Europawahl nicht verbindlich
Die Ergebnisse der Europawahl sind für Kanzlerin Merkel nicht verbindlich. Der Wahlsieger werde nicht automatisch zum EU-Kommissionschef ernannt oder ein anderes Amt erhalten, sagte sie zum Schluss des EU-Gipfels.
Es gebe keinen Automatismus, so Merkel. Die letzte Entscheidung bleibe beim EU-Rat, also bei ihr und den anderen Chefs. Im Klartext: das Votum der Wähler ist nicht verbindlich.
Damit bricht die ganze Demokratie-Initiative zur Europawahl in sich zusammen. Sozialisten und Grüne benennen Spitzenkandidaten, um so die EU-Spitze neu zu formieren. Doch Merkel macht nicht mit.
Bisher hat ihre konservative Parteienfamilie EVP noch nicht einmal einen Spitzenkandidaten ernannt. Und wenn einer kommt, wird er wohl nur ein Grüßaugust… – Mehr hier
ebo
28. Oktober 2013 @ 12:04
Schau doch mal hier – was die Bundesregierung VOR DER WAHL versprochen hat:
http://www.sueddeutsche.de/politik/vor-der-europawahl-schaeuble-fuer-wahl-eines-europapraesidenten-1.463108
Michael
28. Oktober 2013 @ 12:16
Nach dem Artikel hat sich Schäuble dafür ausgesprochen, einen Präsidenten der EU direkt zu wählen. Für seinen Vorschlag wäre eindeutig eine einschneidende Änderung der Verträge nötig. Ich kann dem Artikel nicht entnehmen, dass er versprochen hätte, die deutsche Bundesregierung werde sich bei der Benennung eines Kommissionspräsidenten (unter der gegenwärtigen Vertragslage) in einer bestimmten Weise verhalten.
Im übrigen hat Schäuble gerade nicht den von mir oben kritisierten Trick befürwortet, die Wahl zum EP als Personenwahl umzudefinieren; und immerhin sieht er auch die Schwierigkeit, einen EU-weit akzeptierten Präsidenten zu finden. (Ich würde hier weitergehen und die Gefahr sehen, dass manche Nationen der EU entfremdet würden, wenn sich herausstellt, dass von ihnen nie jemand eine Chance hätte gewählt zu werden – ich erinnere hier an die merkwürdige Diskussion, ob Tony Blair Ratspräsident werden könne oder ob er als Brite davon prinzipiell ausgeschlossen sein sollte).
Schließlich: Dieser Artikel ist vor der letzten Europawahl erschienen. Hat also weder mit den kürzlich abgehaltenen Bundestagswahlen noch mit der Europawahl nächstes Jahr zu tun. Und da ein direkt gewählter EU-Präsident ohne Vertragsänderung nicht denkbar wäre, ist diese Schäublesche Anregung wohl tot – schließlich gilt gegenwärtig allgemein das Dogma, dass nichts gemacht oder gedacht werden darf, was zu einer Volksabstimmung führen würde (also etwa eine tiefgreifende Vertragsänderung).
ebo
28. Oktober 2013 @ 12:43
Die letzte Europawahl war 2009, Schäuble äußerte sich 2010. Es gibt viele ähnliche Äußerungen, auch aus jüngerer Zeit. Aber egal, irgend jemand muss Merkel & Co. ja verteidigen, wen kümmert ihr Geschwätz von gestern? Genau dasselbe Muster sehen wir im NSA/Datenschutz-Bereich
Michael
28. Oktober 2013 @ 10:56
Nun, das entspricht doch den geltenden Verträgen, Und warum sollte sich der Rat nicht an die Verträge halten? Nach den Verträgen schlägt der Europäische Rat dem Parlament einen Kommissionspräsidenten vor, das Parlament kann ihn akzeptieren (muss aber nicht). Ist ein Präsident akzeptiert, schlägt er zusammen mit dem Rat dem Parlament eine Kommission vor, und das Parlament kann sie bestätigen (muss aber nicht). Das Parlament hat also die Möglichkeit, jeden Kandidaten des Rates abzulehnen. Damit kann eine Mehrheit im Parlament, wenn sie sich einig und wirklich dazu entschlossen ist, ihren Wunschkandidaten durchsetzen. Allerdings dürfte es schwierig sein, eine solche Mehrheit zustandezubringen, die auch ein-zwei Ablehnungen von vorgeschlagenen Kandidaten durchsteht…
Das Wahlverfahren zum Europäischen Parlament ist ein proportionelles, also gerade nicht auf die Produktion eines eindeutigen Wahlsiegers angelegtes System. Nur wenn eine Fraktion allein eine Mehrheit erhält, kann sie sinnvollerweise erklären, sie werde keinen anderen Kommissionspräsidenten als den von ihr im Wahlkampf favorisierten akzeptieren. Schon wenn mehrere Fraktionen für eine Mehrheit notwendig sind, können ja die kleineren Partner gegen diesen Kandidaten Einwände haben. Und vollends die Parteigruppierungen, die nie eine Chance haben werden, allein eine Mehrheit im EP zu haben, brauchen gar keinen „Spitzenkandidaten“ zu benennen (ich denke dabei etwa an die Grünen).
Generell halte ich es für keine kluge Idee, Parteienwahlen künstlich zu „personalisieren“. Das eine ist eine Entscheidung für eine politische Richtung, das andere für eine Persönlichkeit. Der Versuch, eine Personenwahl einzuführen, würde das EP zu einem Zweiparteiensystem drängen und stünde insofern im Widerspruch zu der Grundsatzentscheidung für eine Verhältniswahl in den europarechtlichen Bestimmungen über die Wahl des EP.