Letzte Hoffnung SPD

Wenn man den offiziellen Bekundungen glauben wollte, dann wäre Angela Merkels Wahlsieg das Beste, was dem krisengeschüttelten Europa passieren konnte. Die EU-Chefs überboten sich geradezu mit herzlichen Glückwünschen und servilen Ergebenheits-Adressen.

Das war aber vor allem für den diplomatischen Gebrauch. Hinter vorgehaltener Hand wurden in Brüssel in diesen Tagen viele bange Fragen laut:

  • Was bedeutet das unerwartet starke Abschneiden der AfD für die Europapolitik – vor allem 2014, wenn die deutschen Eurogegner ins Europaparlament einziehen könnten?
  • Wird Merkel nun endlich ihre Blockadehaltung in vielen zentralen Fragen der Eurokrise aufgeben?
  • Und last not least: Kommt nun endgültig das „deutsche Europa“?

Vor allem die Südeuropäer haben Angst vor einer deutschen Übermacht und dem neuen „Merkiavellismus“ – Merkels Mischung aus Nonchalance und eisernem Machtwillen. Sie fürchten, auf dem Altar der Austeritätspolitik geopfert zu werden.

Doch auch die EU-Chefs in Brüssel haben Grund zur Sorge. Kommissionspräsident Barroso muss nun fürchten, dass viele Reformen – etwa im Klimaschutz für Neuwagen oder in der Energiepolitik – endgültig am deutschen Veto scheitern.

Zudem könnte die Brüsseler Behörde zum Papiertiger schrumpfen, wenn Merkel ihre Drohung wahrmacht, der EU Kompetenzen zu entziehen und wieder mehr zuhause in Berlin zu entscheiden.

Selbst das Europaparlament könnte an Macht verlieren. Schon jetzt ist die ursprünglich geplante groß angelegte Kampagne für die Europawahl im Mai nächsten Jahres ins Wasser gefallen.

Denn Merkels Konservative haben mit Rücksicht auf den deutschen Wahlkampf nicht einmal einen Spitzenkandidaten benannt. Sie warten auf Mutti…

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es aber dennoch: Sollte Merkel eine große Koalition mit der SPD eingehen,  dann könnte es immerhin ein paar Lockerungsübungen geben.

Schließlich hatte Merkel nach Beginn der Finanzkrise ja auch in große Konjunkturprogramme eingewilligt. Erst nach dem Abgang der SPD und dem Einzug der FDP in die Regierung schwenkte sie auf eine harte neoliberale Linie.

Allerdings waren die Konjunkturprogramme nur möglich, weil Frankreich Druck machte. Damals war es Merkels konservativer Lieblingspartner Sarkozy, der den Politikwechsel durchdrückte und einen Absturz der europäischen Wirtschaft verhinderte.

Seinem schwachen sozialistischen Nachfolger Hollande traut dies in Brüssel kaum jemand zu. Aber vielleicht hilft ja die SPD ein wenig nach?

Dies ist die gekürzte Fassung eines Artikels, den ich in der “taz” veröffentlich habe. Originaltitel: “Angst vor Berlin”.