Fall Assange: Das Versagen der EU

Die ganze Welt freut sich über die Freilassung des Wikileak-Gründer Julian Assange. Die ganze Welt? Nein – die EU schweigt, wie seit Jahren.

Eigentlich sollte die Nachricht von der Befreiung Julian Assanges lauten Jubel in Brüssel auslösen. Schließlich setzt sich die EU seit Jahren für den Schutz von Whistleblowern ein. Neuerdings hat sie sogar ein „Medienfreiheits-Gesetz“, das auch Journalisten den Rücken stärken soll.

Doch als die Meldung um die Welt ging, kam aus der EU-Hauptstadt erstmal – nichts. Weder die für Medienpolitik zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova noch Behördenchefin Ursula von der Leyen hielten es für nötig, Assanges Freilassung und den offenbar zugrunde liegenden Deal mit den USA zu kommentieren.

Das Schweigen der Europäer ist nicht neu. Die EU hat noch nie einen Finger für den wohl prominentesten und wichtigsten Whistleblower gekrümmt. Selbst als Großbritannien noch Mitglied war, taten die EU-Kommission und die meisten deutschen und europäischen Politiker so, als ginge sie der Fall nichts an.

Man nahm Rücksicht auf die USA – und auf die schwedische Justiz, die Assange zunächst der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Doch als die Anklage schließlich in sich zusammenbrach, änderte sich die Haltung der EU nicht. Auch das Europaparlament konnte daran nichts ändern.

Die EU-Abgeordneten haben Assange 2022 für den Sacharow-Preis nominiert – zusammen mit dem ukrainischen Volk und der Wahrheitskommission in Kolumbien. Gewonnen hat, wenig überraschend, die Ukraine und ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj. Danach herrschte wieder Funkstille in Brüssel.

Für den „Fall Assange“ interessierten sich nur noch Abgeordneten der Linken, wie die Irin Clare Daly, die es bei der Europawahl nicht mehr ins Parlament geschafft hat – oder der durchaus ernst zu nehmende Satiriker Martin Sonneborn, der sogar die Prozesse in London besucht hat.

Sonneborn war denn auch einer der ersten, die die Meldung von Assanges Freilassung weiterverbreitet hat. Zu Wort meldete sich auch Fabio De Masi, der für das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ins neue EU-Parlament einzieht – und Martina Michels, die medienpolitische Sprecherin der Linken.

Man habe erfolgreich „politischen Druck“ aufgebaut und Assanges Partnerin Stella Assange immer wieder nach Straßburg und Brüssel geladen, so Michels. Doch die Türen der EU-Kommission und des Ministerrats blieben ihr und ihrem Mann verschlossen. Die EU macht zwar viele wohlklingende Gesetze – doch an der Umsetzung hapert es, wie das Versagen im Fall Assange zeigt.