Athen und Lissabon gegen Austerität
Bei drei Wahlen wurden die Regierungen in Griechenland, Portugal und Spanien wegen der Austeritätspolitik abgewählt. Nun fordern Athen und Lissabon eine Kursänderung.
Der griechische Ministerpräsident Tsipras und sein portugiesischer Amtskollege Costa unterzeichneten dazu in Athen eine gemeinsame Erklärung.
Man teile die Auffassung, dass Europa die Austeritätspolitik aufgeben müsse, heißt es darin. Beide Politiker forderten ein “progressives Europa mit sozialer Gerechtigkeit”.
Die Sparpolitik habe die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen, Armut und hohe Arbeitslosenraten verursacht und die Gesellschaften gespalten, heißt es weiter. Zitat:
Mit dem Wachstum der Armut und der sozialen Ungleichheit stehen unsere Länder und Europa vor einer langen Periode wirtschaftlicher Stagnation.
Zuvor hatte Spanien die Sparvorgaben aus Brüssel gebrochen. Und Italien fordert Ausnahmen für das laufende Budget. Wird Zeit, dass Schäuble mal wieder ein Machtwort spricht, oder?
Mehr zur Eurokrise hier
Hella-Maria Schier
12. April 2016 @ 20:09
Grüne und SPD sind keine sozialen Parteien mehr, sondern längst auf Neoliberalismus umgeschwenkt. Sie bedienen die Interessen der Superreichen wie alle Parteien, die wir gegenwärtig haben. Scheint so, als ob der politische Weg an die Regierung nicht mehr anders möglich ist und ist insofern auch fraglich, ob die Linke konsequent bleiben würde. Die ganze EU ist so organisiert, dass die Reichen aller EU-Länder profitieren und die Armen ärmer werden. Es war klar, dass die Wirtschaften zu unterschiedlich sind, als dass es mit einer gemeinsamen Währung funktionieren könnte, wenn Länder wie Griechenland nicht auf- bzw. abwerten können.
Es ist aber auch klar, dass nicht alle Länder Deutschland nachahmen und Exportüberschüsse erzielen können – das funktioniert nicht, wenn alle es tun, die Produkte müssen auch gekauft werden. Viel Fachleute sagen, das Deutschland seine Löhne erhöhen und investieren müsste. So wären andere Länder wieder konkurrenzfähiger und den deutschen Bürgern ginge es besser.
Es ist die typische art nach unten oder zur Seite zu treten – aber bloß nicht nach oben, wenn man anderen Völkern die Schuld gibt. Es sind hier wie dort die reichen Bonzen (das Wort Eliten klingt zu gut für sie), welche ihre Macht und die ökonomische Unwissenheit der Bürger nutzen, um alles zu ihrem Vorteil zu gestalten.
Syriza wollte durchaus die griechischen Oligarchen, auch die Reeder, in die Pflicht nehmen.Das geht aber nicht ohne Kooperation mit den anderen Ländern. Und diese wurde ihnen von der Troika verweigert, das ist nämlich die eigentliche Wahrheit.
Niemand dieser Interessensvertreter der Finanzeliten hatte auch nur die geringste Absicht anderen Reichen etwas weg zu nehmen, und das wurde Tsiprass deutlich gemacht. Niemals geht es in Brüssel um Umverteilung, es geht nur um Verteilung nach oben!.
Wie auch bei uns, wenn,man sich die Vermögensverteilung mal ansieht.
Der Bürger zahlt die Zinsen der Superreichen und deren schwindelerregendes Vermögen wächst ohne Arbeit, ohne Leistung immer mehr.Mit dem Vermögen wächst auch die Macht, Einfluss zu nehmen.Man müsste Vermögens- und Erbschaftssteuer einführen (diese würde ohnehin das Erbe von Durchschnitssbürgern nihct betreffen), um umzuverteilen! Die Erpressungsmethode mit den Arbeitsplätzen wird der Realität heute nicht mehr gerecht. Aber unsere Politiker kneifen vor den Reichen – und das solle die Bürger hier eigentlich viel mehr aufregen. als angeblich “faule” Südländer, die meist längere Arbeitszeiten haben als wir. Immer dieses unterwürfige Schonverhalten gegenüber den Superreichen! Wie viele Milliarden haben die Banken denn bekommen für ihre Verzockerei, die der ganzen Welt schadet? Aber nein, auf die kann man doch nicht böse sein, wo sie doch so clever sind, da beschimpft man lieber die Südländer.
“Wenn die Menschen verstünden, wie das Finanzsystem funktioniert, hätten wir morgen die Revolution” hat Henry Ford mal gesagt. Weil es ein Betrugssystem ist.
Und es hat alle Mittel um diesen Betrug hübsch verpackt zu verkaufen und Zweifler daran zu diskreditieren und mit anderen Feindbildern abzulenken. Mit den “faulen Griechen” z.B. Hauptsache keiner schaut zu kritisch auf ihr eigenes Treiben.
Aber Griechenland kann noch nicht mal so richtig zusammenkrachen um danach vielleicht auf andere Weise und ohne Euro wieder neu anzufangen. Das verhindert schon die Spekulation, vor allem in den USA. Viele würden dann .pleite machen.
Andreas Meyer
12. April 2016 @ 19:38
@Johann, Griechenland ist ein Symptom und Spiegel der Missstände. Was mich betrifft, ich heule gewiss nicht, aber ich empöre mich – im Sinne von Stefan Hessel (u.v.a.). Die Griechen sind Opfer der Wirtschaftskrise, ebenso Portugal. Bei Irland und Spanien muss man schon etwas feiner differenzieren. Der kleine Mann in Deutschland ist hingegen Opfer der Agenda 2010 und der neoliberalen Politik der GroKo.
Was Sie auflisteten scheint Sie tatsächlich zu beschäftigen, vieles davon ist fachlich falsch.
Noch hat Deutschland keine Kosten übernommen, sondern “nur” Bürgschaften über mehrere Jahrzehnte. Es ist eine Summe in den gemeinsamen “Top” der Rettungsschirme geflossen – dieses Geld hat Deutschland aber im Prinzip kostenlos auf dem int. Finanzmmarkt geliehen. Zunächst sind aber Deutsche und Französische Banken in der Zeit von 2010-2012 gerettet worden (> 87 M. Euro).
Im übrigen kostet Südeuropa Deutschland schon lange nichts mehr.
Wieder das Beispiel Griechenland: Seit Herbst 2014 hat Griechenland einen ausgeglichenen Haushalt und braucht keine Kredite mehr (vor Schuldentilgung und Zinsen). Das dritte Hilfspaket dient zu über 90% der Rückzahlung ältere Kredite (Kredite die auch problemlos umstrukturiert werden könnten).
Ich kann nur empfehlen, kräftig weiter zu lesen und zu Recherchieren. Z.B. Ulrike Guérot, Harlad Schumann, Flassbeck, Ulrike Herrmann, Philipe Legrain, etc:
https://www.youtube.com/watch?v=mEW9XkpR3yg&list=PL0TmH52ybqIciA5dV5IGOE3zfaEf8Jh8P&index=15
https://www.youtube.com/watch?v=aUzE2VFIUKQ&list=PL0TmH52ybqIciA5dV5IGOE3zfaEf8Jh8P&index=13
Johannes
12. April 2016 @ 13:53
Und wie immer zeigt Süd Europa, es kriegt den Hals nicht voll.
Null-Zinsen, Anleihenkäufe, ESM …. wir Deutschen sind die Dummen, aber nein Süd Europa will noch mehr, die pure Gier.
Wir Deutsche haben uns für fit gespart, und jetzt seit ihr alle zu faul genau das gleiche zu tun.
Gesetze, Verträge? Pahhhh, Süd Europa steht über den Gesetzen und Verträgen. Selbstverständlich müssen wir Bürger uns aber an Verträge und Gesetze halten, natürlich *haha
Dank Süd Europa und der EZB werden wir kleinen Bürger ärmer und die Reichen reicher. Toll Süd Europa, super gemacht, danke, weiter so, klasse, mehr davon
Andreas Meyer
12. April 2016 @ 16:38
@Johannes Natürlich war Ihr Beitrag nur als Scherz aufzufassen.
Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie das alles Ernst meinen:
Wo kriegt den Südeuropa den Hals nicht voll? Meinen Sie bei der Jugendarbeitslosigkeit bei über 55% und Arbeitslosigkeit über 24% Griechenland und Portugal). Oder beim Wirtschaftswachstum von zirka -30% in Griechenland (grösserer Einbruch als in Deutschland während der Weltwirtschaftskrise von 1929/1930)?
Negativzinsen? Deutschland hat seit 2008 zirak 80 Milliarden Euro an Zinsen eingespart und Griechenland zahlt weiterhin reichlich Zinsen. Deutsche Banken waren 2010 mit zirka 42 M. Euro in Gr. “verschuldet” (Forderungen), Anfang 2012 nur noch mit 12 M. Euro (ein Teil davon war illegal zu der EZB gelangt).
50% der Griechischen Rentner lebt unter der Armutsgrenze. Schätzungsweise 1000 griechische Mitbürger sterben monatlich frühzeitig mangels medizinischer Versorgung (33% aller Griechen hat keine Krankenversicherung).
Die Deutsche Industrie profitiert enorm von den Billiglohnländern (z.B. Autoindustrie Slovakei).
Das die kleinen Bürger immer ärmer werden liegt daran u.a. an der Globalisierung (Steuer-Wettbewerb, Lohn-Wettbewerb) und in Deutschland am konservativen Wahlverhalten. Fachleute sprechen von Neoliberalismus…
Johannes
12. April 2016 @ 18:17
Süd Europa kriegt den Hals nicht voll, doch das meine ich ernst, man will Deutschland noch mehr Schulden aufzuhalsen. Euro-Bonds, Bankenrettungsfonds und so weiter. Ja, man krieg den Hals nicht voll genug.
Ja, Süd Europa geht es scheisse. Aber mir als kleiner Bürger geht es auch scheisse.
“Negativzinsen? Deutschland hat seit 2008 zirak 80 Milliarden Euro an Zinsen eingespart”
Super, diese Ersparnisse geben unsere Politiker an uns Bürger weiter, ja, ist das so? NEIN.
Mein Geld auf der Bank verliert an Wert wegen Süd Europa. Das ist eine Unverschämtheit. Süd Europa profitiert wieder. Ja, das arme arme Süd Europa, ich werde für Süd Europa ärmer gemacht. Danke.
“Das die kleinen Bürger immer ärmer werden liegt daran …” das SPD und Grüne massive Kürzungen und Hungerlöhne in Deutschland eingeführt haben. Das war nicht die olle CDU, neeeeee, ausgerechnet die Grünen mit der SPD zusammen. Das sind also ihre konservativen Parteien? Nein.
“50% der Griechischen Rentner lebt unter der Armutsgrenze. ” Soll das jetzt meine Schuld sein oder wie? Habe ich die Griechen dazu gezwungen, sich zu verschulden????? ICH, der kleine Bürger????? Nein, aber ich soll zahlen. Das ist ungerecht.
Wie war das noch damals, Deutschland muss ich für den Euro fit sparen. Sie verstehen sicherlich, dass ich jetzt genau das gleiche von Süd Europa erwarte auf deren entsprechenden Niveau.
Wir werden nie die Schulden anderer Länder übernehmen müssen, nur Populisten und Anti-Europäer können sich soetwas ausdenken. 2015 und genau DAS ist passiert.
Jede Diskussion führt doch am Ende hier auf dem Blog dazu: Ihr Griechenlandfans heult rum das alles so schlecht ist, wir Deutschen heulen rum das alles so schlecht ist. Griechen hassen Deutsche, wir Deutsche hassen die Griechen. Und Sie wollen uns alle in eine Währung zwingen. Das kann doch auf Dauer nicht gut gehen.
Wir müssen uns beim Thema Geld trennen. Süd Europa hat andere Erwartungen und Einstellungen an die Geldpolitik als Nordeuropa. Oder will das hier irgendjemand leugnen??????????????
Andreas Meyer
12. April 2016 @ 13:21
@PL, @S.B. – In Fachkreisen ist der Begriff “Austerität” wohl definiert: Senkung der Staatsausgaben (und damit die Verringerung der Neuverschuldung) durch Senkung der Löhne und Renten, durch Entlassungen und Privatisierungen sowie Kürzungen bei anderen Sozialleistungen. Befindet sich ein Land bereits in einer starken Rezession, dann wird durch diese “Politik” eine Abwärtsspirale eingeleitet, die irgendwann zwar stoppt, aber dann zu einer langanhaltenden Stagnation führen kann (oder der Staat kehrt zurück zum business as usual, bis zur nächsten “Blase”, wie derzeit in Irland).
Im Gegensatz dazu könnte eine keynesianische Wirtschaftspolitik die Wirkungen schwerer Rezessionen abschwächen.
Vor allem die Privatisierungen sind häufig “versteckte Kosten”, die – auch wenn sie sich dann nicht mehr im Staatshaushalt wiederfinden – denn der Steuerzahler muss die Leistungen (Energie, Bahn, Autobahnen, Zusatzrente, Post, etc. ja weiterhin zahlen – meist deutlich teurer als vorher).
In Griechenland kamen diverse Faktoren hinzu, die bestens bekannt waren: ernsthafte Schwächen im Verwaltungsapparat des Landes (wobei all diese Schwächen – vor allem die vieldiskutierte Korruption – in den Jahren seit der Einführung des Euro auch kein wesentliches Hinderniss waren für ein aussergewöhnlich hohes Wachstum (deutsche Firmen haben ja auch blendend davon profitiert). Griechenlands BIP ist im Wesentlichen Abhängig von der Inlandsnachfrage. Mit dem Einbruch der Binnennachfrage, zeitgleich zu der starken europaweiten Rezession und der Austerität, kam es zu einer unaufhaltbaren und dramatischen Abwärtsspirale, die bereits im Jahre 2010 von Fachleuten des IWF vorhergesagt worden war). Dank einiger Leaks und diversen Presseberichten (Financial Times Herbst 2011) wissen wir, dass in der Zeit von 2010 bis 2012 die Rettung nordeuropäscher Banken das Hauptziel war, und eben nicht die Bekämpfung von Korruption, Steuerbetrug, etc. (siehe z.B. die sog. “Lagarde-Liste”).
Gemäss der EU-Verträge, ist die Gewährung eines “Hilfsprogrammes” mit der Auflage verknüpft, die Ursachen, welche ein Land in die “Schieflage” gebracht haben, zu untersuchen.
Im Falle Griechenlands kam die Untersuchungskomission im Juni 2015 zu dramatischen Ergebnissen: im Rahmen der zwei “Hilfsprogramme” war offensichtlich im grossen Rahmen gegen geltendes Recht verstossen und die Öffentlichkeit umfassend getäuscht worden. Aufbauend auf internationalem Recht könnte daher die Rückzahlung eines Teils der “Hilfskredite” verweigert werden!
http://www.sozialforum-asf.at/index.php/50-nicht-kategorisiert/570-eric-toussaint-erster-bericht-der-wahrheitskommission-ueber-die-griechische-staatsverschuldung
http://cadtm.org/Le-mecanisme-du-systeme-dette-en
Für “Insider” ist Austerität daher auch gleichbedeutend mit der “Allmacht” einer “Kaste” von Technokraten und Gremien (Euro Working Groupo, Eurogroup, Komission) ausserhalb jeder demokratischer Kontrolle befindlich, niemandem Rechenschaft schuldig und welche im Wesentlichen die kurzsichtige Politik einiger europäischer Staatsoberhäupter umsetzt. Auch der IWF war 2010 nicht unabhängig.
Natürlich kann sich ein Staat auch nicht beliebig neuverschulden und in Zeiten geringer Investitionen und Akkumulierung von Kapitalen (und Schulden) stellt sich daher im Prinzip eine Gesellschaftsfrage. Was aber nun, wenn durch eine wirklich ernsthafte Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung, dem “Austrocknen” von Steueroasen, höherer Besteuerung von Erbschaften, Kapitalerträgen, Lizenzen, usw. eine neues “Gleichgewicht” geschaffen werden könnte? Scheitert Europa derzeit nicht durch die Folgen der Globalisierung (inkl. Migration, Billiglöhne, etc.), sondern möglicherweise an seiner Unfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und einen nachhaltigen Finanz-und Wirtschaftskreislauf in Europa und vor allem in der Eurozone herzustellen?
S.B.
12. April 2016 @ 08:26
Ich sehe das wie Peter Nemschak. Es gibt gar keine echte Austeritätspolitik. Die (Staats-) Verschuldung geht allenthalben munter weiter. Die sehr niedrigen bis Negativzinsen befördern diesen Effekt beträchtlich. Die Frage ist nur, wo das Geld landet, für das sich die Staaten verschulden. Bei den Otto-Normal-Bürgern ganz offensichtlich genauso wenig, wie in der öffentlichen Infrastruktur, die immer weiter zerfällt. Insoweit wird tatsächlich heftig gespart. Es bleibt daher nur eine Antwort: Es geht hier um knallharte Umverteilung von unten nach oben.
Peter Nemschak
11. April 2016 @ 20:54
Es wird Zeit, dass die Gegner der sogenannten Austeritätspolitik ein überzeugendes Programm vorlegen. Nur, mit mehr Schulden dasselbe zu tun wie bisher, wird die Welt nicht nachhaltig verändern. Bisher ging es um Klientelpolitik für die jeweils eigene Klientel. Das Gemeinwohl des Staates war offenbar politisch zu unbequem, um Gegenstand der Politik für die Kritiker des derzeitigen Systems zu sein.