Merkel läßt May abblitzen
Wie eine Bittstellerin mußte Britanniens Premierministerin May beim EU-Gipfel ihre Wünsche vortragen. Doch die EU-Chefs zeigten kaum Verständnis für die parlamentarischen Hürden beim Brexit-Vertrag. Kanzlerin Merkel ließ May abblitzen.
Was als freundlicher Austausch gedacht war, geriet zum Debakel. Die Stimmung sei “sehr schlecht” gewesen, hieß es aus EU-Kreisen. Merkel habe May während ihres Vortrags mehrfach unterbrochen und zu Präzisierungen aufgefordert.
Die Kanzlerin ließ die Britin sogar auflaufen. Als May forderte, ein Enddatum für den Backstop festzulegen – sie sprach von Dezember 2021 – lehnte Merkel das rundheraus ab.
Nach der frostigen Runde setzten die EU-27 eine Erklärung auf, die May im Machtkampf in London kaum helfen dürfte – im Gegenteil. Denn “Neuverhandlungen” werden in dem EU-Papier ausdrücklich ausgeschlossen.
Die EU sei aber “fest entschlossen”, mit London schnell Verhandlungen über einen Partnerschaftsvertrag aufzunehmen, um den Backstop doch noch zu verhindern. Die Auffanglösung solle nur “so lange wie unbedingt erforderlich” in Kraft bleiben.
Wenn das Bonbons sein sollen, dann schmecken sie ziemlich sauer. Säuerlich äußerten sich nach den Brexit-Beratungen auch mehrere EU-Chefs.
“Unsere britischen Freunde müssen uns sagen, was sie wollen, anstatt uns zu fragen, was wir wollen”, beschwerte sich Kommissionschef Juncker. Die Diskussion sei “mitunter nebulös und unpräzise“.
“Wir müssen auch mal wissen, was genau London will”, sagte Luxemburgs Premier Bettel. “Wir werden nicht Gipfel auf Gipfel auf Gipfel machen”, warnte er.
Doch genau das zeichnet sich jetzt ab. Nach dem Brexit-Sondergipfel im November und dem frostigen Treffen vom Donnerstagabend könnte es im neuen Jahr noch einen weiteren außerplanmäßigen EU-Gipfel geben.
Siehe auch “Die (britische) Demokratie spielt keine Rolle” und “Der starke Mann heißt Varadkar”
Peter Nemschak
17. Dezember 2018 @ 11:07
@Holly01 Sie geben eine plausible Erklärung dafür, warum sich nicht wenige Menschen auf ihrer Sinnsuche, der Sehnsucht nach Gemeinschaft, Parteien wie der AfD zuwenden. Glauben Sie, dass irgendeine Partei den Menschen die Sinnsuche abnehmen kann? Gesellschaftsdiagnostiker wie unter anderen der Wiener Soziologe A.Bogner bieten zwar treffende Analysen (Aktivitätsgesellschaft), haben aber auch keine Therapie anzubieten. Tröstlich dagegen Voltaire, wenn er meint, dass jede Krankheit ihre eigene Medizin erzeugt. Wäre dem nicht so, hätte die Menschheit bisher nicht überlebt.
Holly01
17. Dezember 2018 @ 14:06
Wir haben ja “Lösungen” ;-P
Der Positivismus zum Beispiel. Europa hat die halbe Welt in Trümmer gelegt oder vergiftet oder brandgeschatzt, aber wir haben uns die Meinung erhalten das wäre Fortschritt.
Noch besser: Es gibt Eliten die behaupten es sei alles im göttlichen Ablauf festgelegt, schon vor dem Licht, war die Fügung und darum kann man gar keine Fehler machen. Man erfüllt nur das Schicksal.
Und als Steigerung: Wer Reich ist und die Erde noch rücksichtsloser ausbeutet, der kommt in den Himmel, denn wem Gott schon auf Erden die Sonne aus dem Gesäß leuchten lässt, der ist im Buch der Vorsehung als Himmelskind ausgezeichnet.
Sie sehen, der Mist den man sich selbst einredet, muss nur oft genug wiederholt werden und groß genug sein, dann kann man sich das ganze Leben am eigenen Ausfluss schön saufen.
Oder vulgo: “Eure Armut kotzt mich an” aber meinen Reichtum finde ich geil……
Alles wird gut, nicht für Alle, nicht sofort, nicht überall, aber irgendwie und irgendwo, vielleicht, für Einige, aber ganz sicher zu Lasten vom Rest.
vlg
Peter Nemschak
16. Dezember 2018 @ 11:25
Die EU ist ein gemildert anarchisches Staatensystem, in seinem Verhalten anarchischer als ein Bundesstaat, aber in sich weniger anarchisch als die Staaten in ihrem Verhalten untereinander auf der internationalen Bühne. Interessensvielfalt und das Streben der Akteure nach Macht treibt das System vor sich her.
Holly01
16. Dezember 2018 @ 14:46
Also wenn ich das als Grundlage nehme:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anarchismus
dann ist die EU alles mögliche, nur nicht anarchisch.
Es ist ein Kunstgebilde, wie jedes Zusammenleben von Menschen.
Es wird gelenkt, gesteuert, manipuliert und gezwungen.
Es wäre die beste aller Illusionen, würden die Menschen glauben, es wäre ein Ort der Selbstverwirklichung.
Tatsächlich ist es natürlich eine Umverteilungsmaschine und ein Kontrollinstrument.
Über das “wer”, “wie” und “warum” kann man vortrefflich streiten….
vlg
Peter Nemschak
16. Dezember 2018 @ 16:12
Ist es innerhalb eines Nationalstaats soviel anders als in der EU mit der Illusion der Selbstverwirklichung? Zumindest ist die EU in der Wahrnehmung weiter weg als der Nationalstaat.
Holly01
17. Dezember 2018 @ 00:11
Die Selbstverwirklichung setzt eine Selbstbestimmung voraus. In Zeiten in denen wir historisch entwurzelte, moralisch relativierte und inhaltlich dehnbare Individualisten geworden sind, die immer nach dem kleinsten Übel und dem größten Gewinn suchen, ist Selbstbestimmung so, wie Wildwasser Kanu fahren.
Man ist irgendwie unterwegs hat auch irgendwie den Kopf über dem Wasser, aber der Rest ist eher beliebig und unvorhersehbar.
Menschen sind Bauchwesen, die jeden Tag Verträge schließen und so tun, als wären sie Kopfwesen, die voll verantwortlich Risiken abwägen und rational entscheiden.
Unser derzeitiges Menschenbild ist eine einzige Illusion.
Da ist die Gesellschaftsform völlig egal…….
Diese Illusion ist für unsere weltweiten Eliten aber ein „Segen“.
Man stelle sich vor, die Menschen würden anfangen sich selbst und die Gesellschaft inhaltlich zu hinterfragen.
„Qui bono?“
Die größere Hälfte der Gesellschaft müsste die Brocken sofort hinschmeißen.
Die größere Hälfte der Gesellschaft führt Leben, die ihnen nichts bringen.
Geboren nackt, gelebt mit Schulden gestorben nackt.
vlg
Peter Nemschak
14. Dezember 2018 @ 16:41
Das Mehrheitswahlsystem im UK hat tendenziell immer zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen, weil die Bildung von Koalitionen selten erforderlich war. Die Gesellschaft ist an “the winner takes it all” gewöhnt und sollte auch bei einer knappen Mehrheit pro EU nicht notwendigerweise revoltieren. Ob die Bürger aus den bisherigen Ereignissen lernen werden, bleibt dahingestellt. Seit dem letzten Referendum sind viele Alte gestorben und Jungwähler nachgerückt. Dies und der Umstand, dass die Jungen besser gebildet sind als die Alten, könnte sich positiv auf die EU-Affinität des UK auswirken.
Holly01
14. Dezember 2018 @ 19:35
Die EU kann nur sehr wenig Vorteile wirklich als gegebene Vorteile in die Waagschale werfen.
– Jeder mag so sein wie Er/sie/es will und mit wem er/sie/es will und wo er/sie/es will. Es gibt weder rechtliche noch inhaltliche Nachteile.
– Die Völker (im Gegensatz zu Staaten, also zB, Schwaben oder Franken, nicht Bayern oder gar Deutsche) können so sein wie sie mögen, so lange der Rest davon nicht “zu sehr” betroffen” ist.
– Die Entscheidungen fallen dort, wo sie notwendig sind, also in der kleinstmöglichen Verwaltungseinheit, weil da der höchste Bedarf und die größte Kompetenz vorhanden sind.
– Die Entscheidungen fallen transparent und sind inhaltlich nachvollziehbar.
– Die Geldausgaben sind transparent und nachvollziehbar.
DAS sollte die EU sein. Diese bescheuerten 50,2% kleinstes Übel Entscheidungen haben von diesen Grundsätzen kaum etwas übrig gelassen.
Die EU wie sie sich zur Zeit realpolitisch (oder ist das Realsatire?) darstellt ist für überhaupt niemanden gut. Deutschland ist ein großes Problem oder genauer die die sich für die deutsche Elite halten sind ein großes Problem.
Ein UK das nur drin ist, um nicht “out” zu sein, ist keine Hilfe, das ist nur ein Sargnagel mehr mehr. Da halte ich denen lieber die Tür auf und schubs die kräftig wenn die nicht endlich das Gehampel der letzten 50 Jahre beenden, damit wir die endlich los sind.
Vergleichbare Verhältnisse für Wallisen, Schotten, Katalanen, Schlesier, Westfalen sind ok.
Vergleichbare Verhältnisse für Italien, Griechenland und Deutschland sind ok.
So ein dämlich, egoistisches Verhalten wie bei den Briten oder genauer den Engländern braucht keiner und will auch keiner.
Die CoL ist das EU Instrument ok, vielleicht sogar willkommen.
Als Waffe der englischen Elite gegen den Rest der Welt, ist das ein Kapitel das beendet und zerstört werden MUSS.
Lasst das dämliche Volk gehen meine ich. Sollen sie so leben wie sie es wollen. Als eines der 5 eyes mit den special relationships und der tollen Vergangenheit die sie sich zusammenlügen. Die stehen ja auf rauhe Kreuzsee. Können sie haben ….. davon gibt es genug auf der Welt.
Willkommen in der einsamen Realität. Deutschland geht es in der EU nicht viel besser. Zumindest ist unsere Elite (noch nicht) dämlich genug die EU in Frage zu stellen.
Vielleicht ist das die Lehre aus dem Brexit für Deutschland. Eine Portion Realität, die dieses Mal unseren Kopf kostet.
vlg
Holly01
14. Dezember 2018 @ 13:14
Die Taktik ist doch ganz einfach. May spielt auf Zeit und hofft das sich genug Druck aufbaut, damit es zu Zugeständnissen kommt.
Die kann sich schlicht nicht vorstellen, das die EU hart bleibt und sie zu den USA muss.
Die Briten denken tatsächlich sie seien wichtig, dabei sind die nur übergewichtig.
Mir tun nur die Menschen leid. Das die Elite so richtig hart auf das große Mundwerk fällt, ist sehr sehr ok.
vlg
Peter Nemschak
14. Dezember 2018 @ 13:55
Der politische Prozess hat eine faszinierende Eigendynamik gewonnen. Personen sind dabei sekundär geworden. ob der Prozess in einem harten BREXIT oder in einem zweiten Referendum mit ungewissem Ausgang endet, wird man sehen. In jedem Fall wird die jeweils kleinere Hälfte der Wähler unzufrieden sein.
Holly01
14. Dezember 2018 @ 16:13
Es dürfte Konsens sein, das das UK einen massiven Schaden nehmen wird. Egal wo die wenigen Prozente Majorität sitzen werden, das Land wird zerrissen.
Die Gesellschaft ist schon so tief gespalten. Die Folgen werden massiv sein.
Die Elite wird diesen Scherbenhaufen schon unterdrücken.
Win – win denn die Elite wird noch abhängiger, weil ja der Rückhalt schmilzt wie Schnee in der Sonne….
Das UK ist ein schönes Beispiel. Ich hoffe die Polen schauen sich das gut an.
Die Franzosen üben ja auch schon.
Alles wird gut. Ist nur die Frage für wen.
vlg