Fall Böhmermann: Ein böser Verdacht
Der Fall Böhmermann, der besser Fall Erdogan heißen müsste, erregt die Republik. Was darf Satire, fragt sich halb Deutschland. Kaum jemand kommt auf eine viel näher liegende Frage.
Hier ist sie: Warum hat Kanzlerin Merkel eigentlich am Abend vor der Umsetzung ihres umstrittenen Flüchtlingsdeals mit dem türkischen Regierungschef Davutoglu telefoniert?
Und warum hat sie gleich danach, scheinbar aus freien Stücken, die Böhmermann-Satire verurteilt – und dies auch noch öffentlich gemacht? Ich habe da einen bösen Verdacht.
Es könnte doch sein, dass Davutoglu damit gedroht hat, Merkels Deal nicht umzusetzen, wenn die Angriffe auf Erdogan nicht aufhören. Und dass Merkel deshalb in der Zwickmühle saß.
Als “Kompromiss” hätte sie dann die Satire kritisiert – und Davutoglu gleichzeitig aufgefordert, den Flüchtlingsdeal nach “internationalen Standards” durchzuführen.
Schon klar, das ist reine Spekulation. Keine Spekulation ist hingegen, dass Erdogan es schon einmal mit einer ganz ähnlichen Erpressung versucht hat – und durchgekommen ist!
Mehr zu Merkels Deal hier, zu Erdogans Tricks hier und hier
Nurith Krüger
13. April 2016 @ 11:59
Ich denke, dieses ganze Theater um Böhmermann hat einen ganz anderen Hintergrund. Ich denke es geht darum, Satire generell zu kriminalisieren! Wenn ich an die Anstalt denke, die mit ihrer wichtigen und richtigen und sehr genau recherchierten Aufklärungsarbeit vor ein paar Monaten einen richtigen Skandal verursacht haben,jetzt
wird Böhmermann mit an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen in die gleiche Schublade gesteckt! Sorry Leute, aber meiner Meinung nach geht es generell darum, daß die Politiker es einfach zu einer kriminellen Handlung machen wollen, wenn ihnen der Spiegel vorgehalten wird! Täterä 2.0 eben!!
Peter Nemschak
12. April 2016 @ 09:22
@ebo Legen Sie nicht alles auf die Goldwaage, was so manche Regimes von de facto Entwicklungsländern von sich geben. Die türkische Vorwürfe disqualifizieren sich selbst. Auch hier ist eine nüchterne und gelassene diplomatische Reaktion oder Nichtreaktion gefragt. Man ist versucht die Frage zu stellen, ob für derlei Vorwürfe das Außen- oder das Salzamt zuständig ist. Wichtiger wäre die Entwicklung eines Alternativplans, falls die Übereinkunft mit der Türkei nicht die gewünschten Ergebnisse bringt. Die Sperre der Balkanroute hat, nachdem eine schnelle europäische Lösung nicht in Sicht ist, zumindest kurzfristig Entlastung gebracht, auch wenn manche sie nicht mögen.
kaush
11. April 2016 @ 18:49
Eine naheliegende Frage ist doch auch, für was brauchen wir diesen
Ҥ 103
Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten”?
Ich hatte gedacht, die Zeiten in denen Majestätsbeleidigung strafbar war, sind vorbei.
Was soll das?
Insofern: Danke für die Aktion von Böhmermann!
Peter Nemschak
11. April 2016 @ 21:07
Um nicht missverstanden zu werden, auch ich bin gegen antiquierte Paragraphen, welche den so genannten “Majestäten” besonderen Schutz gewähren. Derzeit gibt es allerdings andere Prioritäten: Reduktion des Flüchtlings- und Migrantenstroms, auch gegen den Willen so mancher NGOs im Interesse der Kohäsion der Gesellschaft. Die unabhängige Justiz soll prüfen, ob Böhmermann einen strafbaren Tatbestand erfüllt hat. Der Rest ist Geschmacksache, die jeder für sich zu entscheiden hat. Entscheidend ist eine korrekte Behandlung des Problems nach den geltenden rechtsstaatlichen Prinzipien Deutschlands.
ebo
11. April 2016 @ 21:21
Dies ist kein normales Strafersuchen. Die Türkei spricht nun schon von “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”. Und der zuständige Außenminister Steinmeier wagt es nicht einmal mehr, das Ersuchen allein zu prüfen und abzulehnen.
GS
11. April 2016 @ 16:39
Der Fall zeigt so wunderbar, wie erpressbar Merkel Deutschland gemacht hat. Ich hoffe, es zieht sich noch ein wenig!
Peter Nemschak
11. April 2016 @ 18:46
Über Geschmack lässt sich streiten, über seine Grenzen entscheidet die Justiz.
Peter Nemschak
11. April 2016 @ 15:51
Einen Wichtigmacher und einen Egomanen gleichzeitig unter einen Hut zu bringen erfordert Erfahrung und Routine. Unternehmen haben es diesbezüglich leichter: sie werfen beide in hohem Bogen hinaus. In der internationalen Politik bedarf es einer richtigen Mischung von Justiz, Diplomatie und Öffentlichkeitsarbeit, wohlverstanden erstere unabhängig von den beiden letzteren. Doppelten Verstand braucht man bei denen, die keinen haben.
ebo
11. April 2016 @ 17:06
Das Problem ist eher der Egomane und die Unberechenbare. Beide verstehen keinen Spass…
Claus
11. April 2016 @ 15:06
Wenn der Merkel-Erdogan-Deal wegen der Böhmermann-Satire geplatzt wäre oder noch platzen würde, falls Berlin nicht noch tiefer für Erdogan auf die Knie geht und ihn um Vergebung anbettelt, fände dies meine ungeteilte Zustimmung. Offenbarte es doch die Absurdität der Handlungen einer offenbar persönlichkeitsgestörten Frau und 27 weiteren EU-Staatenlenkern, die an der „Flüchtlings“-Politposse mitgewirkt haben.
Peinliche Stille bei Böhmermanns öffentlich-rechtlichen Satire-Kollegen. Da ist es immerhin ein Lichtblick, dass Mathias Döpfner von DIE WELT sich öffentlich mit Böhmermann solidarisch erklärt. Und das war es dann auch schon. Bin gespannt, wie sich Berlin aus dieser lächerlichen Kiste politisch-medial herauswindet.