Sie reden von Menschenrechten – und fördern die Türkei
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die EU verhängt erstmals seit 30 Jahren Sanktionen gegen China. Zudem droht sie Großbritannien mit Exportverboten für Corona–Impfstoff. Und dann geht sie noch auf die Türkei zu – trotz schwerster Menschenrechts-Verletzungen.
Die EU spricht die „Sprache der Macht“ – doch ihre Drohungen und Sanktionen wirken nicht sehr glaubwürdig und könnten sogar auf Europa zurückfallen. Dies zeigen die wichtigsten europapolitischen Ereignisse der vergangenen Woche. Am Montag verhängten die EU-Außenminister Sanktionen gegen China, Myanmar und drei weitere Länder. Im Falle Chinas waren es die ersten seit über 30 Jahren. Die Führung in Peking reagierte wütend und maßlos – und strafte mehrere Europaabgeordnete und sogar Botschafter ab. In Brüssel sieht man dies als Beweis, einen wunden Punkt getroffen zu haben – es geht um die Unterdrückung der Uiguren. Doch dummerweise fallen die (eher symbolischen) Sanktionen nun auf das (ziemlich wichtige) Investitionsabkommen zurück, das Kanzlerin Merkel mit der Führung in Peking ausgehandelt hatte. Das Europaparlament weigert sich wegen der chinesischen Strafen, dieses Abkommen zu ratifizieren – ein klassisches Eigentor der EUropäer. Zudem macht sich die EU unglaubwürdig. Denn während sie China und Russland für Menschenrechts-Verletzungen abstraft, sieht sie über ähnliche Verstöße in der Türkei regelmäßig hinweg. Sultan Erdogan kann es sich sogar erlauben, ein Verbotsverfahren gegen eine der größten Oppositionsparteien einzuleiten und die Frauenrechte mit Füssen zu treten – von der illegalen Besatzung in Nordsyrien und der Unterdrückung der Kurden ganz abgesehen. Doch statt mit Stockschlägen reagiert die EU mit Zückerchen: Mehr Geld für den umstrittenen Flüchtlingsdeal, mehr Handel über ein modernisiertes Zollabkommen. Dieser Kurs, der ebenfalls von Merkel vorgegeben wurde, diskreditiert die neuen Menschenrechts-Sanktionen. Er zeigt, dass die EU zweierlei Maß anlegt – hart zu „Systemrivalen“, gnädig gegenüber Nato-Alliierten… – Last but not least hat die EU noch die Exportkontrollen für Corona-Impfstoffe verschärft – womit sie sich den Vorwurf einhandelt, protektionistisch zu handeln und einen „Impfkrieg“ gegen Großbritannien anzuzetteln. In Wahrheit geht es wohl eher um eine Drohkulisse – und wenn nicht alles täuscht, zeigt sie sogar Wirkung: London scheint zu einem Deal mit Brüssel bereit. Hoffentlich führt dies auch bald zu mehr Impfstoffen…
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