Kein Problem gelöst

Es ist viel los in Brüssel. Russland-Sanktionen, Türkei-Gipfel und Selmayr-Affäre halten die EU in Atem. Doch kein einziges Problem wird gelöst, ganz im Gegenteil.

Russland: Nun haben auch Belgien und Irland reagiert. Doch die Ausweisung je eines russischen Diplomaten aus Brüssel und Dublin hat höchstens symbolischen Wert. Echte Sanktionen sehen anders aus.

Zudem haben die Strafmaßnahmen die EU gespalten. Rund zehn Staaten ziehen nicht mit. EU-Kommissionschef Juncker wurde blamiert – er wollte Tauwetter mit Moskau einleiten. Nun ist wieder Kalter Krieg.

Die EU-Regeln in der Außenpolitik wurden ausgehebelt; ähnlich wie beim Euro läuft jetzt alles “intergouvernemental”, also zwischen den Regierungen. Die Außenbeauftragte Mogherini ist abgemeldet.

Türkei: Nach dem Mini-Gipfel in Bulgarien macht die Türkei der EU Vorwürfe. Er habe keine Anzeichen dafür erkannt, dass die EU künftig gerecht mit der Türkei umgehen werde, sagte Ministerpräsident Yildirim.

Gleichzeitig treibt Präsident Erdogan die Militäroffensive in Syrien voran. Türkische Truppen sollen bald in den Irak einmarschieren. Die EU hat die Chance verspielt, Erdogan rechtzeitig in den Arm zu fallen.

Demgegenüber nutzt der türkische Sultan die Gelegenheit, sich als moderaten und weltoffenen Politiker zu präsentieren. “Präsident Erdogan reicht der EU die Hand der Freundschaft”, schreibt die Zeitung “Sabah”.

Selmayr: Die Anhörung von EU-Kommissar Oettinger im Europaparlament brachte nichts Neues. Aber sie offenbarte, wie tief das Mißtrauen der EU-Abgeeordneten gegenüber der “politischen Kommission” geworden ist.

Ein niederländischer Liberaler verglich das Leugnen von Juncker und Oettinger sogar mit Trump. Oettinger konterte: „Trump ist uns in der Kommission wesensfremd, in der Haarfarbe und in anderem“. Niemand lachte.

Der deutsche Kommissar will den Streit nun mit einem „runden Tisch“ lösen. Doch damit ist die Krise nur vertagt, gelöst ist sie noch lange nicht. Das “System Juncker” liefert EU-Gegnern Argumente frei Haus…

Siehe auch mein Bericht für die taz: “Auf Trump’sche Art geleugnet”

WATCHLIST:

  • Schengen für Panzer. Kein Scherz – das will die EU-Kommission am Mittwoch vorschlagen. Während Deutschland und andere EU-Länder das Schengen-System für normale Bürger aushebeln und die Grenzkontrollen ad infinitum verlängern, soll Kriegsgerät freie Bahn bekommen. Es rollt natürlich von West nach Ost, gen Russland. Wann folgt die Kriegserklärung?
  • Ashton für die USA. Sie war die erste – und weitgehende glücklose – EU-Außenvertreterin. Nun soll Baroness Ashton das Europa-Programm im Wilson-Center in Washington leiten. Eine Britin berät die Amerikaner in Sachen EU-Außenpolitik – kann das gut gehen? Vielleicht sollte sie erst einmal den Brexit erklären, die EU-Diplomatie hat sie nie richtig verstanden…

WAS FEHLT?

  • Entlastung für Griechenland. Das hoch verschuldete Land bekommt zwar einen neuen Hilfskredit von 6,7 Mrd. Euro. Die Kredite sollen zur Tilgung alter Schulden sowie zum Aufbau eines Finanzpuffers genutzt werden. Doch der Schuldenberg ist höher denn je. Und die versprochenen Schulden-Erleichterungen lassen auf sich warten.
  • Druck auf Cambridge Analytica. Die EU-Kommission hat nun zwar Facebook ein Ultimatum gestellt. Der US-Konzern soll  innerhalb von zwei Wochen die Rolle des Unternehmens Cambridge Analytica aufzuklären. Doch die britische Firma mit besten Verbindungen zur konservativen Regierung und den Brexitern bleibt unbehelligt. Zufall? Eher nicht…