Wo ist Merkel, was hilft gegen Terror – und Krieg ohne Grenzen?

Die Watchlist EUropa vom 9. Dezember 2020 –

Was macht eigentlich Kanzlerin Merkel? Kurz vor dem letzten EU-Gipfel unter deutschem Vorsitz ist die erfahrenste und mächtigste EU-Politikerin abgetaucht. Sie versuche, Kompromisse auszuloten und Lösungen zu finden, sagen deutsche Diplomaten. Vor allem im Budgetstreit mit Ungarn und Polen sei die Regierung sehr aktiv.

“Wir bemühen uns hinter den Kulissen um eine Lösung, die von allen 27 Mitgliedstaaten getragen wird”, erklärte Europa-Staatsminister Roth am Dienstag in Brüssel.

In normalen Zeiten wäre das eine gute Nachricht. Die EU ist schließlich auf Kompromissen gebaut. Doch die Zeiten sind nicht normal, inmitten der schlimmsten EU-Krise ist Merkels Schweigen eher suspekt.

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Die Kanzlerin hat es mit existentiellen Problemen zu tun – und ihr läuft die Zeit davon. Bereits in drei Wochen endet der deutsche Ratsvorsitz. Der Gipfel am Donnerstag und Freitag ist das letzte reguläre Spitzentreffen dieses Jahres.

Wenn es vorher nicht gelingt, den Budgetstreit zu lösen, dann droht ein noch nie dagewesener Bruch: 25 EU-Länder könnten sich gegen die beiden Neinsager Ungarn und Polen stellen und einen eigenen Finanzplan ausarbeiten.

Und wenn es bis zum 31. Dezember nicht gelingt, einen Handelsvertrag mit Großbritannien auszuarbeiten, dann droht der “No Deal” – das denkbar schlchteste Szenario beim Brexit. Es wäre ein Debakel, auch für den deutschen EU-Vorsitz.

In Brüssel haben deshalb viele erwartet, dass Merkel Druck machen und eine Deadline setzen würde. EU-Diplomaten haben sogar zwei Daten genannt: Am Dienstag sollte die Zeit für Ungarn und Polen ablaufen, am Mittwoch für UK.

Danach, so die Drohung, werde die EU ohne die lästigen Quertreiber weitermachen und einen “No Deal” vorbereiten. Doch Merkel tut nichts, um diese Drohkulisse zu unterstützen. Sie schweigt und spielt auf Zeit – wie immer.

Das schwächt nicht nur die Verhandlungsposition der EU. Es weckt auch den bösen Verdacht, dass Merkel letztlich gar keine Deadline setzen will, weil sie den Kompromiss um jeden Preis anstrebt – und sei es ein fauler.

Das Ganze sei ein Spiel mit verteilten Rollen, sagen böse Zungen in Brüssel. Merkel spiele den “good cop”, um sich die Finger nicht schmutzig zu machen – und lasse die unliebsame Rolle des “bad cop” den anderen.

Zum Beispiel Kommissionschefin von der Leyen. Sie will am Mittwochabend den britischen Premier Johnson in Brüssel empfangen – es könnte das Treffen der letzten Chance werden. Wenn es schief geht, ist sie schuld – und nicht Merkel…

Siehe auch “Diese faulen Kompromisse drohen beim Merkels entscheidendem EU-Gipfel”. Bei change.org läuft übrigens eine Petition, die von Merkel eine harte Linie gegen Ungarn und Polen fordert. Sie hat schon rund 7000 Unterschriften, darunter viele Europaabgeordnete.

Watchlist

Was kann die EU gegen den Terrorismus unternehmen? Fünf Jahre nach der islamistischen Anschlagswelle in Frankreich und kurz nach neuen Attacken in mehreren EU-Ländern will die EU-Kommission am Mittwoch ihre Pläne vorlegen. Derweil berät in Paris das französisches Kabinett über ein neues Gesetz gegen Radikalisierung. Präsident Macron will einen “islamischen Separatismus” vermeiden und u.a. den Unterricht strenger kontrollieren.

Was fehlt

Im Schlafwagen von Berlin nach Paris oder Barcelona: Das soll bald wieder möglich werden. Die staatlichen Bahnen von Deutschland, Österreich und Frankreich und der Schweiz kündigten die Verknüpfung von 13 Millionen-Metropolen im sogenannten Nachtsprung an. Ab Dezember 2021 sollen die Strecken Wien-München-Paris sowie Zürich-Köln-Amsterdam nachts befahren werden – wenn nicht wieder Corona dazwischen kommt.

Das Letzte

Läuft die Aufrüstung der EU aus dem Ruder? Macht sich die “Künstliche Intelligenz” in den neuen Militärsysteme selbständig? Dies fürchtet die linke EU-Abgeordnete Özlem Alev Demirel. Sie stellte eine neue Studie über die Gefahren und Auswirkungen vor, die durch neue KI-Anwendungen entstehen. Ihr Fazit: „Autonome Systeme und die Entgrenzung von Krieg erhöhen das militärische Eskalationspotential.“Die Studie steht hier, mehr hier