Brexit: Der starke Mann heißt Varadkar
Beim EU-Gipfel dreht sich mal wieder alles um Mrs. May. Die EU-27 wollen die britische Premierministerin ins Gebet nehmen – sie soll sagen, was sie für “Bedenken” und Wünsche” beim Brexit hat. Dabei sitzt die wahre Verhandlungsmacht ganz woanders.
Der starke Mann beim Gipfel heißt Leo Varadkar – es ist der irische Premierminister. Er war es, der sein Land in eine strategische Rolle bei den Brexit-Verhandlungen gerückt hat. Er ist es auch, der wie ein Löwe um den “Backstop” kämpft.
Ursprünglich war diese Auffanglösung nur dazu da, eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu verhindern – für den Fall, dass sich EU und UK nicht rechtzeitig auf ein neues Partnerschaftsabkommen einigen.
Dafür hätte es viele Möglichkeiten gegeben, z.B. eine handelsrechtliche Angleichung Nordirlands an Irland, wie sie zunächst auch diskutiert wurde. Doch May war dagegen. Technische Lösungen an der Grenze schloß die EU aus.
Das Patt nutzte Varadkar aus, um den politischen Preis für den “Backstop” in die Höhe zu treiben. Wo es Anfangs um das Good-Friday-Agreement ging, geht es mittlerweile ums Ganze – denn Irland hat ein Vetorecht, ohne Varadkar geht gar nichts.
Der 39-jährige Shooting Star ist so wichtig, dass ihn May vor dem EU-Gipfel unter vier Augen traf. Und er fühlt sich so mächtig, dass er offen aussprach, was viele EU-Chefs nur leise denken: May solle den Brexit fallen lassen.
Aus seiner Sicht durchaus logisch. Der Ire reizt seine Trümpfe aus, denn die EU hat sich wie ein Mann hinter ihn gestellt. Die Frage ist nur, ob Varadkar und seine EU-Follower ihr Blatt nicht überreizt haben.
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Natürlich ist die irische-nordirische Grenze wichtig, der Frieden in (Nord-)Irland darf nicht dem Brexit geopfert werden. Doch ist diese Grenze am Ende wichtiger als die britisch-französische Seegrenze, oder als Gibraltar und Zypern?
Mit all diesen Ländern wird UK durch den Brexit Probleme bekommen. Der Streit um Gibraltar hätte beinahe sogar den Austrittsvertrag gesprengt. Und bei einem “harten” Brexit droht Chaos im Ärmelkanal, in Dover und Calais.
Man kann es auch anders formulieren: Ist Irland, oder der Backstop für Irland, wichtiger als der nun immer wahrscheinlichere “harte Brexit”, der ALLE EU-Länder treffen würde? Lässt sich die EU von Varadkar vor den Karren spannen?
Kleopatra
14. Dezember 2018 @ 01:10
Irland und Großbritannien sind nicht umsonst gleichzeitig der EWG (= später EU) beigetreten. Die EU-Mitgliedschaft Irlands macht nicht viel Sinn, wenn Großbritannien nicht ebenfalls drin ist, und solange GB dazugehört, muss auch Irland dabei sein. Aber schon die bei der Kommission gewälzten Idee, wie man Häfen in Belgien ausbauen könnte, damit Waren aus Irland zu Schiff um GB herum in die Festlands-EU gebracht werden können, zeigt die absurden Konsequenzen.
Im Grund ist für das “Karfreitags-Abkommen” mit dem britischen EU-Austritt (solange Irland GB nicht folgen will) die Geschäftsgrundlage entfallen; und Irland ist ja eigentlich gegenüber seinen EU-Partnern verpflichtet, die Grenze zu Nordirland zu bewachen und zu kontrollieren. Wenn GB vernünftig verhandelt, sollten sie (zumindestens für die Öffentlichkeit) die schlimmsten Grenzvarianten in Irland kaltschnäuzig lächelnd in Kauf nehmen.