Keine Lösung für Gaskrise, kein Wort zur Atomkriegs-Gefahr – aber neuer Club
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Der EU-Gipfel hat immer noch keine Lösung für die akute Gaspreis-Krise. Europa schweigt weiter zur wachsenden Atomkriegs-Gefahr. Und in Prag gründet sich ein neuer Club – die “Europäische Politische Gemeinschaft” (EPG).
Die großen Themen der vergangenen Woche waren die Gaspreis-Krise und der deutsche Alleingang beim “Doppelwumms”, die Atomkriegs-Gefahr und die Gründung der “EPG” in Prag.
Beginnen wir mit der “Cocktail-Party” (so ein EU-Abgeordneter) der EPG auf der Prager Burg: Die Stimmung war gut, das Ergebnis nicht der Rede wert. Es gab keine Beschlüsse, nicht einmal gemeinsame Statements.
Nach dem Treffen der 44 Staats- und Regierungschefs ist immer noch nicht klar, ob die EPG nun eine Ergänzung zur EU ist – oder eine “geopolitische” Alternative sein soll.
Wächst da ein “neues Europa” – oder zerfällt das alte? Geht es vielleicht einfach darum, der EU eine erweiterte Einflusszone zu sichern, auch ohne Erweiterung?
Und was wird mit Russland und Belarus, die nicht eingeladen waren? Wollen wir sie wirklich zu Paria-Staaten machen und in die Arme Chinas treiben, ob besinnt man sich doch noch eines Besseren?
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Diese Frage kann wohl erst nach dem Ukraine-Krieg geklärt werden. Er ist diese Woche weiter eskaliert – mit dem Attentat auf die Kersch-Brücke und der Forderung nach einem atomaren “Präventivschlag” der Nato.
Präsident Selenskyj will das zwar nicht so gemeint haben, doch die Drohung mit der Nato steht im Raum. Auch der frühere US-General Petraeus hat mit einem vernichtenden Schlag der Allianz gedroht.
Und was sagt die EU dazu? Nichts. Obwohl sie sich in Prag als “geopolitischer” Akteur profilieren wollte, kneift sie vor den großen strategischen Fragen. Obwohl es um einen Atomkrieg in Europa geht, schweigt die EU.
Vielleicht ist es auch besser so, wenn man sich das Versagen in der Energiekrise ansieht. In Prag konnten sich die 27 zum wiederholten Male nicht auf gemeinsame Maßnahmen gegen die Gas(preis)krise einigen.
Vor allem Deutschland stand auf der Bremse – Kanzler Scholz plant einen nationalen Alleingang mit seinem “Doppelwumms”. Dass 15 EU-Länder einen Gaspreisdeckel fordern, schert ihn offenbar einen feuchten D…
Und so endet diese Woche mit dem Bild einer handlungsunfähigen Union, die ihre Bürger und Unternehmen in der größten Krise seit dem 2. WK allein lässt, sich dafür aber fröhlich in der Prager Burg feiert…
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Trumps Ukraine-Deal erschüttert EU und Nato
Die Nachricht vom geplanten Ukraine-Deal zwischen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin ist in Brüssel wie eine Bombe eingeschlagen.

Krieg um die Ukraine: Zwei neue Hardliner bei der Nato
Nach dem Machtwechsel in Washington sah es zunächst so aus, als würde die Unterstützung für die Ukraine nachlassen. Doch bei der Nato zeigt sich ein ganz anderes Bild.

Schlag gegen “freie” Medien in der Ukraine, Georgien und Moldau
US-Präsident Trump will die Regierungsagentur USAID abwickeln und Hilfsgelder streichen. Das hat unerwartete Nebenwirkungen bei den EU-Beitrittskandidaten in Osteuropa.
Holly01
9. Oktober 2022 @ 12:48
@ european + @ Robby:
Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, wer diese Verluste nicht einfahren wird:
Die 0,1% deutschen Geldinhaber.
DIESE Krise wird knall hart durchlaufen.
Die USA/NATO wollten das so.
Jetzt kommt das so.
Diese Industrien werden schließen, für immer.
Mit allen Folgen.
Deutschland braucht die Energie überhaupt nicht mehr, die Verbraucher sind weg bzw. verbrauchen auf dem Niveau das die bezahlen können.
Dann werden die Karten ganz neu gemischt.
… und ich bleibe dabei. Deutschland ist im Krieg. Also richtiger Krieg, auf allen Ebenen, nur ohne Pulverrauch, aber den braucht man auch nicht.
Der Euro wird komplett abrauchen, was den Außenwert angeht.
Die USA haben nun die Bringschuld zu beweisen, das der “Plan” der ja nun klasse aufgegangen ist nicht absoluter Mist ist (ja auch für die USA, denn außer Europa hat die keine Vasallen mehr, der Rest hat sich gerade frei gemacht).
Dann sollen die USA mal zeigen wie den großen Krieg ohne industrielle Basis betreiben wollen.
In Europa werden auf absehbare Zeit keine finanzierbaren Waffen mehr produziert.
european
9. Oktober 2022 @ 14:00
@Holly01
Ich stimme Ihnen zu. Die Politik der letzten Jahre, verstärkt nach der Finanzkrise aber auch schon vorher, hat dazu geführt, dass einem Prozent der Menschheit 60% des Weltvermögens gehört. Tendenz steigend. Und dieses eine Prozent wird seine Macht und seine Verbindungen nutzen, um diese Steigerung weiter voranzutreiben. Verluste sind keine Option.
Warren Buffett drückte es 2005 so aus:
„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“
Die Frage, die wir uns stellen müssen ist aber m.E. eine andere:
Wenn diesem einen Prozent irgendwann nahezu 100 Prozent gehören, wozu werden dann die 99 Prozent der Menschheit noch gebraucht? Sie bringen keinen Mehrwert mehr ein, sondern sind nur noch Belastung. Da öffnen sich ganze Bandbreiten von Diskussionsfeldern die jede Menge Stoff für die abartigsten Gruselromane.
Holly01
9. Oktober 2022 @ 12:16
Ein paar Grundlagen aus einer “nicht deutschen” Sicht:
” https://braveneweurope.com/michael-hudson-the-euro-without-german-industry “
Robby
9. Oktober 2022 @ 02:35
Das Problem beim „Doppelwumms“ ist, dass man den auch einmal abzahlen muss.
Wie geht das ohne einer leistungsfähigen Volkswirtschaft, sprich Industrie?
Holly01
9. Oktober 2022 @ 10:14
@ Robby:
Das ist der Unterschied zwischen Staaten und Privatpersonen.
Staaten zahlen ihre Schulden nicht zurück.
Das ist überhaupt nicht vorgesehen und würde das Geldsystem vor große Probleme stellen.
Wenn “european” hier immer wieder fragt “Wer soll die Schulden machen” meint Sie dieses Problem.
Irgendwo müssen immer die Schulden landen, welche langfristig im sinkenden Geldwert und in der ständigen Umschichtung der Schulden verschwinden.
Also: Ein (normaler Staat) zahlt seine Schulden NIE zurück. Das sind alles nur nominale Werte.
Der Klassiker:
Wenn 10 Leute sich je 1000 Geld zu 10% Zinsen leihen, muss am Ende des Zyklus einer bankrott sein, damit die anderen 9 die Schulden bezahlen können.
Genau der Bankrotte passiert aber tatsächlich nicht.
Schulden werden immer in den nächsten Zyklus gerollt und dafür braucht man permanente Schuldner, die sich nie schuldenfrei stellen.
Die Industrie, welche sich ja schuldenfrei gestellt hat, weil es keine sinnvollen Anlagen gibt, ist also ein Problem im Geldsystem und kein Grund zur Freude.
european
9. Oktober 2022 @ 11:43
@Holly01 So ist es.
Wenn eine Regierung – hier die Bundesregierung – die Bürger immer wieder auffordert, für das Alter zu sparen, dann sollte sie genauer erklären womit. Es gibt kein Sparen ohne Schulden, selbst die guten alten Sparbücher sind Bankschulden, Aktien sind Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaften, Staaten Schuldner der Inhaberschuldverschreibungen etc.
Die Summe weltweit ist immer Null.
Deutschland hat das prima gelöst. Das Ausland macht die Schulden für uns, denn irgendjemand muss den Geldentzug durch Sparen wieder wettmachen und den Geldkreislauf wieder auffüllen. Sonst würde unsere Ökonomie binnen weniger Monate implodieren, weil der Geldkreislauf unterbrochen wäre. Siehe Finanzkrise.
Die Welt hat aber kein Ausland.
Es gäbe ja genug zu investieren. Von Staat und Privat. Kürzlich lief in Deutschland die Doku “Deutschland, das kannst du besser” – ein sehenswerter Dreiteiler über das, was im Land alles gerade so vor die Hunde geht, weil eben niemand investiert. Jedenfalls nicht genug.
Wenn also unser gefühltes Finanzgenie Lindner immer davon redet, dass der Staat keine Schulden machen soll, die Firmen gleichzeitig entlastet werden sollen (in D sind die Unternehmen im Schnitt Nettosparer), dann sollte er klären, wer die Schulden macht, damit andere sparen können. Es bleiben nur noch die Privathaushalte im Land und so eine verrückte Idee hat direkt zur Subprimekrise in USA geführt. Lauter Häuslebauer, die sich die 100prozentige Finanzierung ihrer Häuser eben nicht leisten konnten. Es braucht nur eine kleine Krise und die Dominosteine fallen um.
Wenn also die deutsche Regierung immer davon schwärmt, wie gut sie Rücklagen bildet, sollte man mal genau hinsehen, wieviel Verschuldung des Auslandes dafür nötig ist, um diese “Rücklagen” zu bilden. Denn gleichzeitig schimpfen unsere Politiker ja immer auf das “unsolide Ausland”, das sich verschuldet und auf “unsere Kosten” lebt.
Ziemlich bekloppt möchte man sagen 😉
Robby
9. Oktober 2022 @ 12:21
@Holly01
Das meinte ich ja, wenn kein Kapitalstock mehr da ist in der Volkswirtschaft wer soll dann die Schulden, bzw. die Zinsen, bedienen. Die EZB fällt ja auch aus, da der das ausdrücklich verboten ist.
european
9. Oktober 2022 @ 11:48
@Robby
Sie haben insofern Recht, weil die nächste Bundesregierung, die wahrscheinlich Schwarz-Grün sein wird, eben auf diesem grundlosen “Gürtei-enger-schnallen” bestehen wird, was nichts anderes heißt, als dass sowohl Wumms, als auch Doppel-Wumms als auch das “Sondervermögen” für die Bundeswehr insbesondere bei den Sozialausgaben wieder eingespart werden. So geschehen in und nach der Finanzkrise und so wird es auch weiter passieren. Merz und Co werden sich mit ihrer Ideologie durchsetzen und den Grünen ist diese Wählerschaft sowieso egal. Sie schöpfen ihre Wahlerfolge aus dem urbanen Gutverdiener-Milieu, e.g. mülltrennende, vegane Lastradfahrende vom Prenzlauer Berg und nicht aus den Geringverdienern in Oberhausen.
Wenn ein Land den Gürtel enger schnallt, braucht es dazu mindestens ein weiteres Land in gleicher ökonomischer Größe, das den Gürtel nicht enger schnallt.
Sehr einfach das Ganze. Aber politisch nicht verwertbar.