Krieg gegen Iran: Einige geopolitische Implikationen
Seit einer Woche greift Israel den Iran an – bisher ohne durchgreifenden Erfolg. Was sagt das über Israel und die USA, und welche Folgen hat es für die anderen Großmächte?
Wenn wir uns strikt an die Chronologie halten, so ist Israels Angriffskrieg eine Klatsche für US-Präsident Trump. Schließlich begann er kurz vor neuen, US-geführten Verhandlungen über Irans Atomprogramm.
Netanjahu habe Trump nicht nur vorgeführt, sondern sogar in der Hand, meinen einige Experten. Andere behaupten, Trump spiele ein doppeltes Spiel – er habe den Iran getäuscht, um Israel den Angriff zu erleichtern.
Doch nun läuft der Krieg nicht wie erwartet. Weder wurden alle iranischen Nuklearanlagen zerstört, noch ist das Mullah-Regime gestürzt. Zudem fügt das iranische Militär Israel empfindliche Schäden zu.
Daraus lässt sich ableiten, dass Israel sich übernommen hat und auf US-Hilfe angewiesen ist. Allerdings sind die Kriegsziele von Netanjahu und Trump immer noch unklar; jeden Tag kommen neue Claims.
Ziemlich schwach sieht auch Russland aus. Kremlchef Putin sieht tatenlos zu, wie sein Alliierter Iran angegriffen wird. Moskau und Teheran haben zwar keinen Beistandspakt, doch Putin braucht Waffen aus Iran.
Fast sieht es so aus, als werde hier das alte Programm der Neocons umgesetzt. Neben Irak und Syrien hatten sie von Anfang an auch Iran auf ihrer Abschussliste. So gesehen, wird Russland in die Enge getrieben.
Andererseits gerät durch Israels Angriff der Krieg um die Ukraine in den Hintergrund, was Russland zu neuen, härteren Attacken nutzt. Putin kann also zumindest einen taktischen Vorteil verbuchen.
Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg?
Unklar ist die Rolle Chinas. Peking hat zwei Schiffe zur Aufklärung in die Region geschickt, hält sich ansonsten aber raus. Doch wie lange noch? Auch China, das auf billiges Öl aus Iran angewiesen ist, fühlt sich von den USA herausgefordert…
Ob sich aus dieser explosiven Gemengelage der 3. Weltkrieg entwickelt, wie J. Sachs fürchtet, bleibt abzuwarten. Trump könnte auch einen Rückzieher machen; im Idealfall könnte er sogar Netanjahu zurückpfeifen.
Klar ist nur, dass die EU ein weiteres Mal an den Rand gedrängt wird. Die Verhandlungen, die die EUropäer in letzter Minute mit Iran führen, sind zum Scheitern verurteilt, sie sollen wohl vor allem als Alibi dienen…
Siehe auch Im Iran droht der Irakkrieg 2.0 – und wieder versagt EUropa
P.S. Rund 36 Stunden nach Erscheinen dieses Beitrags haben die USA Iran angegriffen. Damit bestätigt sich die o.g. Vermutung, dass Israel sich übernommen hat und auf US-Hilfe angewiesen ist. Allerdings sind die Kriegsziele von Netanjahu und Trump immer noch unklar; jeden Tag kommen neue Claims. Fast sieht es so aus, als werde hier das alte Programm der Neocons umgesetzt. Neben Irak und Syrien hatten sie von Anfang an auch Iran auf ihrer Abschussliste.
Guido B.
21. Juni 2025 @ 14:54
Die Leader des Westens stehen jetzt vor der Frage, was es für die Zukunft der “Golden Billion” bedeutet, wenn sie in diesem kritischen Moment der Weltgeschichte Schwäche zeigen.
Russland wehrt sich gegen die NATO-Erweiterung. Der Iran wehrt sich gegen die Atommacht Israel. BRICS wehrt sich gegen den westlichen Führungsanspruch im Welthandel. Es liegt auf der Hand, was jetzt die existenzielle Herausforderung des Westens ist: Gemeinsam Stärke zeigen und die Rebellion mit allen Mitteln niederschlagen.
Trump muss sich jetzt festlegen. Will er die Weltherrschaft der “Golden Billion” verteidigen und in den Krieg ziehen, oder will er sein Wahlversprechen einlösen, die USA wieder revitalisieren, sich mit einer multipolaren Welt arrangieren und die Ukraine und Israel ihrem Schicksal überlassen?
Trump ist in diesen Tagen einem enormen Druck ausgesetzt ist. UK, EU, Israel, die Neocons – sie alle wollen die “Golden Billion” verteidigen und die Rebellion niederschlagen. Heisst: Russland und der Iran müssen militärisch besiegt werden. Der herausgeforderte “Club der Demokratien” erwartet von den USA unbegrenzten militärischen Support.
Trump ahnt, dass die Zeit der Deals vorbei ist. In der Geopolitik wird nach anderen Regeln gespielt. Hier geht es nicht um Win-Win, sondern um Sieg oder Niederlage. Wenn die Privilegien und der Dominanzanspruch der “Golden Billion” auf dem Spiel stehen, muss die NATO jetzt die “Drecksarbeit” erledigen. Die Rebellen müssen zurück in die Steinzeit bombardiert werden. Wird Trump die großen Bomben auspacken?
Es geht hier nicht um Good Guys vs. Bad Guys. Es geht um Master vs. Slaves.
Ich denke, dass Trump den Ernst der Lage versteht. Darum hat er sich Bedenkzeit ausbedungen.
Die “Golden Billion” hat jedoch ein kleines Problem. Die Feuerkraft der “Slaves” reicht heute aus, um die gesamte “Golden Billion” auszulöschen.
Vielleicht ahnt Trump auch, dass alle im selben Boot sitzen – die “Masters” und die “Slaves”. Und dass es unter diesen Umständen besser ist, die feindselige Rhetorik herunterzufahren und nach einem friedlichen Modus vivendi zu suchen. Das wäre dann die Win-Win-Lösung, wie man sie unter erfolgreichen und wohlhabenden Kaufleuten anzustreben pflegt.
Möge “Trump, der Kaufmann” in den kommenden Tagen über “Trump, der Krieger” siegen!
Zum Teufel mit den enthirnten “Golden Billion”-Bellizisten!
G. Biland
22. Juni 2025 @ 11:45
Die Frage, welcher Trump sich durchsetzen werde, hat sich am 22. Juni beantwortet. Es ist Trump, der Krieger. Der Westen sucht den Weltkrieg auch militärisch.
Michael Conrad
21. Juni 2025 @ 12:57
Russland braucht keine Drohnen aus dem Iran mehr. Die Shahed Drohne wird schon seit längerem in Russland in technisch verbesserten Versionen und in großen Stückzahlen produziert. Putin profitiert zudem von steigenden Öl- und Gaspreisen und kann die iranischen Lieferungen an China übernehmen. Die Weltöffentlichkeit ist abgelenkt und Russland hat jetzt weitgehend freie Hand in der Ukraine.
Für Russland bietet der israelische Angriffskrieg gegen den Iran auch politisch erhebliche Vorteile, da die doppelte Moral des Westens jetzt für den Rest der Welt noch deutlicher wird.
Sollte Trump den Fehler machen und sich von Netanyahu in ein militärisches Abenteuer hinein manipulieren lassen, dann werden die Vorteile für Russland noch größer, da dieser Fehler die USA über lange Zeit politisch und militärisch blockieren würde.
ebo
21. Juni 2025 @ 13:40
Ja klingt einleuchtend
Guido B.
21. Juni 2025 @ 08:55
Im Interview mit der Berliner Zeitung fasst Prof. Jeffrey Sachs das serielle diplomatische Versagen des Westens zusammen. Er nennt 9 Punkte:
Erstens: Die USA, nicht der Iran, haben das JCPOA (das Abkommen, mit dem der Iran sich auf den Verzicht von Atomwaffen verpflichtet, Anm. d. Red.) gekündigt.
Zweitens versprachen die USA (und Deutschland) der sowjetischen und russischen Führung im Gegenzug für die deutsche Wiedervereinigung keine NATO-Erweiterung. Dann brachen die USA und Deutschland vorsätzlich ihr Versprechen.
Drittens wusste Deutschland (insbesondere Bundeskanzlerin Merkel) auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, dass die Einladung der Ukraine und Georgiens in die NATO rücksichtslos und destabilisierend wäre, fügte sich aber stillschweigend der US-Forderung.
Viertens verschworen sich die USA im Februar 2014 zum Sturz von Präsident Wiktor Janukowitsch und lösten damit den Ukraine-Krieg aus.
Fünftens gab Deutschland seine Verantwortung zur Verteidigung des Minsk-II-Abkommens im Normandie-Rahmen auf, als die USA Deutschland aufforderten, Minsk II zu ignorieren.
Sechstens sprengten die USA die Nord Stream-Pipeline, nachdem sie wiederholt versprochen hatten, die Pipeline zu beenden, unter anderem durch Biden in einer Pressekonferenz am 7. Februar 2022 in Anwesenheit von Bundeskanzler Scholz.
Siebtens veranlassten die USA im April 2022 den Abbruch eines fast abgeschlossenen Friedensabkommens zwischen Russland und der Ukraine.
Achtens begehen Israel und die USA in Gaza einen regelrechten Völkermord.
Neuntens: Israel und die USA erledigen nicht die „Drecksarbeit“ Deutschlands, sondern bringen die Welt in Wahrheit einem Atomkrieg näher – ein eklatanter und vulgärer Verstoß gegen die UN-Charta.
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/us-professor-jeffrey-sachs-wir-stehen-kurz-vor-einem-weltkrieg-li.2335038
Helmut Höft
21. Juni 2025 @ 07:40
Tzja, man fragt sich auch, wo das kleine Land Israel diese Mengen an Treibstoff und Kriegsmaterial herholt. Vermutlich wird das alles im Negev auf Plantagen gezüchtet?
Und es ist wieder mal soweit: In den Krieg hinein: “Hurrra!!” Welches Ziel: “Naja, plattmachen und so!” Wie dann wieder aus dem Krieg heraus wenn plattmachen nicht so richtig funzioniert? “Öhh! Woher soll man das wissen? Vllt. geht da irgendwas mit Friedensnobelpreis oder so?” (siehe z. B. Kissinger, Obama, die €U …)
Guido B.
20. Juni 2025 @ 19:04
Wir befinden uns bereits im dritten Weltkrieg. Westliche Sanktionen und Sekundärsanktionen sind ein Kriegsmittel, um die Machtansprüche des Westens mit Gewalt durchzusetzen. Sie wirken sich immer schädlicher auf den Welthandel aus.
Auch der Informationskrieg ist inzwischen global.
Es braucht auch nicht mehr viel, bis Atommächte zu Kriegshandlungen übergehen. Sowohl die Ukraine als auch Israel arbeiten seit Jahren beharrlich auf einen massiven Kriegseinsatz der USA hin. Netanjahu und Selenski gehören zu den ganz großen Brandstiftern, interessanterweise beide jüdischer Abstammung (was natürlich Zufall sein kann).
Wir haben es überall mit Fanatikern zu tun. Auch die Medien sind mittlerweile durchsetzt mit Fanatikern. Die besonnenen Kräfte wurden zum Schweigen gebracht.
Um Lindsey Graham zu zitieren: “Game on.” Dabei sollten wir aber nicht nur für Israel beten, sondern für die vielen Milliarden von Menschen, die noch nicht vollends fanatisiert sind.
Graham ist der Inbegriff für eine völlig fanatisierte Elite. Dazu gehören auch Exemplare wie von der Leyen, Kiesewetter, Merz, Kallas usw. Wenn solche Fanatiker über Krieg und Frieden entscheiden, hat der Frieden keine Chance.