Noch mehr Ungereimtheiten im Fall Nawalny

Die Bundesregierung sieht es als „zweifelsfrei“ erwiesen an, dass der russische Oppositionspolitiker Nawalny mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. Deshalb gibt es jetzt Krisensitzungen bei EU und Nato.

Doch wieso ist die Vergiftung eines Regimekritikers in Russland ein Thema für die EU und die Nato? Auf den Tod der türkischen Anwältin Timtik haben Berlin und Brüssel nicht reagiert. Dabei ist sie in türkischer Haft gestorben – im Hungerstreik für ein faires Verfahren. Es gab schon mehrere Todesfälle dieser Art im Nato-Land Türkei, ein weiterer Anwalt ist in Lebensgefahr.

Egal – Sultan Erdogan ist ein Schurke, aber es ist eben unser Schurke!? Demgegenüber ist Zar Putin unser Feind, nicht wahr? Deswegen hat er Nawalny ja auch nach Deutschland ausfliegen lassen…

Der zweite Widerspruch liegt in der Forderung nach Aufklärung. Natürlich muß der Fall Nawalny aufgeklärt werden. Aber warum arbeitet man dann nicht mit den Ärzten in Omsk zusammen?

Die gelten als seriös und unabhängig – und haben ihre Kooperation angeboten. Doch weder die Berliner Charité noch das Bundeskanzleramt sind, so weit bekannt, darauf eingegangen.

Der dritte Widerspruch liegt bei der Diagnose. Die Bundesregierung sieht es als „zweifelsfrei“ erwiesen an, dass Nawalny mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. 

In Berlin werden sogar Parallelen zum Fall Skripal gezogen, der ebenfalls mit Nowitschok vergiftet wurde. Doch im Fall Skripal haben wir gelernt, dass Nowitschok hochansteckend ist.

Sogar Ermittler, Polizisten und Ärzte mussten Schutzanzüge tragen, um sich nicht zu vergiften. Bei Nawalny war dies offenkundig nicht der Fall. Handelt es sich also doch um eine andere Substanz?

Dies behaupten die Entwickler dieses perfiden Giftstoffs. Laut „RT“ – eine andere Quelle finde ich leider nicht – passen die Symptome nicht zu Nowitschok. Hätte Nawalny dieses Gift geschluckt, wäre er längst tot.

Das klingt zynisch, und es ist es auch. Doch es weckt Zweifel an der angeblich so eindeutigen Diagnose aus Berlin. Will man auf Biegen und Brechen eine Parallele zum Fall Skripal ziehen?

Und werden die Sanktionen diesmal ähnlich hart ausfallen – oder noch härter?

Siehe auch „Ungereimtheiten im Fall Nawalny“

P.S. Nun hat auch der „Spiegel“ mit einem Novitschok-Erfinder gesprochen. Der behauptet so ziemlich das Gegenteil von dem, was „RT“ meldet: „Ich vertraue den deutschen Spezialisten hundertprozentig“. Leider steht der Artikel hinter einer Paywall…