Ohnmacht in Nahost, Wagenknechts Alternative – und wie Orban die EU sieht
Die Watchlist EUropa vom 24. Oktober 2023 –
Der militärische Aufmarsch der Großmächte rund um Israel wird immer bedrohlicher. Die USA, China und Russland positionieren sich für einen möglichen großen Krieg im Nahen Osten.
Und was macht die EU? Gerade einmal eine Woche nach einem eigens einberufenen Sondergipfel zur Nahost-Krise präsentiert sie sich mal wieder uneinig. EUropa hat keine Stimme.
Deutlich wurde dies beim Treffen der Außenminister in Luxemburg. Die meisten EU-Länder waren für eine “humanitäre” Waffenpause, um die Menschen in Gaza mit dem Nötigsten zu versorgen. Doch die deutsche Außenministerin Baerbock und einige andere waren dagegen.
Ergebnis: Statt den Streit auszutragen und mit Mehrheit zu entscheiden, wie dies Baerbock ja neuerdings so gern fordert, wurde der Streit auf den nächsten EU-Gipfel am Donnerstag vertagt.
Er erwarte, dass sich die Staats- und Regierungschefs dann geschlossen hinter Aufrufe zu einer begrenzten Feuerpause für Hilfslieferungen in den Gazastreifen stellen, sagte EU-Chefdiplomat Borrell.
Dies schlägt auch Ratspräsident Michel in seinem Gipfelentwurf vor. Deutschland dürfte aber dennoch versuchen, die strittige Passage bis zum Beginn des EU-Gipfels noch zu ändern oder zu streichen.
Die EU sei kein relevanter Akteur im Nahen Osten mehr, sagte Luxemburgs Außenminister Asselborn resigniert. Europa sei kein “Player” (Spieler), sondern nur noch “Payer” (Zahlmeister). Wohl wahr…
Mehr zum Krieg in Israel hier. Siehe auch meine Kolumne im Makroskop: “Zwischen Staatsräson und Ohnmacht“
P.S. Israel hat innerhalb von nur 24 Stunden über 300 Ziele in Gaza bombardiert – mehr denn je. Dabei wurden auch Orte im angeblich sicheren Süden angegriffen. Eine Waffenpause ist wichtiger denn je, doch neben Deutschland sind auch die USA dagegen…
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News & Updates
- Wagenknecht will bei Europawahl antreten. Die neue Partei der bisherigen Linken-Politikerin S. Wagenknecht soll im Juni 2024 zur Europawahl antreten. Dies erklärte sie bei der Vorstellung ihrer Pläne in Berlin. Die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP unterstützen allesamt EU-Chefin von der Leyen. Das schreit nach Alternativen…
- Erdogan macht Weg für Schweden frei. Der türkische Siltan Erdogan hat dem Parlament in Ankara das Protokoll für eine Aufnahme Schwedens in die Nato zur Ratifizierung vorgelegt. Erdogan hatte eine solche Ratifizierung bislang verzögert. Einen Termin für die Ratifizierung nannte er nicht.
- WWF warnt vor Klima-Versagen. Der World Wildlife Fund hat vor einem Scheitern in der Klimapolitik gewarnt. “Die EU isoliert ihr Dach, doch die Fenster stehen weit offen”, sagte ein WWF-Experte. Als Beispiel nannte er die Steuerbefreiung für Flugbenzin und die Agrarpolitik. Mehr hier (Euronews)
Das Letzte
Wie Orban die EU sieht. Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat die EU mit der ehemaligen Sowjetunion verglichen. “Manchmal wiederholt sich die Geschichte”, sagte Orban bei einer Gedenkfeier zum ungarischen Volksaufstand. “Moskau war eine Tragödie. Brüssel ist eine gescheiterte zeitgenössische Parodie”, sagte der umstrittene ungarische Regierungschef. “Wir mussten tanzen, wenn Moskau gepfiffen hat. Brüssel pfeift auch, aber wir tanzen, wie wir wollen und wann wir wollen.”
Katla
24. Oktober 2023 @ 13:47
Ein wenig befremdlich ist es schon, wenn der außenpolitische rote Faden der Chefdiplomatin in allen bisherigen Kriegen/bewaffneten Konflikten die völlige Ablehnung von Feuerpausen, von Waffenstillstand oder Friedensverhandlungen ist. Wenn es nach ihr geht, soll auch in Israel eine abstrakte Gerechtigkeit mit Waffen erkämpft werden; das hat aber auch schon in der Ukraine Tausende Menschenleben gekostet, ohne dass man diesem Ziel auch nur einen Schritt nähergekommen wäre. Statt Konflikte pragmatisch und realistisch einzugrenzen oder wenigstens zu einem temporären Stillstand zu bringen und damit Menschenleben retten, soll also bis zum Erreichen dessen, was die westliche Polit-Elite als Gerechtigkeit empfindet, weitergekämpft werden. Vor kurzem war es noch europäischer Konsens, dass selbst die moralischste Begründung keine Gewaltanwendung oder deren Unterstützung rechtfertigen kann. Abgesehen von der Frage des staatlichen Gewaltmonopols: was unterscheidet dann die Europäer moralisch noch von denen, denen zur Lösung politischer Probleme auch nur Gewalt einfällt? EUropa scheint da auch nichts anderes einzufallen.
Godfried van Ommering
24. Oktober 2023 @ 11:46
„…die deutsche Außenministerin Baerbock und einige andere waren dagegen.“ Sie ( wer sind die „einige andere“? Österreich und Tschechien?) sind dagegen, daß eine humanitäre Feuerpause für den Gazastreifen ausgerufen wird. Israels Botschafter in Deutschland sagt auch Nein! zu dem Feuerpause-Vorschlag. Herr Prosor hat angefangen die Rolle von Herr Melnyk, Ex-Botschafter der Ukraine, zu übernehmen: das Antreiben der deutschen Politiker zum spaltlosen Schulterschluss mit seiner Regierung. Im Liveticker der Tagesschau wird das Resultat der israelischen Bombardementen auf Gaza nur so nebenbei gemeldet (140 getötete Zivilisten), groß geschrieben werden die rituellen Beschwörungen aus Bellevue, die apodiktischen Sprüche des Herrn Botschafter der partout kein Ja, aber…mehr hören möchte, das Denken also verbieten will, und die Befürchtungen des Bayerischen Anti-Semitismus Beauftragten. Zu allem möchte die Vernunft schlicht und einfach sagen: bitte, schauen Sie sich die Opferzahlen in Gaza der ersten drei Nächte dieser Woche an. Und überlegen Sie sich, was Recht, Humanität, Friedenspolitik eigentlich von Politiker und Regierungen fordert. Und gehen Sie dann einmal in sich, lassen Sie mal die Betroffenheits-Rituale, die Beschwörungen, den Rhetorik, löst euch, und sei es erst nur für den Augenblick, aus euerer Abhängigkeit und euerer Unterwerfung an die VS, und redet mal einfach menschlich, d.h. vernünftig und gewissenhaft. Und guck mal ins Völkerrecht, das nur Existenz hat, wenn es Geltung für alle hat! Es könnte den Anfang sein der von Millionen ersehnten Wende.
Towanda
24. Oktober 2023 @ 10:13
@Armin Christ
Hätte nie geglaubt, mir mal Maas wieder zu wünschen.
Thomas Damrau
24. Oktober 2023 @ 09:51
Es lebe der unangemessene Vergleich. Wo ständig von Faschismus, zweitem Hitler und Völkermord die Rede ist, kann auch Orban die Füsse nicht still halten: Bei aller Kritik an der EU, die auch ich hier schon mehrfach geäußert habe, ist die EU keine Farce-Variante der UdSSR. (Ich glaube auch nicht, dass der Urheber von „Erst Tragödie, dann Farce“, Karl Marx, Orban zustimmen würde.)
Der entscheidende Unterschied: Ungarn steht es jederzeit frei, die EU zu verlassen. Aber das ist mit Blick auf den ungarischen Staatshaushalt nicht opportun ( https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/ ).
Außerdem könnte die Brüsseler Laien-Truppe abgewählt werden – im Gegensatz zur KPdSU. Wenn es denn sinnvolle Alternativen gäbe und die Wähler endlich aufwachten …
ebo
24. Oktober 2023 @ 10:48
Natürlich ist die EU keine SU reloaded. Aber abwählen geht auch nicht.
Wenn von der Leyen wieder antritt, dann wird sie mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU wieder gewählt – die etablierten Parteien in Deutschland stehen hinter ihr, eine ganz große Koalition will die deutschen Kandidatin.
Alle anderen Parteien, die man in Deutschland bei der Europawahl 2024 wählen kann, haben keine relevanten Gegenkandidaten und auch nicht das nötige Gewicht, um die Dinge in Brüssel zu ändern.
Abgesehen davon, wird das gescheiterte Spitzenkandidaten-Verfahren wohl nicht mehr aus der Kiste geholt. Die Europawahl wird daher, wenn überhaupt, nur einen Einfluß auf die Stimmung in Deutschland haben – als Denkzettel!
Katla
24. Oktober 2023 @ 14:15
@Thomas: schade, dass die Politik dieses an sich winzigen und unbedeutenden Landes für die Mainstream-EU so schwer zu ertragen ist. Wenn Ungarn sich 1989 nicht gegen den damals herrschenden Mainstream gestellt hätte, gäbe es z.B. keine deutsche Wiedervereinigung. Die spontane Grenzöffnung für DDR-Bürger galt im Ostblock damals als genau so ein schlimmer Frevel, wie in der EU heute z.B. die Ablehnung der unkontrollierten Migration oder die Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Gerade Deutschland verdankt Ungarn sehr viel; da ist es erstaunlich, dass Ungarn gerade in Deutschland immer wieder auf so eine hohe Ablehnung stosst.
Armin Christ
24. Oktober 2023 @ 09:27
In diesen Zeiten brauchen wir dringend ein/e fähige/ Außenminister::::in und nicht ein UShöriges Püppchen, das den Kopf wohl nur hat damit es das Stroh nicht in den Händen tragen muss.