Merkels Jumbo-Rat und andere Manöver

Fast ein Jahr hatte Kanzlerin Merkel Zeit, sich mit Präsident Macron auf gemeinsame Initiativen zu einigen. So lange ist der  nämlich schon im Amt. Und sechs Monate sind seit Macrons Sorbonne-Rede vergangen. Doch Merkel hat immer noch keinen Plan – stattdessen startet sie ein “Ablenkungsmanöver”.

So nennt die europapolitische Sprecherin der Grünen, F. Brantner, den Versuch der Kanzlerin, Macrons Vorschläge zur Reform der Eurozone mit einem “Jumbo-Rat” zu kontern.

In diesem Monsterformat soll Merkels Wirtschaftsminister Altmaier eine zentrale Rolle spielen. Er soll dafür sorgen, dass die Eurozone auf Wettbewerbsfähigkeit und Exportüberschüsse getrimmt wird.

Neu ist das nicht. Trotz der gescheiterten Lissabon-Strategie im Jahr 2000 versucht die Kanzlerin, EUropa zur “wettbewerbsfähigsten Region der Welt” zu machen  – was nichts anderes heißt, als dass alle Deutschland nacheifern sollen.

Die spannende Frage ist nun, ob sich Macron darauf einlässt, wenn er am Donnerstag nach Berlin kommt. Merkels Koalitionspartner SPD hat schon Nein gesagt, folgt nun das “Non” aus Paris?

Oder geht Macron darauf aus taktischen Gründen ein, um Zugeständnisse der Kanzlerin zu bekommen? Den Euro-Finanzminister und das Euro-Budget hat er schon so gut wie aufgegeben.

Was bleibt, sind kosmetische Änderungen, die die Eurozone nicht vor der nächsten Krise schützen dürften. Doch die kommt bestimmt – spätestens, wenn die EZB ihre Nullzinspolitik aufgibt…

Siehe auch “Altmaier stärken, Macron schwächen”

WATCHLIST:

  • Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet über die Klage eines Menschenrechts-Aktivisten aus Aserbaidschan. Anar Asaf oglu Mammadli wurde im Dezember 2013 festgenommen, kurz nachdem eine seiner NGOs einen kritischen Bericht über die Wahlen in dem Land veröffentlicht hatte. Seitdem sitzt Mammadli in Haft. Aserbaidschan wird auch mit der Ermordung der maltesischen Bloggerin D. Galizia in Verbindung gebracht, wie “Le Monde” berichtet.
  • Der türkische Sultan Erdogan will vorgezogene Neuwahlen. Die Präsidenten- und Parlamentswahlen sollen am 24. Juni stattfinden, sagte er am Mittwoch. Bislang waren die Wahlen für November 2019 angesetzt gewesen. Erdogan will damit für eine schnellere Einführung des Präsidialsystems sorgen, das ihm Allmacht verschaffen würde. Die EU hatte das Referendum über das Präsidialsystem zwar kritisiert, aber am Ende trotzdem anerkannt. Jetzt fehlen ihr die Worte…
  • Ganz genau beobachten wird die EU ab sofort auch Griechenland. Denn Athen darf neuankommende Asylbewerber nach einer Gerichtsentscheidung künftig nicht mehr auf den Mittelmeerinseln festhalten. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit könne nicht mit einem öffentlichem Interesse gerechtfertigt werden, erklärte der Staatsrat. Jetzt fürchtet Brüssel um den Flüchtlingsdeal – kann der faustische Pakt mit Erdogan ohne Gefängnisinseln funktionieren?

WAS FEHLT:

  • Giftgas made in Belgium. Mehrere Dutzend Tonnen chemischer Produkte, deren Export untersagt war, sind nach 2013 aus Belgien nach Syrien ausgeführt worden – mit Billigung der belgischen Behörden. Das meldet “Le Soir”. Wir erinnern uns, dass auch Deutschland lange Komponenten für Giftgas nach Nahost exportiert hat – und die EU schaut zu!
  • Die “Zombies” Juncker und Selmayr. So hat der Chef der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Lambertz, den Kommissionschef und seinen ewig grinsenden Helfer genannt, nachdem das Parlament einen kritischen Untersuchungsbericht veröffentlicht hatte. Denn politisch sind beide erledigt – wie auch schon in diesem Blog zu lesen war.

Siehe auch “Game over” und “Das Selmayrgate endet als Farce”