großdemo gegen die EU erlebt.
Doch zu all dem hat von der Leyen nicht viel gesagt. Sie hat die Lage schöngeredet, wie immer, und sich als Retterin in der Not präsentiert. Ein Strompreis-Deckel und eine Übergewinn-Abgabe sollen den Leuten wieder Mut machen.
Doch das sind nur hektische Löscharbeiten an einem Haus, das lichterloh in Flammen steht. Von der Leyen will den Dachstuhl löschen, während das Feuer schon die Fundamente angreift. Die EU ist in einer ernsten Lage, einer sehr ernsten…
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Newsletter “Watchlist Europa”. Siehe auch “So steuert die EU gegen die Wand“
Hans L. Schmid
15. September 2022 @ 11:47
Sind die Bürgerinnen und Bürger der EU mit Frau von der Leyen einverstanden? Was für ein Europa und was für eine Politik der EU im Ukraine-Krieg wollen sie? Haben sie dazu etwas zu sagen – wollen sie etwas dazu sagen? Tun Sie es – auf http://www.our-new-europe.eu !
Holly01
15. September 2022 @ 11:27
@ ebo:
Lösung: Die EZB gibt die Schuldscheine raus. Es gibt keine nationalen Auktionen.
Lösung Spread: Die EZB kauft pauschal alle Schuldtitel auf, wenn die auslaufen.
Aus die Maus, Eurokrise abgesagt.
Kleine Geschichte:
Die Lagarde nimmt eine Klobürste und sagt die ist jetzt 50.000.000.000 Euro wert.
Die EZB kauft diese Klobürste.
Es gab ein Produkt und einen Markt, deal.
Nun nimmt die Lagarde die 50 Billionen und kauft alle Kredite der Euroländer auf.
Über Jahre hinweg kauft die Alles an Euroschuldtiteln auf.
Dann schenkt die den Eurostaaten die Schuldtitel.
Euroländer = schuldenfrei.
Die Klobürste hat eine Putzfrau weggeschmissen, die sah ekelig aus.
Egal. Das Geld wurde geschöpft. Es gibt keinen Geschädigten, weil die EZB das Geschäft einfach abschreibt, aka aus den Büchern nimmt.
DAS ist Geld. Es ist wert, was Menschen darin sehen wollen. Ohne Definition von Außen ist der Geldwert IMMER null, nix, überhaupt nix.
@ European: Ich verstehe Ihren Standpunkt, teile ihn aber im Detail nicht.
EBO hat mehrfach gebeten „Fachsimpelleien“ zu unterlassen.
Ich möchte EBO nicht zu sehr strapazieren, der muss schon genug Texte von mir sortieren und entscheiden was EU relevant ist.
european
15. September 2022 @ 13:40
Der Besitz/Aufenthaltsort ist deshalb irrelevant, weil Inhaberschuldverschreibungen ausgegeben werden, die nach Belieben wechseln koennen.
Es ist auch deshalb irrelevant, weil Politiker es fuer irrelevant halten. Ein sehr gutes Beispiel ist Italien. Ueber ganz lange Zeit waren die meisten italienischen Staatsanleihen in italienischer Hand, meist sogar von Privatanlegern, aber auch von Banken und Unternehmen. Die Auslandsverschuldung war gering, auch schon zu Zeiten des Euro. Die Gefahr, die von Italien ausging, war also ausgesprochen gering. Das hat trotzdem niemanden gehindert, Italien in Bausch und Bogen zu verdammen und in Dauerausteritaet zu schicken. Das Land spart nicht erst seit der Finanzkrise und wie schon gesagt, es sind heute die fehlenden Einnahmen, die die Schuldenquote nach oben treiben. Jeder, der sich mit Bruchrechnung auskennt, weiss das eigentlich.
Wikipedia hat irgendwann einmal geschrieben, dass nur 40% der deutschen Staatsanleihen sich in deutscher Hand befinden. Ich weiss nicht, ob das heute noch stimmt. Wie gesagt, es sind Inhaberschuldverschreibungen, die zudem noch an der Boerse gehandelt werden, zumindest zum grossen Teil.
Ansonsten ist das, was Sie beschreiben, dem japanischen Modell sehr aehnlich. Japan hat eine fuer unsere Verhaeltnisse gigantische Staatsverschuldung und will einfach nicht pleite gehen.
Holly01
15. September 2022 @ 07:15
“ – doch viele Euroländer sind jetzt schon hoffnungslos überschuldet. “
Es gibt keine Länder die in ihrer eigenen Währung „überschuldet“ sind.
Das geht inhaltlich nicht.
Das wäre bildlich gesprochen so, als würde ein Fisch ertrinken.
Die Frage lautet also: Bei wem sind wir verschuldet und in welcher Währung.
Wäre das eine Wertegemeinschaft, könnte man die Schulden über die Notenbanken verrechnen.
Kann man natürlich tatsächlich nicht, weil die USA das nie zulassen würden.
Für Deutschland gilt was seit Jahrzehnten gilt:
Die Bundesregierung gibt weder bekannt, wer an den Versteigerungen der Staatsanleihen teilnimmt, noch gibt sie bekannt, wer diese Staatsschulden in seinem Portfolio hat.
Abgesehen von der zuständigen Behörde weiß also niemand wie hoch die Staatsschulden sind, die im Ausland gehalten werden.
Es ist nicht einmal bekannt ob alle deutschen Schuldtitel auf Euro lauten.
Aber grundsätzlich gibt es niemals überschuldete Staaten. Wer Schulden von anderen kauft, muss mit Ausfällen rechnen.
Staaten können ausfallen.
Die USA verhindern seit 70 Jahren tapfer jede Form der Staatsinsolvenz, aber einen Ausfall zu erklären, ist ein völlig normaler Vorgang.
Ja.
Danach wird man nur schwer ausländische Geldgeber finden.
Aber wer will die schon?
ebo
15. September 2022 @ 07:41
Das Problem ist, dass sie in Euro verschuldet sind. Das ist aber nur bedingt die eigene Währung. Die geldpolische Souveränität wurde an die EZB abgegeben, die Bonität wird an den Märkten bewertet. Das kann gefährlich sein, siehe Griechenland
european
15. September 2022 @ 07:54
In einer Währungsunion darf es keine Spreads geben. Dann gibt es auch keine Spekulation an den Märkten. Dieses Problem ist absolut hausgemacht. Man schreibt den Märkten geradezu in die Agenda, wen man selbst für gefährdet hält. Besser geht es kaum für die Spekulanten. Das sind Informationen aus erster Hand. Weiterhin zeugt es von einem völligen Unverständnis, wie unser Geldsystem funktioniert. Wir hatten das Thema hier schon mehrfach.
@Holly01
Viel interessanter als die Frage, wer die Staatsanleihen im Portfolio hat, ist m.E. die Frage nach den Rücklagen. Deutschland bildet ja Rücklagen, heißt – erst sparen, dann ausgeben. Das geht aber nur, wenn sich jemand verschuldet. Wer verschuldet sich für die Rücklagen der deutschen Regierungen? Diese Frage stellt niemand, sie ist aber wichtig, denn gerade Deutschland als ökonomische Wuchtbrumme in Europa und gleichzeitig Nettosparerland lässt solche Dinge das Ausland erledigen, um gleichzeitig den Märkten zu signalisieren, dass sie dem Ausland nicht trauen sollten und Spreads erheben. 😉
Staatsanleihen waren mal eine gute Anlageform für Bürger, sich am Erfolg des Landes zu beteiligen. Es gab sogar mal ein Bundesschuldenbuch, wo man ohne Depotgebühren Geld anlegen konnte, z.B. in Bundesschatzbriefen, Obligationen etc.
Wenn man nicht will, dass Staaten sich verschulden, muss man die Unternehmen wieder zu Nettoinvestoren machen. Den Politiker möchte ich sehen, der das überhaupt ausspricht.