Neues vom Wirtschaftskrieg (219): Putin verspricht Afrika kostenloses Getreide
Warum ukrainische Panzer mit russischem Öl fahren. Wieso Grünen–Minister Habeck längere Energiepreisbremsen will. Und was Kremlchef Putin anbietet, um Afrika nach dem Ende des Getreidedeals zu entschädigen.
- Putin bietet sechs afrikanischen Ländern kostenlose Getreidelieferungen an. Russland hat angeboten, die ukrainischen Mengen durch russisches Getreide zu ersetzen und Lebensmittel auch kostenlos bereitzustellen. In den kommenden drei bis vier Monaten sollen 25 000 bis 50 000 Tonnen Getreide gratis geliefert werden – und zwar an sechs afrikanische Länder: Burkina Faso, Zimbabwe, Mali, die Zentralafrikanische Republik, Somalia und Eritrea. Putin sagte, dass der russisch-afrikanische Handel trotz der Sanktionen im ersten Halbjahr um 35 Prozent gewachsen sei. Russland gilt zudem als wichtigster Waffenlieferant Afrikas. (Sueddeutsche) – Nachdem Putin den Getreide-Deal mit der Ukraine gecancelt hat, versucht er sich nun als Freund und Helfer in Szene zu setzen. Dies kann man kritisieren, zumal die Hilfe offenbar zeitlich begrenzt ist. Allerdings sollte man auch zur Kenntnis nehmen, dass das ukrainische Getreide vor allem China und EUropa zugute kam – und kaum Afrika.
- Habeck will längere Energiepreisbremsen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht sich für eine Verlängerung der Strom- und Gaspreisbremsen bis Ostern 2024 aus. “Die Preisbremsen wirken wie eine Versicherung gegen steigende Preise”, sagte der Grünen-Politiker der “Augsburger Allgemeinen” (Donnerstag). Nach jetzigem Stand würden die Energiepreisbremsen zum Jahresende auslaufen. “Ich werbe aber dafür, dass wir sie nochmals verlängern, und zwar bis Ende des Winters. Genauer gesagt, bis Ostern”, sagte Habeck. Darüber werde bereits mit der EU-Kommission geredet. (dpa) – Die Brüsseler Behörde hat sich bereits für ein Ende der Preisbremense und anderer Stützungsmaßnahmen ausgesprochen. Habeck fordert mal wieder eine Extrawurst – genau wie beim geplanten Industriestrompreis. Mehr dazu hier
- Warum ukrainische Panzer mit russischem Öl fahren. Es ist ein Paradoxon des Krieges: Die Panzer aus der Ukraine fahren zunehmend mit Öl, das aus Russland stammt. Die Ukraine importiert nach Angaben der ukrainischen Zollbehörde immer mehr Diesel aus Ungarn und der Türkei – beide Länder verarbeiten in ihren Raffinerien in hohem Maße Öl aus Russland. Zwar war bereits in der Vergangenheit die Marktposition der ungarischen MOL-Gruppe und der türkischen Lieferanten in der Ukraine relativ gut, aber erst in der jüngsten Vergangenheit meldeten ukrainische Zollbehörden einen auffälligen Anstieg der Importe. So verdoppelte der eng mit dem ungarischen Staat verbundene Mineralölkonzern MOL seine Verkäufe an die Ukraine im vergangenen Halbjahr. Da MOL in hohem Maße russisches Öl bezieht, dürfte die Kriegsmaschinerie der Ukraine nun vor allem damit betankt werden. (Handelsblatt) – Ohne Worte. Diese Geschichte hätte mehr Aufmerksamkeit verdient...
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Kleopatra
29. Juli 2023 @ 07:16
@Peter Michael: Was Russland „kostenlos“ liefert, das hat es zu einem großen Teil, wenn nicht zur Gänze, gestohlen; dass Russland gestohlenes Getreide weiterverschenkt, zeigt, dass es ihnen vor allem auf eine Schädigung ihres Gegners ankommt. Im Zivilleben würden Sie sich als Empfänger des Getreides wegen Hehlerei strafbar machen.
Kleopatra
29. Juli 2023 @ 07:09
Die ukrainische Getreideproduktion ist umfangreich genug, dass dieses Volumen für den Weltgetreidemarkt einen substanziellen Unterschied macht, egal an wen das ukrainische Getreide konkret verkauft wird. Das sehen übrigens offenbar auch die afrikanischen Staatschefs so, die gerade bei Putin sind, und auch die indische Regierung – sonst hätte sie keine Exportsperre für Reis verhängt. Und warum denken Sie beim Stichwort „Markt“ so reflexhaft sofort an Spekulation? Freilich tut die kriegsverbrecherische russische Armee alles, um einen Teil des ukrainischen Getreideproduktion zu stehlen und den Rest dauerhaft ausfallen zu lassen; sie versuchen ja auch gegenwärtig, durch Luftangriffe andere Exportrouten als via Odessa zu blockieren.
KK
28. Juli 2023 @ 12:35
@ Peter Michael:
“ob der Dummheit unserer kenntnisfreien Führungselite”
Sie irren: Unsere Führungselite ist nicht “dumm” – die steht offensichtlich im Dienste eines ganz anderes Souveräns als ihren Wählern und ist dabei einfach nur skrupellos.
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Und zu den Getreidepreisen:
Auch Mais könnte den Hunger Afrikas lindern helfen (selbst, wenn man ihn statt des Getreides an Schweine verfüttert) – aber da war vergangene Saison den US-Farmern der Weltmarktpreis zu niedrig, so dass er nicht geerntet und noch auf den Feldern vernichtet wurde. Es geht immer nur um Geld, nie um die Menschen.
Peter Michael
28. Juli 2023 @ 10:13
Ich finde es sehr gut und für die Menschen effizient, dass Russland einfach nunmehr direkt an bedürftige Länder liefert, und das sogar kostenlos.
Auf die Bürokratie der EU ist sowieso kein Verlass – aus Sicht der Menschen beurteilt.
Als bedingungslose Vasallen der USA (die wahrscheinlich vor Lachen nicht in den Schlaf kommen ob der Dummheit unserer kenntnisfreien Führungselite) denken wir sowie nicht an unsere Interessen oder die der Bedürftigen, sondern an unsere Doppelmoral und Machtgesichtspunkten.
Armin Christ
28. Juli 2023 @ 09:45
Im letzten JAhr ging sehr wenig des ukrainischen Getreides nach Afrika zu den Bedürftigen; vielmehr landete es in Schweine- und Geflügelmästereien in der EU. Der ukrainische Raps landete dann im „Biodiesel“ etc. etc.
Solche Machenschaften mitsamt der Spekulation an den Börsen auf den Getreidepreis machte für viele Menschen des Südens das Getreide zur Mangelware. Aber Hauptsache: Der Iwan (Russe, Putin) ist schuld.
Arthur Dent
28. Juli 2023 @ 09:34
Auf Getreide wird an Börsen spekuliert, lange bevor Ernten eingefahren werden.
Arthur Dent
28. Juli 2023 @ 09:30
Energie-Konzerne, wie der mit Steuergeld gerettete Uniper, fahren gerade Rekordgewinne ein. Die Preise für Gas und Strom stiegen schon lange vor dem Ukraine-Krieg exorbitant an. (Uniper hatte lt. der Süddeutschen Zeitung übrigens Ende 2021 schon Kredit-Linien von 13 Mrd. Euro in Anspruch genommen um seine Termin-Geschäfte abzusichern). Habecks Energiepreisbremse ist ein schöner Euphemismus, ein Ringen um Worte. Preise für Gas und Strom sind mittlerweile wie ein Fass ohne Boden. Man fühlt sich geradezu ausgeplündert.
Kleopatra
28. Juli 2023 @ 07:05
Da Getreide für Geld verkauft wird und Marktpreise sich nach Angebot und Nachfrage richten, ist der Marktpreis höher, wenn die ukrainische Liefermenge ausfällt, und niedriger, wenn sie auf den Markt gebracht wird, und das weitgehend unabhängig davon, wer konkret das ukrainische Getreide kauft. Einen höheren Marktpreis spüren alle, auch gerade die Armen. Deshalb hat Afrika auch dann etwas davon, wenn das ukrainische Getreide auf den Weltmarkt kommt, wenn es konkret anderes kauft. Die Nichtverlängerung des Getreideabkommens hat schon dazu geführt, dass Indien eine Exportsperre für Reis (außer Basmati) erlassen hat. Ob jemand verhungert, weil er keinen indischen Reis bekommt oder weil er keinen ukrainischen Weizen bekommt, ist zweitrangig.
ebo
28. Juli 2023 @ 09:49
Es ist etwa anderes, ob wir über den Weltmarkt für Getreide (und die Spekulation) sprechen, oder über ukrainische Getreide-Lieferungen nach Afrika. Die EU spricht über Letzteres – leider haben sich ihre Versprechen nicht erfüllt.