Merkels bitteres Endspiel, Lukaschenkos eiskalte Drohung – und rosige Aussichten

Die Watchlist EUropa vom 12. November 2021 –

Es sieht nicht gut aus um Merkels europapolitisches Erbe. Bei ihrem womöglich letzten EU-Gipfel Ende Oktober hat sie es zwar noch mit Ach und Krach geschafft, den Streit mit Polen zu entschärfen – um des lieben Friedens willen.

Doch nun ist Polen auch noch in einen gefährlichen Konflikt mit Belarus und Russland verwickelt – und die nationalistische PiS-Regierung in Warschau tut alles, um den Grenz- und Flüchtlingsstreit anzuheizen und die EU hineinzuziehen.

Die Lage an der Grenze zu Belarus spitzt sich zu, die Flüchtlinge sind in Gefahr, die Bilder aus dem Krisengebiet zeigen ein gnadenloses und kaltherziges EUropa – und nicht das humanitäre Gesicht, das Merkel der EU geben wollte.

“Brüssel macht AfD-Politik”

Nein, so hat sich die Kanzlerin das Ende ihrer Amtszeit gewiß nicht vorgestellt. Sechs Jahre, nachdem die “Flüchtlingskanzlerin” die Ehre der EU gerettet hat – so sehen es ihre Anhänger – schreitet die Orbanisierung im Osten voran.

Merkels ehemaliger Berater Gerald Knaus wirft Brüssel sogar eine “AfD-Politik” vor. “Was wir jetzt machen, ist die AfD-Politik, die wir 2015 nicht gemacht haben an der Grenze der Europäischen Union”, sagte Knaus im ARD-“Morgenmagazin”.

Das will, das kann Merkel nicht auf sich sitzen lassen. Und so hat sie bereits zum zweiten Mal bei Kremlchef Wladimir Putin interveniert – in der vagen Hoffnung, dass der russische Zar den belorussischen Bären zurückpfeifen werde.

Putin lässt Merkel abblitzen

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Doch Putin lässt sich auch von Merkel nichts mehr sagen. Die EU solle sich gefälligst an das humanitäre Völkerrecht halten und direkt mit Lukaschenko sprechen, beschied er die Kanzlerin. Die einst enge Beziehung ist erkaltet.

Merkels Endspiel steht unter einem schlechten Stern. Denn diese Krise zeigt ja nicht nur das Scheitern ihrer Ostpolitik (Polen und Ungarn eingeschlossen). Sie verweist auch auf die wunden Punkte ihrer gefeierten Flüchtlingspolitik.

Der offensichtlichste wunde Punkt ist, dass es immer noch keine “europäische Lösung” der Flüchtlingsfrage gibt, wie sie Merkel schon 2015 versprochen hatte. Die Asyl- und Migrationspolitik ist die Achillesferse der EU.

Das aktuell brennendste Problem ist, die Flüchtlinge aus Belarus nach Deutschland wollen – das größte EU-Land hat sich seit 2015 zum El Dorado entwickelt, das sogar Menschen aus Afghanistan und Venezuela anzieht.

Erdogan inspiriert Lukaschenko

Der drittee, fast noch schmerzhaftere Punkt ist, dass Merkel die Krise 2015 nur durch den Flüchtlingsdeal mit dem türkischen Sultan Erdogan “lösen” konnte – und genau dieser Deal inspiriert nun Lukaschenko zu seinem “hybriden Angriff”.

Merkel hat die EU in der Flüchtlingspolitik von einem zynischen Diktator abhängig und damit erpressbar gemacht. Und sie hat die Bundesrepublik zu einem Land gemacht, das Flüchtlinge wie ein Magnet inach EUropa zieht.

Ein gefährlicher “double bind”, der unweigerlich in die Falle führen mußte. Doch dass es in den letzten Tagen der Merkel-Ära so weit gekommen ist, dass sich Lukaschenko, Putin und Erdogan gegenseitig die Bälle zuspielen, ist bitter…

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Die Watchlist

Wird Gas zur Waffe? Diese Frage stellt sich, nachdem der belorussische Machthaber Lukaschenko am Donnerstag mit einer Kappung der Gaszufuhr in die EU drohte. “Wenn sie neue Sanktionen gegen uns verhängen, müssen wir reagieren”, warnte Lukaschenko die EU-Staaten. “Wir wärmen Europa und sie drohen uns”, sagte er mit Blick auf die Jamal-Europa-Pipeline, die durch Belarus führt und russisches Gas nach Europa bringt. “Und was, wenn wir die Gaslieferungen unterbrechen?”

Was fehlt

Die rosige Konjunkturprognose der EU-Kommission. Trotz vielfacher Risiken – von der Energiekrise über die Lieferkettenkrise bis hin zur “vierten Welle” der Coronakrise – erwartet die Brüsseler Behörde 2022 wieder ein kräftiges Wachstum. Die Eurozone soll um satte 4,3 Prozent wachsen – nach 5,0 dieses Jahr.  Allerdings dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr lediglich um 2,7 Prozent wachsen. Deutschland ist damit das Schlusslicht in der EU und könnte sich von der Lokomotive zum Bremsklotz wandeln…