Johnson strickt an Kriegsschuld-Legende

Das erste Opfer des Krieges ist bekanntlich die Wahrheit. Auch der britische Premier Johnson nimmt es damit nicht so genau: Er behauptet, die EU trage eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine.

Europa sei nach der russischen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 nicht hart genug gegen Kremlchef Wladimir Putin vorgegangen, sagte Johnson der BBC. “Die europäischen Staaten haben ihn wieder so behandelt, als wäre er Teil der Gemeinschaft. Die Ukraine bezahlt jetzt den Preis dafür.”

Europa habe die Bedrohung nicht verstanden, die durch die Krim-Annexion entstanden sei, sagte Johnson. Deshalb trage die EU eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine.

Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Großbritannien war seinerzeit noch Vollmitglied der EU und hätte für eine andere, härtere Reaktion kämpfen können – hat es aber nicht.

Vielmehr stellten sich alle – auch die Briten – hinter (Ex-)Kanzlerin Merkel, die sich sowohl für Krim-Sanktionen als auch für ein Friedensabkommen für den Donbass einsetzte – das Minsker Abkommen war ihre Idee (gemeinsam mit Frankreich).

Doch weder die Sanktionen noch Minsk I und II haben funktioniert. Die Briten haben nichts getan, um daran etwas zu ändern – obwohl sie seit 1994 eine Garantiemacht des Budapester Memorandums für die Ukraine sind.

In diesem Memorandum haben sich neben Großbritannien auch die USA verpflichtet, die Souveränität und die bestehenden Grenzen der Ukraine zu achten und zu sichern. Getan haben sie nichts, als Russland die Vereinbarung brach.

Die Schuld liegt also, wenn überhaupt, bei Amerikanern und Briten – und nicht bei der EU, die sich um eine friedliche Lösung bemühte.

Johnson strickt an einer Kriegslegende, um die historische Verantwortung seines Landes zu vertuschen und von seiner eigenen, schwachen Reaktion auf den Krieg abzulenken.

Die britischen Sanktionen hinken immer noch den EU-Strafen hinterher, Stichwort Londongrad. Und ukrainische Flüchtlinge hat London bisher auch kaum aufgenommen. Was für eine Heuchelei…

Siehe auch “Das neue Narrativ der Neocons” und “Fake News aus London”