“Keine Zäsur”
Die alte Bundesregierung hat eine Klatsche bei der Bundestagswahl bekommen – doch ein Umdenken in der Europapolitik scheint dies (noch) nicht zu bewirken.
Die Wahl sei “keine Zäsur”, Berlin stehe auch nicht auf der Bremse, behauptet Merkel-Sprecher Seibert. Eine glatte Lüge. Natürlich ist diese Wahl ein Einschnitt, gerade für die Europapolitik.
Merkels und Schäubles heillose Euro-Rettung hat die FDP zerrissen und das bürgerliche Lager in Deutschland gespalten. Die Kanzlerin verfügt heute über keine Mehrheit mehr.
Zudem blockiert diese Regierung seit Monaten jeden Fortschritt in der Europapolitik. Besonders bei der Bankenunion steht sie auf der Bremse. Durch die Koalitionsverhandlungen drohen nun weitere Verzögerungen.
Merkels Sprecher hätte besser geschwiegen. Mit seinem realitätsfernen Kommentar bringt er Brüssel gegen sich und seine Chefin auf. – Mehr zum Thema hier
Mein Eindruck ist, gerade im Süden Deutschlands und bei Älteren konnte Merkel mit ihrer Europapolitik punkten, in abgrenzung zu einer völlig diffusen und unglücklichen position bei SPD und Grünen, die in den Medien plump als “die wollen noch mehr geld ausgeben” übersetzt wurde. Die Makroökonomie und die politischen Implikationen der Eurozone kamen überhaupt nicht in den Blick. Vielleicht sind die Zusammenhänge auch schlicht zu komplex für einen Wahlkampf, in dem am Ende das Gefühl dominierte, und das doch sehr eindeutig zugunsten Merkels (ganz knapp an der absoluten Mehrheit vorbei! Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen!).
Wenn wie Du sagst viele Deutsche mit der Eurorettung unzufrieden sind, dann sind das doch großteils diejenigen,die einen noch ‘nationalkonservativeren’ Kurs wollen, also eher in Richtung AFD denken. Jedenfalls haben die Wähler doch nun wirklich nicht gesagt: wir wollen eine linkere Europapolitik (Schuldentilgungsfonds, Eurobonds, Wirtschaftsregierung…). Das lässt sich aus diesem Ergebnis beim besten Willen nicht ableiten. Es gibt eine bürgerlich-konservativ-rechte Mehrheit (FDP und AFD mitgezählt) in der Eurofrage, auch wenn der Bundestag sie nicht abbildet. Das muss man bedauern, aber es ist doch einfach nicht wegzuleugnen.
Und ob der Absturz der FDP der Europapolitik geschuldet ist, wage ich mal zu bezweifeln. Die gebrochenen Versprechen, die anti-liberale Lobbypolitik, das Personal – es gab so viele Gründe diesen Haufen nicht zu wählen.
Also für mich folgt aus dieser Wahl, dass Merkel gerade wegen ihrer Europolitik gewonnen hat (was hatte sie denn sonst zu bieten? eben).Und hätte sie eine ‘linkere’ Europolitik gemacht (Marshall-Plan oder Ähnliches), wäre die AFD doch noch größer geworden. Man könnte sagen, sie hat das bürgerliche Lager in der Eurofrage nicht zerissen, sondern gerade noch so (durch totschweigen aller probleme und der AFD) bei der Union und hinter sich versammelt.
Also im Grunde muss Merkel wahltaktisch überhaupt nichts an ihrer Europolitik ändern. Bleibt zu hoffen, dass die SPD in einer großen Koalition für etwas mehr ökonomische Vernunft sorgt, aber das steht auf nem andern Blatt.