Neues vom Wirtschaftskrieg (212): Habeck will Industrie im Notfall drosseln
Russland fehlt es nicht (mehr) an Mikrochips. Die Exporte nach Russland sind zum Jahresbeginn stark gesunken. Und Deutschland könnte laut Wirtschaftsminister Habeck gezwungen sein, Industriekapazitäten abzubauen oder sogar abzuschalten.
- Deutschland könnte laut Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gezwungen sein, Industriekapazitäten abzubauen oder sogar abzuschalten, sollte das Gastransitabkommen zwischen Russland und der Ukraine nicht verlängert werden. „Wir sind aus meiner Sicht noch nicht durch“, sagte Habeck auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow. Die derzeit gute Situation dürfe nicht davon ablenken, was eigentlich drohe. „Ich will nur darauf hinweisen, dass die Transitverträge, die Russland mit der Ukraine geschlossen hat, im Jahr 2024 auslaufen“, sagte der Minister. „Und der Krieg wütet. Es gibt kein sicheres Szenario, wie es da weitergeht“, führte er aus. „Würde das russische Gas nicht in dem Maße, wie es noch immer durch die Ukraine fließt, nach Osteuropa kommen, gilt, was europäisch verabredet wurde: Bevor die Leute dort frieren, müssten wir unsere Industrie drosseln oder gar abschalten.“ (Die Welt) – In der EU fordert er Sanktionen, für die Ukraine will er Ausnahmen – grüne Wirtschaftspolitik am Limit
- Die deutschen Exporte nach Russland sind zum Jahresbeginn verglichen mit der Zeit vor dem Ukraine-Krieg stark gesunken. Wie das Statistikamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte, wurden von Januar bis einschließlich April Waren im Wert von 3,5 Milliarden Euro nach Russland exportiert, das war ein Rückgang um über 58 Prozent verglichen mit demselben Zeitraum 2021. Damals betrug das Volumen 8,4 Milliarden Euro. (…) Hingegen stiegen die deutschen Exporte in die sogenannte Gruppe der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ohne Russland deutlich an. Zu dieser Gruppe haben sich verschiedene Nachfolgestaaten der Sowjetunion zusammengeschlossen, die Ukraine gehört mittlerweile nicht mehr dazu. Die Exporte in die GUS hatten zu Jahresbeginn einen Umfang von 2,9 Milliarden Euro – das war ein Anstieg um 106,4 Prozent verglichen mit dem Zeitraum vor dem Ukraine-Krieg.
- Russland fehlt es nicht (mehr) an Mikrochips. Western exports of key microchips and electronics that Russia needs to fuel its war machine are back to pre-invasion levels, as Moscow has ramped up efforts to circumvent sanctions, a top official said Wednesday. “By the start of this year, Russia was able to reimport certain key categories of electronics at about pre-war levels,” Jim O’Brien, sanctions coordinator at the U.S. State Department, told POLITICO’s Brussels Playbook at an ECFR event in Stockholm, referring to chips, processors and integrated circuits key to making modern weapons. The problem, O’Brien said, is that European companies are selling to other countries, which in turn resell the materials to Russia. Sanctions circumvention remains a “substantial problem,” O’Brien said, adding the U.S. has identified issues with five countries in particular: Turkey, Kazakhstan, Georgia, the United Arab Emirates and Armenia. (Politico)
Mehr zum Wirtschaftskrieg hier
P.S. Die USA wollen es Chipherstellern aus Taiwan und Südkorea “erlauben”, weiter Geschäfte mit China zu machen, meldet das “Wall Street Journal”. Wie nett! Doch den Wirtschaftskrieg um die Halbleiter wird das nicht entspannen…
Josef Berchtold
18. Juni 2023 @ 18:23
Wie wäre es denn, würde man endlich mal beginnen, die Gasblasen unter Niedersachsen anzuzapfen, statt Industrie stillzulegen? Die deutsche grüne Dogmatik ist nur noch widerlich, erinnert an Nazi-Deutschland. Auch das moderne Fracking käme für einige Regionen hinzu. Hoffentlich beginnt man in Großbritannien mit Fracking. Als Vorbild könnte Großbritannien dann dienen und die Diskussionen in Deutschland anregen. Vielleicht bietet der Brexit doch noch Vorteile für das Königreich.
KK
15. Juni 2023 @ 14:08
Hat nicht die Ukraine
a) jahrelang keine Gasrechnungen an Russland bezahlt und
b) als Russland daher die Lieferungen an die Ukraine ausgesetzt hatte, einfach Transitgas für westlich gelegene Länder für sich abgezweigt – besser gesagt gestohlen?
Die Streitereien waren der Grund, warum die jahrelangen nur auf dem Papier stehenden Pläne für NS1 dann tatsächlich angegangen und die Eskalation des Streits den Grund für NS2 geliefert hatten.
Aber das Narrativ ist ja: Alles nur Russland schuld!
Dabei wollte die Ukraine ihr Gas quasi von Russland geschenkt bekommen, und als der Lieferant das aber nicht wollte, hat sie es sich auf Kosten der Empfängerländer einfach genommen.
Wenn ein Teil meiner Online-Bestellungen bei einem bestimmten Lieferdienst ständig wegkommt, dann such ich mir doch einen anderen Lieferdienst, oder nicht?
Kleopatra
15. Juni 2023 @ 09:27
@Stef: Russland hat bis vor kurzem tatsächlich gegenüber Deutschland keine Erpressung mit Gaslieferungen versucht, sondern wie erwartet geliefert (da Deutschland ja andererseits sich russischen Interessen wunschgemäß angedient hat, etwa durch den Bau von Nord Stream 2 gegen breiten Widerstand in der EU); hingegen hat es im Verhältnis zu osteuropäischen Staaten, insbesondere ehemaligen Sowjetrepubliken dieses Druckmittel sehr wohl benutzt. Die Litauer wissen, weshalb sie schon vor langem mit der Einrichtung eines großen LNG-Terminals begonnen haben.
Kleopatra
15. Juni 2023 @ 09:07
@umbhaki: Danke für den Verweis, genau das war meine Frage. Freilich zitiert der Telepolis-Artikel nicht aus den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2017/1938 (dem sogenannten “verfügenden Teil”), sondern aus den Erwägungsgründen, die eine nicht selbst rechtsverbindliche Angabe des Zwecks des Rechtsaktes darstellen. (Die Unverbindlichkeit ist schon an der verwendeten Verbform -“sollte”- zu erkennen).
umbhaki
14. Juni 2023 @ 22:05
@Kleopatra:
„ich wüsste gern, wann und wo was genau verabredet wurde, oder ob hier Habeck auch bloß schwafelt.“
Es passt schon, was ebo hier recht kurz meldet. Ausführlicher hat es Claudia Wangerin bei Telepolis erläutert, siehe hier:
https://www.telepolis.de/features/Gaskrise-Will-Habeck-aus-Solidaritaet-mit-der-Ukraine-die-deutsche-Industrie-drosseln-9187227.html
Hekla
14. Juni 2023 @ 19:12
@Stef: meine volle Zustimmung und mein besonderer Dank für diesen Satz: “ Und wenn man wirklich den moralischen Stab über Russland brechen will, dann muss man sich der Mühe unterziehen, sich einmal in die russische Perspektive und Situation einzudenken.“
Das uralte Menschheitswissen, dass man Konflikte nur dann mit friedlichen Mitteln lösen kann, wenn man das Anliegen und die Situation aller Beteiligten betrachtet und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zur Kenntnis nimmt, scheint heutzutage in Vergessenheit geraten zu sein.
KK
14. Juni 2023 @ 15:28
@ Kleopatra:
„Dass ein Land, das einen Krieg führt wie Russland gegen die Ukraine, keine zuverlässige Rohstoffquelle ist, ist keine Neuigkeit.“
Dass ausgerechnet Sie hinsichtlich Russland keine zuverlässige Informationsquelle sind, ist hier auch keine Neuigkeit.
Stef
14. Juni 2023 @ 13:27
@ Kleopatra: Russland und zuvor die Sowjetunion waren exzellente und zuverlässige Rohstofflieferanten. Die Behauptung, Russland sei aufgrund des Überfalls auf die Ukraine auf einmal unzuverlässig geworden, entbehrt jeder Grundlage. Die entsprechenden roten Linien, die die Nato bedenkenlos überschritten hat, sind seit mehr als einem Jahrzehnt bekannt. Und wenn man wirklich den moralischen Stab über Russland brechen will, dann muss man sich der Mühe unterziehen, sich einmal in die russische Perspektive und Situation einzudenken. Denn nur wenn man das konsequent vermeidet, kommt man zum Ergebnis, dass der Überfall auf die Ukraine ein singuläres Ereignis sei, dass uns zur Unterminierung unserer eigenen industriellen Basis zwingt.
Wollte Deutschland weiterhin die Auswahl seiner Rohstoffbezugsquellen an dieser Art von inkonsistenten Krieterien ausrichten, würden wir vollständig blank dastehen. Das haben wir bisher nicht gemacht und ich hoffe, wir werden es weiterhin nicht machen.
Der Rostoffbezug aus Russland lag und läge heute noch im prioritären strategischen Interesse Zentraleuropas und insbesondere Deutschlands. Aufgrund der verantwortungslosen Politik unserer Bundesregierung steht allerdings zu befürchten, dass wir auch noch das letzte bisschen Vertrauens- und Glaubwürdigkeit bei den Russen verspielt haben. Die physische Zerstörung der beiden Nordstream-Leitungen sind beileibe nicht die alleinigen Hinderungsgründe.
Die idiotischen Aussagen und Positionen von Habeck zu unserer Industrie sind im Ergebnis auch nur das Resultat des überwältigenden Flurschadens, den die Bundesregierung mit der kritiklosen Übernahme des Kriegs- und Sanktionskurses von USA und Nato angerichtet haben. Die Politik der Sanktionen ist komplett und auf ganzer Linie gescheitert.
Thomas Damrau
14. Juni 2023 @ 13:09
@european
“Jedes Volk hat die Politiker, die es verdient.”
Die Deutschen (Medien) waren anfangs begeistert, dass Habeck (im Gegensatz zu Scholz) so qualitativ hochwertig kommuniziere. Dabei produzierte Habecks Kommunikationstrategie zu Beginn seiner Amtszeit im wesentlichen Einblicke in sein Seelenleben: “Es fiel mir wirklich schwer, diesen Beschluss zu fassen, weil ich weiß, dass der Beschluss viele Menschen in Probleme stürzen wird. Sie können mir also glauben, dass ich das nicht leichten Herzens getan habe.” Und die gefühlsduseligen Wähler dachten mit Tränen in den Augen: “Endlich mal ein Politiker, der uns gegenüber offen ist. Der Habeck hat es auch nicht leicht.” (Dachten die Wähler auch bei Zu Guttenberg.)
Nachdem man sich dann die Tränen getrocknet hatte, las man den Beschluss und stellte fest, dass es eigentlich interessanter gewesen wäre, wenn der Inhalt des Beschlusses und nicht die Folgen für Habecks Seelenleben erklärt worden wäre.
Und jetzt rufen alle “Butter bei die Fische.” Und Habeck versucht immer noch, die Fische zu angeln, zu denen man Butter reichen könnte.
Merke: Wer edle Gesinnung und wohl gesetzte Worte wählt, wählt in der Regel die Katze im Sack.
KK
14. Juni 2023 @ 12:11
Wenn man in die Geschichte insb. des 20 Jahrhunderts schaut, so ist diese voll mit Putschen von Militärs, die der Ansicht waren, ihre jeweilige Regierung schade ihrem Land.
Inzwischen muss man sich die Frage stellen, ob die NAhTOd nicht letztlich auch dazu dient, dass sich die Militärs der jeweiligen Mitgleidsländer gegenseitig in Schach halten… denn eigentlich müsste es ganz besonders in der Bundeswehr doch vielen jetzt in den Fingern jucken, wenn man die Berichte über die dortigen Umtriebe nationalistischer Netzwerke für bahre Münze nimmt.
Denn allen voran unser Abwirtschaftsminister droht in einer einzigen Legislaturperiode alles zu zerstören, was in 70 Jahren in diesem Land alles aufgebaut worden ist – ob nun Industrie oder privates Wohneigentum, alles wird weitgehend entwertet.
Monika
14. Juni 2023 @ 11:32
Die Ukraine und Russland befinden sich im KRIEG! Während die Ukraine soviele Russen wie möglich töten möchte -und das “weltweit”, beziehen sie ihre Energieversorgung und Heizenergie nach wie vor vom erklärten Todfeind. Dieser zahlt ihnen derzeit sogar noch Transitgebühren, um Verträge mit der EU bedienen zu können. Damit die ehemaligen Ostblockstaaten und Neuzugänge in der EU wie Polen die Baltischen Staaten (die auch gerne so viele Russen wie möglich töten wollen…) nicht frieren. Und jetzt erwartet man allen Ernstes, dass der Todfeind Russland das Szenario nicht verändern möge? Obwohl die EU alles Erdenkliche tut, um Russland wirtschaftlich zu ruinieren?
Man hat wohl gedacht, die militärischen NATO-Solidaritätsaktionen (Waffen ohne Ende Ausbildung, geheimdienstliche Zuarbeit, strategische Planungshilfe ect.) mit der Ukraine würde in max. einem halben Jahr den “Teufel Putin” in die Knie zwingen. Dem war nicht so, und jetzt wird es häßlich. Die westliche Arroganz ist mittlerweile grundlegend desavouiert, das ganze “wertebasierte” Geschwurbel und Geschacher fällt uns in Scherben vor die Füße.
Bedenkenlos wurden und werden die Ex-Ostblockler aufgestachelt und angetrieben ihrer Russophobie zu frönen. (Sonst hätte man wahrscheinlich große Schwierigkeiten, NATO-Boden-Personal finden, das bereit ist, den Kopf hinzuhalten bei der jetzt immerhin in den Wahrnehmungsbereich einer “Möglichkeit” von weiterer Eskalation).
Wenn Deutschland seine Wirtschaft im worstcase szenario nicht “abschaltet” oder drosselt, dann haben die EU fertig, wenn sie abschalten und drosseln, dann entfällt der größte Nettozahler der EU, und sie hat ebenso fertig.
Zum Knalleffekt den es bräuchte um das Schachbrett zu verändern (Abzug der US-Atomwaffen und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags und damit Umsetzung eines Bundestagsbeschlusses von 201o. Nachgelagert noch Kündigung der US-Militärbasen auf Grundlage des 2+4 Vertrags, …) findet Deutschland die politische Courage sicher nicht. Da will man lieber weiter ordentlich am Schachbrett der Militärs mitspielen, statt dass man es macht wie die Taube und einfach aufs Brett scheißt… dann lieber ein weiteres Mal alles in Schutt und Asche.
Kleopatra
14. Juni 2023 @ 08:11
Dass ein Land, das einen Krieg führt wie Russland gegen die Ukraine, keine zuverlässige Rohstoffquelle ist, ist keine Neuigkeit. Diskutieren kann man allerdings die Frage, ob man so herausschwätzen soll wie Habeck. In letzter Zeit hat sich die Meinung verbreitet, die Politik könne die Wirtschaft wie eine Maschine aus- und wieder anschalten (erstmals in Zusammenhang mit den Beschränkungen wg. Covid). Sehr interessant und für diesen Kontext relevant ist Habecks Formulierung, dass „gilt, was europäisch verabredet wurde:“- ich wüsste gern, wann und wo was genau verabredet wurde, oder ob hier Habeck auch bloß schwafelt.
european
14. Juni 2023 @ 08:00
Habeck und die Ökonomie – ein Fortsetzungsroman
Firmen gehen nicht pleite. Die hören eben einfach auf zu produzieren, wenn sie keinen Strom mehr haben. Und Verträge? Wen interessieren schon Verträge?
https://www.puls24.at/news/politik/robert-habeck-unternehmen-sind-nicht-insolvent-sie-hoeren-nur-auf-zu-verkaufen/274890
“Unternehmen sind nicht insolvent, sie hören nur auf, zu verkaufen” Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck sorgte mit Äußerungen in einer Talkshow für Stirnrunzeln. Er fürchte keine Insolvenzwelle durch die Teuerung, aber manche Betriebe würden einfach “aufhören, zu verkaufen”
Robert Habeck, 7.Sept.2022
to be continued…. 😉