Ukraine will EUropas Waffenfabrik werden
Die Ukraine will nach dem Krieg mit Russland zum führenden Waffenproduzenten in der EU aufsteigen. Eine provozierende Positionierung – nicht nur für Moskau.
Kiew habe weit reichende Pläne, erklärte Regierungschef Denys Schmyhal vor einem Deutschland-Besuch. Dabei gehe es nicht nur um die Landwirtschaft und die Energie, sondern auch um die Rüstung. Aus einem Gastbeitrag in der FAZ:
Nach dem Krieg plant die Ukraine, mit einem umfassenden Programm zum Aufbau einer eigenen Verteidigungsindustrie zu beginnen. Es gibt bereits Kooperationen mit Deutschland und anderen europäischen Ländern zur Gründung gemeinsamer Rüstungsunternehmen. Die Erfahrungen der Ukraine können für gemeinsame Militär- und Verteidigungsprogramme mit anderen europäischen Ländern von unschätzbarem Wert sein. Die ukrainische Armee könnte eine Schlüsselkomponente Europäischer Streitkräfte werden und die Sicherheit Europas erheblich festigen.
Ähnlich äußerte sich Industrieminister Oleksandr Kamyshin in “Politico”. Die Ukraine wolle nicht nur für die EU, sondern für die gesamte “freie Welt” Waffen produzieren, sagte er mit Blick auf den Krieg in Israel.
Für Deutschland und Rheinmetall ist dies vermutlich eine gute Nachricht. Für Russland eher nicht. Auch Frankreich, das selbst eine bedeutende Rüstungsindustrie hat, dürfte nicht begeistert sein.
Die provozierende Positionierung wird noch zu Ärger bei den Beitrittsverhandlungen führen – aber auch ein Ende des Kriegs erschweren. Wer will schon EUropas größte Waffenfabrik vor seiner Haustür haben?
P.S. Die Ukraine strebt offenbar auch bei Attentaten und Auftragsmorden eine führende Stellung an. Dies berichtet die “Washington Post”. Gemeinsam mit der CIA habe der SBU mehrere Coups in Russland gelandet und den Mord an Darja Dugina, der Tochter eines russischen Ideologen, ausgeführt…
Monika
27. Oktober 2023 @ 16:16
Eine Frage zur „Rechtsnachfolge“ der Sowjetunion in die kundige Runde:
Hat die Russische Föderation bei der Auflösung der Sowjetunion nicht alle finanziellen Verbindlichkeiten der Sowjetunion getilgt, und damit erst die friedlichen Separationen von Ex-Sowjetstaaten ermöglicht? Sozusagen der gelebte Respekt vor dem Wunsch noch Eigenstaatlichkeit ohne strangulierende Restschulden? Wird nicht genau deswegen die Russische Föderation als „Rechtsnachfolger der Sowjetunion“ betrachtet?
Wieso werden sonst die vielerlei Ex-Sowjetstaaten nicht in Mithaftung genommen? All diese Staaten waren aktive, mitverantwortliche Teile der Sowjetunion, Landsleute hatten höchste Staatsämter inne…
Die „Rechtsnachfolge“ und ihre Begründungen würde mich stark interessieren. Wer weiss da was Substantielles dazu?
Stef
27. Oktober 2023 @ 14:43
@ Kleopatra: Ich fasse mal etwas polemisch zusammen: Putin darf man nicht beim Wort nehmen, man darf sogar das glatte Gegenteil des von ihm Gesagten unterstellen, auch wenn sich sein Wortlaut aus den autorisierten Redemanuskripten und Aufsätzen ergibt.
Historische Zusagen gelten nur, solange die Rechtssubjekte, die sie eingegangen sind, noch existieren. Der Osten Europas schaut sowieso auf die Russen herab und will nach Westen. Von daher hatte die Nato das Recht und sogar die Pflicht sich nach Osten auszudehnen.
Das alles mag man so sehen. Ich sehe darin eine billigende Inkaufnahme von Kriegen durch den Westen. Also Vorsatz im Rechtssinne. Den Vertretern der Sowjetunion war damals ebenso wie den Vertretern Russlands heute vollkommen klar, dass eine Ausdehnung der Nato in ihre Richtung alleine dem Zweck dient, sie ihrer strategischen Optionen zu berauben und den USA zu ermöglichen, sich ihrer Assets zu bemächtigen. So wie es der Westen geführt durch die USA seit dem Ende des WW2 wiederholt an allen Ecken der Welt vorexerziert hat. Exakt das ist bei Jelzin auch geschehen. Dass Putin dem einen Riegel vorgeschoben hat ist genau der Kern, was man ihm in der Nato und im Westen so übel nimmt. Man wird aber auch zur Kenntnis nehmen dürfen, dass Putin dafür im eigenen Land eine breitere Unterstützung genießt, als alle unsere letzten Bundesregierungen nach Kohl jemals hatten. (Ups, ich habe ja ganz vergessen, in Russland gibt es keine Demokratie. Also gibt es auch keine Untertützung für die Staatsführung.)
Das alles mag man bestreiten und mit Rechtsauslegungen, die ich nach wie vor für falsch halte, bestreiten. Die Russen haben zu jeder Zeit signalisiert, dass sie das nicht hinnehmen werden. Sie sind eine Atommacht, das gibt ihnen für uns höchst unangenehme Zwangsmittel. Die USA hat das nicht interessiert, es geht ja nur um Europa. Die Nato trägt damit eine Mitverantwortung an dem Ukrainekrieg, vollkommen unabhängig vom Einmarsch des russichen Militärs.
Wir sind zum Krieg verdammt, bis der Westen sich wieder auf Verständigung statt auf einseitige Dominanz besinnt.
Und mir ist dabei vollkommen gleichgültig, dass auch die Russen in ihrer Sphäre Dominanz ausüben. Ich schulde meine Aufmerksamkeit und Kritik meiner Heimat. Hier wähle ich, hier fällt mein Urteil am strengsten aus. Mein Augenmerk liegt auf unserer Politik. Und die ist nicht mehr ernstzunehmen und hat jede Glaubwürdigkeit verspielt. Über die westlichen Werte kann ich als gebürtiger Westler nur noch wahlweise lachen oder weinen.
Kleopatra
27. Oktober 2023 @ 15:57
Putins Aufsatz von 2021 ist voll von Argumentationen, weshalb dieser, jener und jener dritte Teil des ukrainischen Territoriums ihr ursprünglich nicht gehört habe und deshalb zurückgefordert werden könne, wobei dann außerdem Russland offenbar alles fordern kann, was einmal sowjetisches Territorium war… Selbst die Sprachpolitik der Zaren zur Unterdrückung des Ukrainischen wird von ihm gerechtfertigt, weil nach seiner Darstellung die moderne ukrainische Standardsprache ein Instrument heimtückischer Polen und Österreicher zur Spaltung des einheitlichen russischen Volkes sei. Und jedes ukrainische Nationalgefühl ist bei ihm eine Fiktion und von bösen, bösen Polen und sonstigen Fremden erfunden. Nur wenn jemand sich zu Russland bekennt, kann dieses Bekenntnis für Putin ein ernstzunehmendes sein. Das Recht der Sowjetrepubliken auf Austritt aus der UdSSR, das in jeder sowjetischen Verfassung bis zum bitteren Ende formal garantiert war (vgl. Brexit…) wird als gefährliche Zeitbombe für “unsere” Staatlichkeit bezeichnet, das heißt aber, dass er offenbar die Sowjetunion und nicht Russland als seinen Staat ansieht. Und so geht es weiter … Die von @Ralf zitierte Aussage, dass sinngemäß jemand, der unbedingt einen eigenen Staat will, den auch haben könne, ist nur vor dem Hintergrund richtig zu verstehen, dass der ganze übrige Artikel voll mit Argumenten steckt, weshalb die Ukraine kein richtiges Land ist und zu Russland gehört; und wo in dem Zitat drei Punkte stehen, ist bei Putin ein ganzer Absatz, der die Offenheit gegenüber der ukrainischen Selbständigkeit im Wesentlichen zurücknimmt.
Stef
28. Oktober 2023 @ 09:51
@Kleopatra: Ich könnte mit dieser Kritik am chauvinistischen russischen Nationalismus und an der russischen Staatsführung leben, würde sie nicht mit der Kritiklosigkeit an der westlichen Politik einhergehen. Die geben sich nämlich nichts, nur die Verpackung ist auf unserer Seite für unsere Wahrnehmung gefälliger. Deshalb macht es auch keinen Sinn, nur die Gegenseite zu kritisieren. Die Taliban auf beiden Seiten spielen sich dann die Bälle in der Eskalationsspirale zu und Einseitigkeit ist nur Wasser auf ihren Mühlen.
Frieden kann es nur zu universellen Bedingungen geben, das lernen wir schon im Sandkasten. Und seit zwei Jahrzehnten wird eben auch bei uns strategisch in die entgegengesetzte Richtung. Gewinnen tut dabei auf Sicht nur die Rüstungsindustrie.
Sonst müsste unsere Laiendarstellerin im Amt des Außenministers auch mal öffentlich feststellen, dass die Abwesenheit der USA in Syrien den unbedingten Respekt vor der territorialen Souveränität vermissen lässt. Um der regelbasierten Ordnung etwas Nachdruck zu verleihen…
Kleopatra
26. Oktober 2023 @ 13:09
Sowohl der Warschauer Pakt als auch die SU haben sich selbst aufgelöst. Selbst wenn der SU Zusagen über eine Nichterweiterung der NATO gemacht worden wären, würde dadurch nach Ende 1991 der Vertragspartner fehlen; und man könnte auch argumentieren, dass die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten sich jetzt nach einem anderen Militärbündnis umsehen können/wollen. Und was sagt der Wiener?
KK
26. Oktober 2023 @ 17:17
Falsch – als Rechtsnachfolger der SU wäre Russland der Vertragspartner, so wie ja zB im UN-Sicherheitsrat auch.
Mann, Mann, Mann, Frollein!
Kleopatra
26. Oktober 2023 @ 20:49
@KK: Rechtsnachfolgerin der UdSSR ist Russland immer nur dann, wenn seine Partner es als solche behandeln wollen. In der UNO war dies der Fall, obwohl man sich darüber streiten kann, wie vernünftig das war. Nicht zuletzt war aber die von UdSSR und Warschauer Pakt eingenommene Zone weg, in die sich die NATO ursprünglich nicht ausbreiten wollte.
KK
26. Oktober 2023 @ 22:41
@ Kleopatra:
Rechtsnachfolger ist man nicht nach Gutdünken eines anderen.
Allerdings ist das mit dem RECHT ja im Westen tatsächlich ja keinen Pfifferling mehr wert, denn es wird inzwischen ja immer so ausgelegt, wie es dem Westen gerade in den Kram passt. Da haben Sie insofern also – gemessen an Ihren sonstigen Einlassungen wohl unfreiwillig – den juristisch nicht haltbaren IST-Zustand beschrieben.
Kleopatra
27. Oktober 2023 @ 09:01
@KK: In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Völkerrecht vom innerstaatlichen Recht. Die Russische Föderation ist mit der untergegangenen Sowjetunion eindeutig nicht identisch (sie war einer ihrer Teilstaaten), deshalb können Vertragspartner der SU sich entscheiden, Russland als ihre Nachfolgerin anzusehen, müssen das aber nicht tun. Anders im bürgerlichen Recht, wo durchaus verbindlich festgestellt werden kann, dass ein Mensch oder eine juristische Person Gesamtrechtsnachfolger eines anderen ist.
Stef
27. Oktober 2023 @ 09:48
@ Kleopatra: Sie beschreiben das Wesen der Rechtsnachfolge. Russland hat diese faktisch angetreten und sie ist auch akzeptiert worden, sonst wäre Russland z.B. den Sitz im Sicherheitsrat losgeworden. Zwischen Russland und den anderen Nachfolgestaaten der SU wurden Verträge darüber geschlossen. Unter anderem mit der Ukraine ein Vertrag, auf dessen Grundlage die Ukraine die Atomwaffen abgegeben hat. Und, das ist der Teil der gerne unter den Teppich gekehrt wird, damit auch sehr unangenehme finanzielle Verpflichtungen ebenfalls an Russland losgeworden ist. Russland ist auch in die Rüstungskontrollverträge eingetreten und in andere internationale Vereinbarungen.
Letztlich spielt das aber keine große Rolle. Die Wiedervereinigung und die mit ihr einhergehende Zusage, die Nato nicht nach Osten zu erweitern, waren ein historischer Akt. Worte sind Schall und Rauch, Schriftstücke auch. Nur ist es reichlich Verlogen vom Westen anzunehmen, dass eine Missachtung historischer Vereinbarungen folgenlos bleibt. Wenn ich mit meinem Nachbarn eine Vereinbarung treffe, welche Kirschen vom Baum an der Grenze gepflückt werden dürfen und ich gegenüber dem neuen Nachbarn nichts mehr davon wissen will, kann es eben Ärger geben. Sich auf fehlende Rechtsnachfolge zu berufen ist hier wie dort eine billige Ausrede, weil man eigentlich meint, die Macht zur Durchsetzung eines günstigeren Status Quo zu haben. Wer bei historischen Vereinbarungen so agiert, wie hier der Westen und insbesondere die USA agiert haben, der bürdet den Beteiligten einen neuen Zyklus von Leid und Schrecken zu, weil die historische Lektion, die zur historischen Vereinbarung führte, offensichtlich missachtet wurde. Und die Betroffenen dieser Ignoranz der USA sind heute wir Europäer, die Russen und insbesondere die Ukrainer. Nur dass die Europäer und die Ukrainer sich gefügt und verkauft haben.
Ähnlich verhält es sich bei Taiwan, nur dass dort die historische Vereinbarung sich “Ein-China-Politik” nennt.
Kleopatra
27. Oktober 2023 @ 10:09
@Stef: Egal ob wir Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR ansehen oder nicht, wäre mit der Auflösung der UdSSR und des Warschauer Pakts auch die “Geschäftsgrundlage” für die tatsächliche oder behauptete Vereinbarung, “die NATO nicht nach Osten auszudehnen”, weggefallen. Durch die Auflösung des Warschauer Paktes existiert ja eben dessen Westgrenze nicht mehr, sondern nur noch die Westgrenze Russlands. Dass Sie die Länder Ostmitteleuropas metaphorisch als Russlands Kirschgarten und somit als sein Eigentum oder sein gepachtetes Territorium darstellen, ist auch eine üble Argumentation. Diese Nationen wollen alles sein, bloß nicht Eigentum Russlands, und den Hass und die Verachtung haben sich die Russen in der Sowjetzeit leider sehr engagiert verdient. Und selbst wenn man Ihre Metapher akzeptieren würde, so wäre eben der Pachtvertrag Ihres Nachbarn für die Obstwiese ausgelaufen und der Eigentümer (nämlich die ostmitteleuropäischen Nationen) hätte mit Ihnen einen neuen Pachtvertrag abgeschlossen, weil er mit dem bisherigen Pächter, nämlich den Russen, sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat. Es gibt einfach kein Naturrecht der Russen auf eine Einflusszone, und noch viel weniger darauf, anderen Völkern ihre Vorstellungen vom guten Leben, richtiger Frömmigkeit und normgerechtem Sexualverhalten etc. aufzuzwingen.
KK
27. Oktober 2023 @ 13:36
@ Kleopatra:
“…wäre mit der Auflösung der UdSSR und des Warschauer Pakts auch die „Geschäftsgrundlage“ für die tatsächliche oder behauptete Vereinbarung, „die NATO nicht nach Osten auszudehnen“, weggefallen.”
Was ändert sich mit der Auflösung eines Militärbündnisses oder dem Zerfall eines Staatengebildes an den Himmelsrichtungen? Es wurde ganz klar von westlicher Seite damals versichert, in diversen Protokollnotizen und ähnlichem nachzulesen, die NAhTOd nicht über die OSTgrenze der Bundesrepublik auszuweiten.
Und die Ostgrenze der Bundesrepublik hat sich zumindest bislang meines Wissens noch nicht in Richtung Osten verschoben – wenn auch einige ewig Gestrige speziell auch aus dem Vertriebenenlager, die ja traditionell russlandfeindlich eingestellt sind, das wieder herbeisehnen sollten.
ebo
27. Oktober 2023 @ 13:58
Sehe ich ähnlich. Mit der Auflösung der UdSSR und des Warschauer Pakte gab es keinen Grund mehr, die Nato nach Osten auszuweiten. Im Gegenteil: Sie hat(te) ihre Berechtigung verloren und hätte durch eine neue europäische Sicherheitsordnung ersetzt werden müssen, unter Einschluß Russlands.
Kleopatra
27. Oktober 2023 @ 15:38
Jedenfalls ist es ein gewaltiger Unterschied, ob ein Mitgliedstaat des Warschauer Paktes diesen verlässt, um sich der NATO anzuschließen, oder ob ein Land ihr beitritt, das keinem Militärbündnis angehört. Und während im ersten Fall die Grenze zwischen beiden Blöcken wirklich verschoben worden wäre, ist das im zweiten Fall nicht der Fall. Hier muss man entweder paranoid oder ein Anhänger alter russische-imperialistischer Träume sein, um einen Angriff auf Russland zu sehen, wenn Polen der NATO beitritt. Die NATO hat auch ursprünglich mit Russland die bekannten Abmachungen getroffen, die NATO-Truppen in Ostmitteleuropa weitgehend beschränken; nachdem Russland sich als nicht friedfertig zu erkennen gegeben hat, ist das natürlich hinfällig. Dass die NATO weiterhin notwendig ist, hat Putin gerade bewiesen.
Kleopatra
28. Oktober 2023 @ 09:35
Als informativer Nachtrag zu der Frage, welche Staaten als Rechtsnachfolger untergegangener Staaten gelten: Hierzu existiert ein völkerrechtlicher Vertrag, der diese Frage regelt, die sog. Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge (https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Konvention_%C3%BCber_die_Staatennachfolge_in_Vertr%C3%A4ge). Dieser Vertrag wurde nur von wenigen Staaten ratifiziert (daher ist er erst 1996 , also lange nach dem Zerfall der UdSSR, in Kraft getreten), und er ist zunächst nur für seine Vertragsparteien verbindlich (Liste der Vertragsparteien auf der Webseite der UNO, danach haben weder Deutschland noch Russland diesen Vertrag ratifiziert). Deshalb existiert wohl eben keine allgemeine Regelung für die Frage, ob Russland Rechtsnachfolger der UdSSR ist.
KK
28. Oktober 2023 @ 10:35
„Deshalb existiert wohl eben keine allgemeine Regelung für die Frage, ob Russland Rechtsnachfolger der UdSSR ist.“
Faktisch ist Russland es – denn es wurde nach dem Zerfall der SU von der UN als höchste intzernatiionale Institution auf diesem Planeten so behandelt. Nach über 30 Jahren derartiger Rechtspraxis kann man nicht nach Gutdünken davon wieder abrücken, wenn es einem nicht in den Kram passt. Auch Gewohnheitsrecht oder auch nur konkludentes Handeln setzt dort Recht, wo es keine allgemeinmgültigen und verbindlichen Regeln gibt. Und Regeln gibt es ja nach Ihrer eigenen Aussage überhaupt erst seit 1996, also NACH dem Zerfall der SU, aber eben noch nicht allgemeingültig für alle.
KK
27. Oktober 2023 @ 16:29
@ Kleopatra:
„Hier muss man entweder paranoid oder ein Anhänger alter russische-imperialistischer Träume sein, um einen Angriff auf Russland zu sehen, wenn Polen der NATO beitritt. Die NATO hat auch ursprünglich mit Russland die bekannten Abmachungen getroffen, die NATO-Truppen in Ostmitteleuropa weitgehend beschränken; nachdem Russland sich als nicht friedfertig zu erkennen gegeben hat, ist das natürlich hinfällig.“
Tut Ihnen das nicht selber weh?
Wer hat sich denn 1999 als „nicht friedfertig“ erwiesen und ein souveränes europäisches Land völkerrechtswidrig angegriffen und die Bevölkerung mit Bomben terrorisiert? Spätestens seit dem Kosovokrieg muss jeder vor der NAhTOd auf der Hut sein, weil sie eben ab dem Zeitpunkt nicht mehr glaubwürdig vorgeben konnte, ein reines „Verteidigungsbündnis“ zu sein. Und Polen hat nach dem WW2 durchaus Gebiete an Russland abtreten müssen – glauben Sie etwa, es gäbe in Polen keine Kräfte, die die zurückhaben wollen, ganz ähnlich derer in Deutschland, die die alten Ostgebiete jenseits der Oder zurückhaben möchten? Nein, in Russland mussten da alle Alarmglocken schrillen – spätestens, als die russischen Bemühungen um das „gemeinsame Haus EUropa“ konstant ins Leere liefen und EU und NAhTOd Russland am ausgestreckten Arm verhungern liess. Die Unterstützung des Putsches in Kiew 2014 durch den Westen war dann der Tropfen im Fass zuviel!
Arthur Dent
25. Oktober 2023 @ 21:23
Präventivkrieg heißt das ja auch nicht mehr, seit Irak heißt es Präemptivkrieg! Die USA sind den (spurlos verschwundenen) Massenvernichtungswaffen zuvor gekommen.
„Die Aussage Gorbatschows, der Westen habe ihm versprochen, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, wird gerne mit „Zeig mir den Vertrag, in dem das steht“ kommentiert.“ – 1989 existierte die Sowjetunion noch und als Siegermacht im WKII hat sie ein Veto-Recht bezüglich der Wiedervereinigung gehabt. Diese hätte weder Deutschland noch die USA auf´s Spiel gesetzt – man hätte Russland sicher alles mögliche zugesagt. Bestimmt gibt es noch private Notizen von Teltschik, Wörner, Genscher.
Der Ukraine-Krieg hat schon meines Erachtens 2014 angefangen. Ohne Russlands Einmarsch 2022 wäre Selenskyi längst nicht mehr Präsident. Noch am 4. oder 8. Februar 2022 erschien dazu ein Text in der SWP (Die Ukraine unter Präsident Selenskyi) – er hatte bis dato kein einziges seiner Wahlversprechen eingelöst (Frieden schaffen im Osten, Korruption beseitigen, Wirtschaft ankurbeln). Außerdem gab es erhebliche demokratische Defizite. Im Prinzip hatte er keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung.
“ Die Welt wartet auf einen neuen Georg Büchner.“ – der würde, ebenso wie Heinrich Heine, nur wieder von den Behörden verfolgt.
Thomas Damrau
25. Oktober 2023 @ 19:37
@Kleopatra
Danke für Ihren Kommentar. Damit wir die zwei Grund-Narrative herausgearbeitet, die sich – nicht nur in diesem Forum – unversöhnlich gegenüberstehen:
1) Die Völker Osteuropas haben sich von Russland bedroht gefühlt und sich Hilfe-suchend an die NATO gewandt. Die Ost-Erweiterung dient lediglich dem Schutz dieser Völker.
2) Die USA hatten nach 1990 nie ein Interesse an einer europäischen Friedensordnung gehabt, die Russland einschloss. Sie hatten noch nicht einmal Lust, die Pros und Cons zu erwägen. Stattdessen haben sie jeden Rückzug Moskaus (Auflösung des Warschauer Pakts, Auflösung der UdSSR) als Gelegenheit gesehen, ihren eigenen Einflussbereich auszudehnen – die Ernte des gewonnenen kalten Kriegs einzufahren.
Dazu einige Überlegungen:
– Die erste Osterweiterung der NATO wurde 1997 initiiert – zu einem Zeitpunkt als Russland mit internen Problemen beschäftigt war (wirtschaftliches Chaos nach intensiver Beratung durch westliche Wirtschaftsberater, Alkohol-abhängiger Präsident, Abspaltungsversuche Tschetscheniens). Und zu einem Zeitpunkt, als noch niemand wusste, war Putin war.
– Während die erste Erweiterung noch mit allgemeinen Ängsten der Beitrittskandidaten vor Russland begründet, war die Motivation für 2002 initiierte Runde (die erstmals zu einer gemeinsamen Grenze zwischen NATO und Russland führte) einfach „bevor es nicht mehr geht“. 2001 hatte Putin der NATO eine Sicherheitspartnerschaft angeboten – weshalb er die Erweiterung mit einem „schon OK“ kommentierte, obwohl die Erweiterung eine etwas seltsame Antwort auf sein Kooperationsangebot war. Bis dahin war also alles noch im grünen Bereich.
– 2008 kippte die Stimmung als der große Unilateralist George W. Bush auf einen Beitritt der Ukraine und Georgiens drängte. Damit fühlte sich Russland zum ersten Mal ernsthaft auf den Schlips getreten.
– Die Aussage Gorbatschows, der Westen habe ihm versprochen, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, wird gerne mit „Zeig mir den Vertrag, in dem das steht“ kommentiert. Diese Sichtweise erinnert mich an Versicherungsvertreter, die vor dem Vertragsabschluss alles mögliche versprechen, aber peinlich darauf achten, dass nichts schriftlich festgehalten wird … Ich habe diese Zeit selbst so erlebt, dass Gorbatschow im Glauben, er habe es mit ehrlichen Versicherungsvertretern zu tun, weitreichende Zugeständnisse gemacht hat, ohne dafür je eine Gegenleistung zu erhalten (was ihm von vielen Russen heute noch übel genommen wird). Das Gefühl Russlands, hereingelegt worden zu sein, trübt seit der ersten NATO-Osterweiterung die Stimmung.
– Deutsche Regierungs-Chefs waren sich sehr wohl bewusst, dass eine Osterweiterung zu Spannungen führen würden und standen deshalb auf der Bremse (Kohl 1995, Merkel 2008).
– Ein solcher Erweiterungsprozess wird irgendwann zum Selbstläufer:
1) Erste Staaten treten bei.
2) Der Beitritt steigert die Spannungen mit Russland. Die gefühlte Bedrohung steigt an.
3) Weitere Regierungen sehen sich zur Entscheidung „drinnen oder draußen“ gezwungen.
4) Weitere Beitritte folgen. Die Spannung steigt.
4) Am Ende möchte keine Regierung die letzte sein, deren Volk „draußen bleibt“.
a) Bei Staaten, deren Bevölkerung eher skeptisch ist, muss man eben warten, bis eine Regierung an die Macht kommt, die pro Beitritt ist. Auch wenn spätere Regierungen wieder eine skeptische Haltung haben, werden sie in der Regel nicht den Austritt anstreben, sondern eher eine Sonderrolle innerhalb beanspruchen (aktuell in der NATO Türkei, Ungarn und möglicherweise bald Slowakei).
b) Wo warten nichts hilft, kann man über diverse US-Think-Tanks Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen. (Die US-Administration hat sich damit gebrüstet, eine Menge Geld in die Ukraine „investiert“ zu haben.)
Aus diesen Überlegungen neige ich eher dem Narrativ 2) zu.
european
25. Oktober 2023 @ 20:21
@Thomas Damrau
“Die Aussage Gorbatschows, der Westen habe ihm versprochen, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, wird gerne mit „Zeig mir den Vertrag, in dem das steht“ kommentiert.”
Dazu muss man sich nur ins National Security Archive begeben um dort schwarz auf weiß nachzulesen, was Gorbatschow alles versprochen wurde und von wem. Da sind zum einen die Baker-Minutes. Auf Seite 8-9 kann man eindeutige Zusagen nachlesen, dass die Nato sich nicht nach Osten erweitern wird.
https://nsarchive.gwu.edu/document/16117-document-06-record-conversation-between
“Baker: I want to ask you a question, and you need not answer it right now. Supposing unification takesplace, what would you prefer: a united Germany outside of NATO, absolutely independent and without American troops; or a united Germany keeping its connections with NATO, but with the guarantee that NATO’s jurisprudence or troops will not spread east of the present boundary?
Gorbachev: We will think everything over. We intend to discuss all these questions in depth at the leadership level. It goes without saying that a broadening of the NATO zone is not acceptable.
Baker: We agree with that”
Dann gibt es noch ein weiteres wichtiges Dokument aus dem National Security Archive: Nato Expansion – What Gorbachev heard
https://nsarchive.gwu.edu/briefing-book/russia-programs/2017-12-12/nato-expansion-what-gorbachev-heard-western-leaders-early
Declassified documents show security assurances against NATO expansion to Soviet leaders from Baker, Bush, Genscher, Kohl, Gates, Mitterrand, Thatcher, Hurd, Major, and Woerner. Slavic Studies Panel Addresses “Who Promised What to Whom on NATO Expansion?”
und weiter….
“Washington D.C., December 12, 2017 – U.S. Secretary of State James Baker’s famous “not one inch eastward” assurance about NATO expansion in his meeting with Soviet leader Mikhail Gorbachev on February 9, 1990, was part of a cascade of assurances about Soviet security given by Western leaders to Gorbachev and other Soviet officials throughout the process of German unification in 1990 and on into 1991, according to declassified U.S., Soviet, German, British and French documents posted today by the National Security Archive at George Washington University (http://nsarchive.gwu.edu).”
Ein langes Dokument, das ich jedem nahelegen möchte, der immer noch nach “schriftlichen Beweisen” sucht.
Der Westen, insbesondere Deutschland, hat Russland, insbesondere Gorbatschow nach Strich und Faden belogen und betrogen. Noch beschämender ist, dass sich auf der Beerdigung des Mannes, der Deutschland die Wiedervereinigung ermöglichte, niemand nennenswertes hat blicken lassen. Mir fehlen dazu die Worte.
Thomas Damrau
25. Oktober 2023 @ 21:11
@european
Danke. Ich weiß, dass es diese Dokumente gibt, wollte aber keine Diskussion lostreten, wie diese Dokumente einzuordnen sind.
Mich stört schon die Grundhaltung „Kein formeller Vertrag? Nur Treu und Glauben, Handschlag unter Gentlemen? Mann, seid ihr naiv! Seht das als kostenlose Lehrstunde zur Bedeutung westlicher Werte. Und nun aus dem Weg!“
Kleopatra
26. Oktober 2023 @ 06:21
@Thomas Damrau: So kann man das sehen, wenn man sich primär auf Texte und Diskussionen aus Westeuropa und Nordamerika stützt. Als Slavist, der sich gut daran erinnert, wie in den 1980er Jahren schon ein einziges korrekt ausgesprochenes russisches Wort in Tschechien oder Polen einen regelrechten körperlichen Widerwillen hervorrief und wie sehr vor 1990 Äußerungen in Ost(mittel)europa ohne Russland von einer Verbindung aus ohnmächtiger Wut über die Russen und Verachtung für ihre wahrgenommene Primitivität gekennzeichnet waren, gehe ich davon aus, dass das Hauptinteresse an der NATO-Mitgliedschaft bei den jeweiligen neuen Mitgliedstaaten lag. Den USA wäre es z.B. wohl nicht allzu schwer gefallen, auf ein NATO-Mitglied in unmittelbarer Nähe St.Petersburgs zu „verzichten“, aber die Esten wollten unbedingt mit potentieller Nuklearkriegsdrohung gegen Russland gesichert sein, und Gleiches gilt für andere Länder mutatis mutandis. Ostmitteleuropa in den 1980er war weitgehend ein Margaret-Thatcher-Fanclub, was den Wunsch nach einer harten Haltung gegenüber Russland/UdSSR betrifft.
KK
26. Oktober 2023 @ 12:19
“Den USA wäre es z.B. wohl nicht allzu schwer gefallen, auf ein NATO-Mitglied in unmittelbarer Nähe St.Petersburgs zu „verzichten“, aber die Esten wollten unbedingt mit potentieller Nuklearkriegsdrohung gegen Russland gesichert sein, und Gleiches gilt für andere Länder mutatis mutandis.”
Dann hätten die USA nur unter Hinweis auf ihre Zusagen gegenüber der SU/Russland “NO” sagen müssen! Dass sie das eben nicht getan haben zeigt doch deren Absichten. Sicherheitsgarantien hätten sie auch ohne NAhTOd-Mitgliedschaft abgeben können.
Thomas Damrau
25. Oktober 2023 @ 13:08
@Kleopatra
PS: Das Copyright für meinen vorigen Beitrag liegt bei mir – nicht in irgendwelchen Trollfabriken.
Stef
26. Oktober 2023 @ 09:55
@ Kleopatra: Danke für den Link zu Putins Aufsatz, den ich mit Interesse gelesen habe. Vergleichbares hat Putin auch am Tag der Invasion der Ukraine im Februar 2022 mündlich verlautbart. Übrigens wäre mir bisher noch nie eingefallen, diesen Einmarsch völkerrechtlich irgendwie legitimieren zu wollen, das wäre ein a priori aussichtsloses Unterfangen.
Was den Vergleich Putins mit Hitler angeht halte ich ihn auch nach der Lektüre des Artikels für vollkommen deplatziert. Putins Artikel ist zweifslohne getragen vom Pathos des russischen Nationalismus und seine historischen Ausführungen sind entsprechend geprägt und vermutlich einseitig. Hier mag ich mit viel Toleranz noch eine Parallele zum schwülstigen Nationalismus der Nationalsozialisten erkennen, wobei Putin jede Spur von der aggressiven Blut und Boden-Rhetorik der Nazis fehlt. Putin bezeichnet Ukrainer und Russen als Brüder und ein Volk, darin mag ich keine Ankündigung der Einverleibung des ukrainischen Staates sehen. Im Gegenteil sagt er explizit, dass ein ukrainisches „Nation-Forming“ nicht nur legitim ist, sondern auch Respekt verdient. Aber er stellt diesem ukrainischen Nationalprojekt auch seinen (russischen) subjektiven historischen Kontext entgegen.
Er kommt zu der Aussage, dass die ukrainischen Nationalisten den Donbass „nicht brauchen“, weil die Bewohner des Donbass den ukrainischen Nationalismus niemals akzeptieren werden und weil die in Minsk 1 und 2 vorgesehene Teilautonomie des Donbas nicht in der Logik der ukrainischen Nationalisten liegt. Ersteres hat sich in zahlreichen gestzgeberischen, polisischen und militärischen Maßnahmen der offiziellen ukrainischen Institutionen seit 2014 für alle nachlesbar dokumentiert. Die Missachtung der Minsk-Verträge hat sich ebenfalls als historischer Fakt bestätigt, die Ukraine hat zu keinem Zeitpunkt ihr Interesse gezeigt, die von der Ukraine selbst abgeschlossenen Verträge Minsk 1 und 2 zu respektieren. (Bemerkung, auch wenn es wehtut: Merkel und Hollande haben kürzlich übereinstimmend verkündet, dass ihrerseits diese Verträge der Ukraine auch nur die Zeit für die Aufrüstung erkaufen sollten. Mit anderen Worten hat auch unsere Staatsführung die ukrainische Staatsführung dabei ermutigt, völkerrechtliche Verträge abzuschließen, diese dann vom UN-Sicherheitsrat ratifizieren zu lassen und das alles ohne den Willen zu haben, sich daran zu halten. Was sollen Russen davon halten?)
Eine Anküdigung, die Urkaine in der einen oder anderen Form zu übernehmen, konnte ich nirgends entdecken und ich sehe den Artikel und auch die anderen Verlautbarungen von Putin und Lawrow auch nicht als in diese Richtung interpretierbar an.
Für eine Gleichsetzung Putins mit Hitler fehlt mir darüber hinaus vollständig die Dimension der Vernichtung und der rassischen Herabsetzung des „Gegners“, die den Nazis von vornherein zueigen war. Insgesamt finde ich den Vergleich nach wie vor vollkommen verfehlt und er verniedlicht den Nationalsozialismus dramatisch. Das mag für uns Deutsche manchmal verführerisch und erleichternd wirken, politisch machen wir damit wieder eine gefährliche „Büchse der Pandora“ auf, die wir ohne Katastrophe nicht mehr zukriegen werden.
Eine entsprechender Vergleich der ukrainischen Nationalisten, die bis heute als eine oder sogar die maßgebliche politische Kraft die Ukraine in diese Katastrophe getrieben haben, käme bei mir in dieser Hinsicht schon wesentlich klarer zu einer Vergleichbarkeit mit den Nazis, schon deshalb, weil sie sich auf diese erkennbar und offensiv berufen. Diesen extremen Sprachgebrauch haben sich die offiziellen Vertreter der ukrainischen Regierung allerdings für mich erkennbar bisher allerdings nicht zu eigen gemacht.
Die Diskussion hier ist interessant und jetzt auch sachlicher geworden.
Zu den Versprechen beim Fall der Mauer ist zu sagen, dass es sich um eine historische Zäsur handelte und die Haltung der USA und des Westens, kleinkariert auf fehlende bindende schriftlich Zusagen zu verweisen, ihre historische Glaubwürdigkeit unterminiert. Insbesondere die Russen haben die Sowjetunion unblutig abgewickelt, dafür verdienen sie noch auf Jahrzehnte unseren Dank. Und sie haben die Wiedervereinigung ermöglicht, die nach den Verbrechen der Nationalsozialisten kaum redlich zu beanspruchen war. Diese historische Leistung wurde und wird vom Westen mit Füßen getreten. Gleichzeitig wurde auf die Russen kulturell herabgesehen. Historischer Undank ist der Begriff, der mir dazu einfällt.
Kleopatra
26. Oktober 2023 @ 10:45
@Stef: Alle verbalen Anerkenntnisse der ukrainischen Selbständigkeit in Putins Aufsatz sind letztlich Lippenbekenntnisse, die durch die übrigen Textteile wiederlegt werden; und insgesamt will Putin der Ukraine in diesem Text eine Selbständigkeit nur zu seinen Bedingungen und in dem Rahmen und Umfang, der ihm passt, zugestehen.
In Verhandlungen wird viel gesagt, angeboten, wieder verworfen etc. Deshalb ist es eben tatsächlich entscheidend, was man zum Abschluss der Verhandlungen gemeinsam fixiert, und deshalb ist es keine kleinliche Haltung, auf dem Vertragsinhalt als verbindlich zu bestehen, sondern die einzige sinnvoll mögliche. Ohnehin standen alle Aussagen, dass die NATO nicht “nach Osten erweitert” werden solle, unter der Prämisse, dass der Warschauer Pakt und die Sowjetunion weiterbestehen würden. Was Achtung vor Russen betrifft (Vorsicht: grob vereinfachende Zusammenfassung!): In Deutschland haben sie m.E. noch einen relativ guten Ruf, in Ost- und Ostmitteleuropa hingegen werden sie als primitiv und brutal verachtet.
KK
26. Oktober 2023 @ 12:14
“Ohnehin standen alle Aussagen, dass die NATO nicht „nach Osten erweitert“ werden solle, unter der Prämisse, dass der Warschauer Pakt und die Sowjetunion weiterbestehen würden.”
Merken Sie eigentlich, was Sie da schreiben? Unter dieser “Prämisse” hätte eine NAhTOd-Osterweiterung nur auf Kosten eines veritablen Krieges stattfinden können – und das wird dann so per Handschlag ohne schriftliche Fixierung vereinbart?
Ein Wiener würde dazu jetzt eine Aufforderung anschliessen, die ich hier nicht zitieren möchte…
Thomas Damrau
25. Oktober 2023 @ 12:59
@Kleopatra
@Kleopatra
Präventiv-Kriege sind (außer die USA greifen den Irak an) tatsächlich nicht erlaubt.
Es lohnt sich aber trotzdem die Lage Ende 2021 spieltheoretisch zu analysieren.
Die Ereignisse des Jahres 2021 (habe ich schon an anderer Stelle erkäutert: Wiedereinsetzen von Frau Nuland – gemeinsame Ukraine-Nato-Manöver – Selenskyjs bekundete Absicht, sich die Krim wiederzuholen) haben Putin in ein Dilemma gebracht. Putin konnte entweder:
1) Druck machen und verhandeln, um die weitere Annäherung der Ukraine an die NATO zu stoppen
2) Die Integration der Ukraine in die NATO zähneknirschend hinnehmen (wie alle bisherigen NATO-Osterweiterungen)
3) Gewalt anwenden
Biden ist davon ausgegangen, dass Putin Option 2) wählen würde. Das war eine Fehleinschätzung.
Das rechtfertigt nicht die Wahl von Option 3) (mit all den damit verbundenen Exzessen) durch Putin. Aber der unschuldige Dackelblick Bidens (“wie kann man nur”) ist heuchlerisch: Biden war sich Putins Dilemma sehr wohl bewusst, aber hat Option 1) blockiert, um Putin nur noch die Wahl zwischen 2) und 3) zu lassen.
Katla
25. Oktober 2023 @ 15:39
@Thomas: ich glaube sogar, dass er – oder seine Berater wenigstens – wusste, dass für Putin auch Option 2 indiskutabel ist. Da wurde eher bewusst ein einziges Stöckchen zum Rüberspringen hingehalten.
Kleopatra
25. Oktober 2023 @ 16:24
@Thomas Damrau: Ich glaube Ihnen, dass Sie Ihre Meinung äußern. Wenn Sie allerdings Frau Nuland und ihre Ernennung auf ein Amt im Jahr 2021 ins Spiel bringen: sie war seit Mai 2021 Unterstaatssekretärin. Die programmatischen Texte Putins zur Rechtfertigung der Aggression (http://en.kremlin.ru/events/president/news/66181) erschienen bereits am 12. Juli 2021. Spricht das nicht eher dafür dass Putins Politik von langer Hand vorbereitet war? Dass die Ukraine ihre Armee mit der NATO üben ließ: viel mehr Möglichkeiten hatte sie ja gar nicht, oder hätte sie sich an Russland wenden sollen? Sofern Sie sich auf die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die NATO und deren reellen Schutz beziehen: Die hatten nun einmal ihre Erfahrungen mit Russland und daher ein echtes Schutzbedürfnis. Russland muss verstehen, dass es im Verhältnis zu den anderen Staaten Ost- und Mittelosteuropas nur dann langfristig Vertrauen aufbauen kann, wenn es auf jegliche Drohgebärden verzichtet. Sonst steht es da wie in dem Spruch, der dem von Putin bewunderten Alexander III. zugeschrieben wird: seine einzigen Freunde sind das eigene Heer und die eigene Flotte.
Immerhin begründen Sie Ihre Ansicht mit der Spieltheorie. Sie verzichten dadurch auf den Versuch, Russlands Aggression moralisch zu rechtfertigen, und das ist sehr zu loben. Biden tut aber nicht unschuldig und unwissend, sondern die USA haben in den Monaten vor dem Angriff alle europäische Staaten auf den bevorstehenden Krieg hingewiesen (wollten nicht alle glauben) und versucht Russland davon abzuhalten.
ebo
25. Oktober 2023 @ 16:29
Haben die USA wirklich versucht, Russland abzuhalten? Zweifel sind erlaubt – neue Nahrung erhalten sie durch diesen Artikel aus dem “New Yorker”: https://www.newyorker.com/magazine/2023/10/16/trial-by-combat
Kleopatra
25. Oktober 2023 @ 17:16
Ich habe das aus der schon etwas älteren Artikelserie in der Washington Post. Hier im New Yorker geht es in der Tat vor allem um Interna der amerikanischen Führung während des Krieges (kaum vorher).
Armin Christ
26. Oktober 2023 @ 09:11
Bei Kleopatra sind doch immer wieder Thesen (andere sagen Propaganda) aus der wertewestlichen Trollfabrik zu lesen.
Thomas Damrau
24. Oktober 2023 @ 23:37
Haben wir nicht schon genügend Länder, die einen substantiellen Anteil ihres BIP mit dem Export von Utensilien für Mord&Totschlag erwirtschaften – und deshalb daran interessiert sind, dass es genügend Konflikte gibt? Die Welt wäre ein friedlicherer Ort, wenn Krieg nicht ein so gutes Geschäft wäre …
Wie es schon die alten Römer praktiziert haben: Si vis bellum, para bellum. (In den Sonntagsreden hieß das natürlich anders.)
(Nebenbei: Die ukrainische Rüstungs-Industrie vor schon dem Überfall durch Russland nicht zu vernachlässigen.)
Kleopatra
25. Oktober 2023 @ 08:59
@Thomas Damrau: Ganz langsam zum Mitschreiben: Die. Ukraine. hat. diesen. Krieg. nicht. angefangen. Beide beteiligten Länder könnten Frieden haben, wenn die in Moskau regierende Verbrecherbande nicht die Ukraine überfallen hätte (und es wären dann auch keine ukrainischen Kinder nach Russland entführt worden, keine Vergewaltigungen, Morde an Zivilisten und was dergleichen russische „Heldentaten“ mehr sind). Da sich aber Russland so aufführt, sind alle in einiger Entfernung zu ihm liegenden Länder leider gezwungen, sich militärisch so auszustatten, dass sie sich im Fall eines Falles entschieden wehren können (alle betroffenen könnten sich auch lustigere Möglichkeiten vorstellen, wofür sie ihr Geld ausgeben). Dass die Ukrainer gern einen möglichst großen Teil ihrer (s.o.) leider notwendigen Rüstung lieber selbst herstellen als bei Olaf Scholz und dergl. erbetteln, sollte auch nachvollziehbar sein; und dass sie diese anderen gleichgesinnten Verbündeten auch zum Kauf anbieten, macht Sinn. Wären die Fundamentalkritiker bereit, sich ausrauben, ermorden, foltern, vergewaltigen (und alle Kinder nach Russland entführen) zu lassen?
Stef
25. Oktober 2023 @ 09:29
@ Kleopatra: Von oben herab argumentiert und auch noch schlecht.
Die Ukraine hat sich vom Westen auf einen extrem nationalistischen und aggressiven Kurs gegen Russland und gegen die in der Ukraine lebenden russissprachigen Menschen bestärken und verleiten lassen. Selbst Selenski ist zwar mit einem Versöhnungsprogramm gewählt worden, aber dann in das Lager der Ultranationalisten gewechselt und zwar nicht auf Betreiben Russlands. Diesen Kurs hat die Ukraine sich selbst gegeben. Das ukrainische Militär führt im eigenen Land seit dem Maidan einen Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung im Donbass und gegen diejenigen Teile der Bevölkerung, die gegen den nationalistischen Kurs und gegen die bedingungslose Zuwendung zum Westen und Abwendung von Russland sind. Die Toten in diesem Krieg sind keine Erfindung. Die Streichung sämtlicher Sozialleistungen für die Bewohner des Donbass sind ebensowenig russische Propaganda wie das Verbot der russischen Amtssprache und andere drastische Diskriminierungen.
Wenn wir von Verbrecherbanden an der Spitze imperialistischer Staaten sprechen, dann verdienen die USA seit dem Ende des WW2 unangefochten den Spitzenplatz. Gegenüber Russland haben die USA auf dem europäischen Territorium seit dem Mauerfall eine Politik betrieben, die die jetzt erfolgenden Eskalationen mindestens billigend in Kauf genommen, eher noch strategisch verfolgt hat. Die wesentlichen Rüstungskontrollverträge, die den Kalten Krieg beendet haben, sind seit 1990 von den USA gekündigt worden, als man sich als die einzig verbleibende Supermacht wähnte und Russland zur Regionalmacht herabgestuft hat. Ein Rakatenabwehrschild ist gegen Russland aufgestellt worden und jede andere noch so hell leuchtende rote Linie Russlands ist systematisch missachtet worden.
Das alles kann man machen, sich dann aber über die Gegenmaßnahmen zu wundern und diese als die eigentliche Aggression zu bezeichnen ist schon extrem einseitig.
Das alles vermag natürlich den russischen Einmarsch in die Ukraine nicht zu rechtfertigen. Dieser war aber eben nie die Ursache oder auch nur der Anfang der Geschichte, sondern nur ihr trauriger Höhepunkt.
Es scheint Ihnen ja ziemlich schwer zu fallen, das ganze Bild zu sehen statt nur eines kleinen Ausschnitts. Dafür garnieren sie ihren Ausschnitt aber auch mit allerlei blumigen Vokabeln und einseitigen Schuldzuweisungen. Als würde in dem Ukrainekrieg oder auch in irgendeinem anderen Territorialkrieg in der Geschichte der Menschheit alleine eine Seite Grausamkeiten und Verbrechen begehen, während die andere Seite keine Verbrechen begeht, immer gute Gründe und tragende Rechtfertigungen hat.
Wer so etwas glaubt, perpetuiert freiwillige oder unfreiwillig die Logik des Krieges und darf sich nicht wundern, wenn außer noch mehr Krieg alle anderen Wege verbaut sind. Diese Erkenntnis hatten wir in Europa schon einmal nach dem Ende von zwei Weltkriegen. Brauchen wir erst erneut ein solches Ausmaß der Zerstörung, um wieder von unserer Hybris herunterzukommen, dass nur wir das Recht auf unserer Seite haben und nur wir das einzig Richtige zu erkennen vermögen? Wenn ich Ihre Beiträge lese, fürchte ich fast, dass uns dieser steinige Weg bevorsteht.
Thomas Damrau
25. Oktober 2023 @ 10:40
@Kleopatra
Ich bin in meinem Beitrag nicht (wie Sie mir unterstellen) auf die Kriegsschuldfrage eingegangen, sondern wollte darauf hinweisen, dass man einen “militärisch-industriellen Komplex” (Eisenhower) nicht mehr los wird, wenn er sich erst einmal etabliert hat. Eisenhower hat diesen Begriff mit Blick auf die USA geprägt, die im 2. Weltkrieg eine riesige Rüstungsindustrie geschaffen haben. Und diese Rüstungsindustrie hat seitdem einen unangemessenen Einfluss auf die US-Außenpolitik. Eisenhowers Warnung vor der Macht der Rüstungsindustrie stammt aus den 1950er. Heute geben die USA immer noch einen aberwitzigen Anteil ihres Haushalts für Rüstung aus (und verschulden sich entsprechend exzessiv). Damit sich diese Ausgaben rechtfertigen lassen, braucht es
– ein Selbstbild als Weltpolizist
– eine paranoide Weltsicht, die sich ihre Krisenherde im Zweifelsfall selbst schafft
– die Entschlossenhait, sich im Zweifelsfall den Weg freizuschießen.
Zurück zur Ukraine: Was auch immer die Ukraine plant, wird wenig Einfluss auf den aktuellen Krieg haben: Man kann nicht gleichzeitig große Teile der Bevölkerung an die Front schicken, durch den Krieg zerstörte Infrastruktur notdürftig flicken und gleichzeitig neue industrielle Kapazitäten aufbauen. Es steht eher zu befürchten, dass eine Nachkriegs-Ukraine auch beim Thema Rüstung zur verlängerten Werkbank der (Rüstungsindustrie in der) EU wird und damit das Angebot an Waffen erweitert wird.
Die Welt leidet nicht an einem Mangel an Waffenproduzenten, sondern an einem Mangel an guten Diplomaten.
Kleopatra
25. Oktober 2023 @ 10:45
@Stef: Für die Adresse der Trollfabrik oder russischen Propagandaseite, wo Sie Ihre “Informationen” herbeziehen, wäre ich Ihnen gelegentlich dankbar.
Kurz zu Ihren Argumenten: Sie stellen den russischen Angriff letztlich als einen Präventivkrieg dar. M.W. gelten solche aber heute auch nicht mehr als völkerrechtlich zulässig, und überhaupt möchte ich wissen, inwiefern Sie die Kriegsverbrechen der russischen Besatzungstruppen in diesem Zusammenhang als “Gegenmaßnahmen” gegen eine herbeifantasierte Bedrohung Russlands interpretieren. (Kinder zu entführen, mit dem Hintergedanken, dass sie dann in einigen Jahren für “uns” gegen “die” kämpfen, ist eine genuine Naziidee). Die Koexistenz verschiedener Staaten in Europa setzt den unbedingten Respekt vor der Souveränität aller anderen voraus, für russische Fantasien von Einflusszonen etc. ist da kein Platz; und viele Russen hatten leider seit jeher Schwierigkeiten, zu akzeptieren, dass die Ukraine ein eigener Staat und nicht Teil Russlands ist. Wenn die von Putin angestrebte Wirtschaftsunion der Ukraine mit Russland so toll wäre, hätten die Ukrainer sich wahrscheinlich freiwillig für sie entschieden; aber Freihandel mit der EU ist nun einmal attraktiver als mit Russland, und beides gleichzeitig schließt sich aus. (Wer diese Aussage bezweifelt, braucht sich nur anzusehen, in welche höllischen Komplikationen man beim Versuch gerät, Nordirland gleichzeitig als Teil des Vereinigten Königreichs zu behandeln und den Freihandel mit der Republik Irland aufrechtzuerhalten).
Seine Absicht, die Ukraine in der einen oder anderen Form zu übernehmen, hat Putin mit einem Schwall pseudohistorischer Argumente begründet und dieses Machwerk im Sommer 2021 auf seiner offiziellen Präsidenten-Website veröffentlicht. Warum sollte man dieses offene Bekenntnis Putins, dass er die ukrainische Unabhängigkeit sowenig respektiert wie Hitler seinerzeit die österreichische, nicht ernst nehmen?
ebo
25. Oktober 2023 @ 11:00
Bitte keine Unterstellungen. Die Passage mit der “Trollfabrik” ist unsachlich, beim nächstenmal lasse ich das nicht mehr durchgehen.
WHG
25. Oktober 2023 @ 12:17
Kleopatra: Ich habe den Eindruck das sie die Zusmmanhänge des Ukraine Krieges nicht verstanden haben. Informieren sie sich mal umfassend nicht nur in den Mainstream Medien.
KK
25. Oktober 2023 @ 12:28
@ Kleopatra:
“M.W. gelten solche [Präventivkriege] aber heute auch nicht mehr als völkerrechtlich zulässig”
Wie beurteilen Sie die aktuellen Bombardierungen von Zielen in Syrien durch Israel?
Stef
25. Oktober 2023 @ 13:20
@ Kleopatra: Welchen Präventivkrieg meinen Sie? Davon war bei mir nicht die Rede. Ich will nur die Ursachen des Konflikts verstehen. Und da stelle ich fest, dass sich die Ukraine entgegen Ihrer Darstellung nicht für den Freihandel mit der EU entschlossen hatte, sondern dagegen. Janukovic wollte den entsprechenden Vertrag mit der EU nicht unterzeichnen, anschließend ist er weggeputscht worden. Das kann man auch als Euromaidan etikettieren, es ändert nichts an der Natur des Vorgangs.
Den Respekt vor der territorialen Souveränität Serbiens hat die EU im Kosovokrieg leider vermissen lassen. So hoch scheint dieser Wert nicht zu hängen, wenn nur der Gegner böse genug aussieht. Es war ein ziemlich folgenreicher und dummer Fehler der Nato und der EU, diese völkerrechtliche Büchse der Pandora zu öffnen. Jetzt kann Russland diesen Präzendenzfall für seine Zwecke nutzen. Das ist genau das Problem an Einseitigkeit und Hybris.
Unangebracht finde ich Ihren Vergleich Putins mit Hitler. Das sind Relativierungen von Figuren und Verbrechen des Dritten Reiches, die in vielfacher Hinsicht politisch auf uns zurückfallen werden.
Historische Fakten sind halt manchmal unbequem…
Ich konstatiere, dass ich während eines laufenden Krieges in der Regel nur sehr schwer verifizierte Informationen über Ereignisse bekommen kann, die der politischen Kommuniation der Konfliktparteien dienen. Auch keine über angeblich entführte Kinder und erst recht keine über die Motive der vermeintlichen Entführer. Sie scheinen da über unparteiliche und unbestechliche Erkenntnisquellen zu verfügen…
All dies lenkt aber auch nur von der Kernfrage ab, wie wir einen Krieg beenden wollen, solange wir uns extrem einseitig positionieren, auf unserer Hybris ausruhen und immer neue Waffen in den Konflikt pumpen. Ich gebe Thomas Damrau uneingeschränkt recht, wenn wir es so weiter treiben lassen, wird sich nur das Rüstungskapital auf allen Seiten darüber freuen.
Besser wird Ihre Argumentation allerdings nicht, wenn man fehlende Argumente und Geschichtskenntnis durch Polemik und die Verwendung von Unterstellungen kompensiert.
Mich würden allerdings konkrete Belege für diese Aussage von Ihnen interessieren: “Seine Absicht, die Ukraine in der einen oder anderen Form zu übernehmen, hat Putin mit einem Schwall pseudohistorischer Argumente begründet und dieses Machwerk im Sommer 2021 auf seiner offiziellen Präsidenten-Website veröffentlicht.”
Kleopatra
25. Oktober 2023 @ 16:53
@Stef: Wenn Sie sich für Putins Propaganda-Aufsatz interessieren, hier ist er: http://en.kremlin.ru/events/president/news/66181 .
Mich erinnert das jedenfalls wirklich an Hitler über Österreich: „Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich“. Was die Entführung von Kindern betrifft, so halten die Russen das soweit für selbstverständlich, dass sie sich mehr oder weniger offen dazu bekennen. Frau L’vova-Belova agiert jedenfalls nicht im Untergrund, sondern bekennt sich offen dazu, dass sie ukrainische Kinder, die in ihre Gewalt geraten, dazu erziehen lässt, mit Liebe die russische Hymne zu singen; die Parallele zu Nazi-Aktionen in den besetzten osteuropäischen Staaten ist mehr als offenkundig. Ich habe selbst bis zum 24.2.2022 den bereits damals sehr gängigen Scherz, Putin „Putler“ zu nennen, als geschmacklos empfunden; seither nicht mehr.
Ralf
26. Oktober 2023 @ 08:29
Zu dem Text von Putin von 2021 zur „historischen Einheit von Russen und Ukrainern“, den Kleopatra hier dauernd anführt, als würde da eine Invasion der Ukraine begründet (hier eine deutsche Übersetzung: https://grams-it.com/cms/blog/putins-manifest-ueber-die-historische-einheit-von-russen-und-ukrainern): Man mag die historischen Abhandlungen finden wie man will, er bestreitet aber nicht die Ukraine als Staat oder fordert die wieder an Russland anzuschließen, im Gegenteil: „Die Dinge ändern sich: Länder und Gemeinschaften sind keine Ausnahme. Natürlich kann sich ein Teil eines Volkes im Verlauf seiner Entwicklung, beeinflusst durch eine Reihe von Gründen und historischen Umständen, zu einem bestimmten Zeitpunkt als eigenständige Nation bewusst werden. Wie sollen wir das behandeln? Darauf gibt es nur eine Antwort: mit Respekt! Du willst einen eigenen Staat gründen: Du bist willkommen! (…) Die Russische Föderation hat die neuen geopolitischen Realitäten erkannt: und nicht nur erkannt, sondern tatsächlich viel für die Etablierung der Ukraine als unabhängiges Land getan.“
Anbei weiterhin die Reden zur Anerkennung der Rebellenrepubliken und zum Kriegsbeginn. In allen diesen Texten und in anderen Äußerungen Putins oder der Regierung Russlands ist nicht davon die Rede, ein großrussisches Reich wiederherstellen zu wollen.
https://www.anti-spiegel.ru/2022/praesident-putins-komplette-rede-an-die-nation-im-wortlaut/
https://www.anti-spiegel.ru/2022/putins-komplette-rede-an-das-russische-volk-zum-beginn-der-militaeroperation/
Die realen Hintergründe sind andere. Putin bezeichnet in den seinen Texten/Reden v.a. die Entwicklung seit 2013/14, die fortschreitend antirussische Politik der Ukraine und des Westens und die Zuspitzung dessen und die Bedrohung Russlands als Gründe für den Einmarsch.
Kleopatra
26. Oktober 2023 @ 09:03
@Ralf: Die Interpretation von Texten, die einen Geheimdienstmann (und somit ausgebildeten Lügner) wie Putin zum Autor haben, ist schwierig, und man darf nicht alles wörtlich nehmen und eine ausführliche Analyse würde den Rahmen eines Blogkommentars sprengen. Aber erstens beginnt er mit der Aussage, dass er Russen und Ukrainer als _ein_ Volk sieht, und zweitens sowie vor allem: die Website eines Präsidenten dient nicht zur Publikation unverbindlicher Meinungsäußerungen; wenn ein Staatsoberhaupt öffentlich erklärt, dass es die Bevölkerung eines angrenzenden Staates als Teil des eigenen (Staats)Volkes ansieht, genügt allein dieser Umstand, damit die Äußerung als Infragestellung der Souveränität des Nachbarn gelten muss. Was Sie aus dem Sermon zitieren, sind Lippenbekenntnisse. Nebenbei bemerkt: die deutsche Übersetzung ist schlecht und vielleicht maschinell, wahrscheinlich ist die englische Fassung von Putins Website besser.
Corona Hotspot
24. Oktober 2023 @ 14:13
Ja, passt, wenn man es vor dem Hintergrund sieht, dass dort „Heavenly Israel“ entsteht. Nicht, dass es jemand interessieren würde. Am allerwenigsten die Polithuren des EU-Knastes.
Katla
24. Oktober 2023 @ 14:02
Was ist eigentlich aus dem Geraune geworden, dass die Hamas bei den Anschlägen auf Israel westliche Waffen, die aus der Ukraine stammen, verwendet hat? Vermutete/entlarvte russische Propaganda? Jedenfalls ist es sehr still geworden um dieses Thema.
Wenn man aber beide Augen richtig zukneift, dann ist es eigentlich eine sehr gute Nachricht, wenn sich die Ukraine in Sachen Waffenhandel legale (und damit kontrollierbare) Strukturen gibt.
Bogie
24. Oktober 2023 @ 12:56
Ein korruptes Land mit einer hybriden Regierungsform, ausgestattet mit einer Kaste von Oligarchen und einer weiteren von Rechtsradikalen will die Waffenschmiede der „freien Welt“ werden.
Wäre es nicht so bitterernst, könnte es der Stoff für eine Komödie sein und einen Hauptdarsteller gibt es ja schon.
ebo
24. Oktober 2023 @ 13:43
Ja, aber von der komischen wechselt er doch langsam in eine tragische Rolle…
Karl
25. Oktober 2023 @ 08:43
Sehr wahr: Der Stoff ist anspruchsvoll, fordert die Tragödie!
Die Welt wartet auf einen neuen Georg Büchner.
KK
24. Oktober 2023 @ 12:55
Passt zur Bandera/OUN-Nazi-Ideologie, die in dem Land vorherrscht. Und das mit den Auftragsmorden unterscheidet sich nicht mehr von der Organisierten Kriminalität. Da haben “wir” uns schöne Freunde angelacht.
ebo
24. Oktober 2023 @ 13:42
Da die CIA geholfen hat, wird es schon in Ordnung gehen 😉