Führungskrise in Paris, Kriegsgipfel in Ramstein – und Leyens Flop in Neu Delhi

Die Watchlist EUropa vom 26. April 2022 –

Die Champagner-Korken haben nicht geknallt, als das Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahl in Brüssel bekannt wurde. Zwar beeilte sich die EU-Spitze, Emmanuel Macron zu seiner Wiederwahl zu beglückwünschen. Sie legte sogar ungewohntes Tempo vor.

Nur vier Minuten nach der Schließung der Wahllokale in Frankreich twitterte Ratspräsident Charles Michel schon ein „herzliches Bravo“ an den „lieben Emmanuel Macron“. Kurz darauf gratulierten auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.

Doch in die Freude über Macrons Wahlerfolg mischte sich zugleich die Sorge, dass der Präsident künftig nicht mehr so ungestört „durchregieren“ könnte wie gewohnt. Denn die EU-Gegner sind nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich längst nicht besiegt – im Gegenteil.

“Warnschuss für Europa”

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Die ersten fünf Jahre unter Macron hätten Populisten und Extreme stärker gemacht, warnt der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). “Macron ist wiedergewählt, sein politisches Konzept ist gescheitert”, so Weber.

Der europäische Grünen-Sprecher Rasmus Andresen nennt das gute Abschneiden der Rechtspopulistin Marine Le Pen einen „Warnschuss für ganz Europa“. Le Pen hatte am Sonntag rund 2,7 Millionen Stimmen mehr bekommen als beim letzten Duell mit Macron vor fünf Jahren.

Bei der Parlamentswahl im Juni könnte Le Pen sogar noch stärker werden, so die Sorge in Brüssel. Auch Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon dürfte eine Revanche versuchen. Macron werde sich deshalb in den nächsten Wochen auf die Innenpolitik konzentrieren, erwartet ein EU-Diplomat.

Im Schlepptau der USA

Für die Europapolitik ist das ein Problem. Schließlich hat Frankreich noch bis Ende Juni den sechsmonatigen EU-Ratsvorsitz inne. Und da stehen wichtige Themen auf der Tagesordnung. Der Krieg in der Ukraine, der Streit um ein Öl- und Gasembargo gegen Russland, die explodierenden Energiepreise und die Inflation rufen nach europäischen Lösungen.

Schon in fünf Wochen, Ende Mai, ist ein EU-Sondergipfel in Brüssel geplant. Wird Macron handlungsfähig sein? Wird er in der Außenpolitik wieder den Ton angeben, wie vor dem Ukraine-Krieg? Oder bleibt Frankreich, ähnlich wie Deutschland, in der Defensive? Geben künftig Polen und Balten das Tempo vor, wie im Streit um die Waffenlieferungen in der Ukraine?

Das sind nur einige der vielen Fragen, die man sich in Brüssel stellt. Sie verweisen auf ein tieferes Problem: Die EU streckt in einer Führungskrise, schon wieder. Der deutsch-französische Motor zieht nicht mehr, der alte Kontinent hängt am Schlepptau der USA und fürchtet sich vor dem Krieg…

Siehe auch “Le Pens Niederlage ist kein Sieg für die EU”

Watchlist

Was bringt der Kriegsgipfel auf der US-Militärbasis in Ramstein? Schmieden die Amerikaner eine neue Militärallianz, jenseits der Nato? Wollen sie Russland noch mehr schwächen, wie dies Verteidigungsminister Austin in Kiew angekündigt hat? Das Pentagon erwartet Verteidigungsminister und Generalstabschefs aus 20 Ländern. Zu den Teilnehmern gehört auch Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Eigentlich sollte sie gegen diese bizarre Treffen auf deutschem Boden protestieren – denn es exponiert Deutschland im Krieg. – Mehr dazu hier

Was fehlt

Der Blitzbesuch von EU-Kommissionschefin von der Leyen in Indien. Die CDU-Politikerin wollte erreichen, dass Indien von Russland abrückt, kein russisches Öl kauft und vielleicht sogar die westlichen Sanktionen übernimmt. Doch sie hat ihre geopolitischen Ziele verfehlt. Am Ende wurde nur eine engere Zusammenarbeit bei Handel und Technologie vereinbart. Doch auch das ist kein großer Deal. Seit der Vereinbarung zwischen der EU und Indien vom Mai 2021 zur Aufnahme von Freihandelsverhandlungen sei “wenig passiert”, kritisierte der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)…