Endspiel in London – Warnung aus Paris
In London hat das Endspiel um den Brexit begonnen. Soft soll er werden und mit einer britisch-europäischen Freihandelszone enden, wünscht sich Premierministerin May. Doch in Brüssel beißt sie auf Granit.
„Durchführbar und realistisch“ müssten die britischen Vorschläge für die Zeit nach dem Brexit sein, fordert EU-Chefunterhändler Barnier. Beides sind sie für die Anhänger der reinen Lehre in Brüssel noch längst nicht.
Denn in der reinen Lehre des Binnenmarkts lassen sich Personenfreizügigkeit und zollfreier Warenhandel ebenso wenig von einander trennen wie der freie Verkehr von Dienstleistungen und der Zahlungs- und Kapitalverkehr.
Alles hängt miteinander zusammen, nichts kann losgelöst werden. Und so kommen aus Brüssel bereits die üblichen negativen Reaktionen. Mays Ideen seien weder machbar und realistisch, sondern unzulässige Rosinenpickerei.
Doch diese Sichtweise verkennt, dass es nicht mehr darum geht, den Binnenmarkt zu verteidigen – Großbritannien ist längst entschlossen, diesen heiligen Gral der EU zu verlassen. Es geht darum, das Schlimmste zu verhindern.
Dieser „Worst Case“ wäre eine Scheidung ohne Vertrag, eine Trennung ohne Zukunfts-Perspektive. Ein derartiger „harter Brexit“ wäre nicht nur für Großbritannien eine Katastrophe. Er würde auch der EU großen Schaden zufügen.
Deshalb sollten es sich die EU-Politiker gut überlegen, ob sie weiter auf ihren Prinzipien beharren – oder ob sie Mays Vorschlag für das nehmen, was er auch ist: Die letzte Chance für eine gütliche Einigung.
Über die Details wird man sicher noch reden müssen, wenn May wie angekündigt am Donnerstag ihr Weißbuch vorlegt und ihre Ideen und “roten Linien” präzisiert.
Doch nur, wenn die EU bereit ist, ihre Prinzipien hintan zu stellen und endlich auch einmal „out of the box“ zu denken, kann das Endspiel noch einigermaßen glimpflich ausgehen.
Wenn Barnier & Co. hingegen auf ihren Dogmen beharren, dann könnten sie den Sturz von May herbeiführen – denn sie hat ihr politisches Kapital verbraucht. Ihr Scheitern wäre ein Desaster, warnt der “Guardian”…
Siehe auch “Was der Brexit für Deutschland bedeutet”
WATCHLIST:
- EU-Ukraine-Gipfel. Die EU hat gerade die Sanktionen gegen Russland verlängert, weil das Abkommen von Minsk nicht eingehalten wurde. Aber auch die Ukraine schert sich nicht mehr um den Friedensplan – wird das Konsequenzen haben? Oder wird Brüssel weiter Milliarden in das korrupte Regime von Präsident Poroschenko pumpen?
Siehe auch “Minsk ist tot, hoch leben die Sanktionen”
WAS FEHLT:
- Eine abgestimmte Haltung im Handelskrieg der USA. Kanzlerin Merkel hat in einem für sie typischen Alleingang für eine Abschaffung der Autozölle geworben. Doch in Frankreich sieht man darin ein Einknicken gegenüber US-Präsident Trump. Finanzminister Le Maire, der im Streit um die Euro-Reform unterlegen ist, warnt Berlin nun vor einer Spaltung!
Siehe auch “Der Alleingang der Autokanzlerin”
G. Predl
13. Juli 2018 @ 09:26
Die Briten wollen den bedingungslosen Freihandel und gleichzeitig 3 Mio EU-Bürger mittelfristig des Landes verweisen. Das sind 3 Mio Personen (plus ihren Familien), die dann an europ. Arbeitsämtern einen Job suchen. Was geschieht mit dem Grund- und Immobilienbesitz dieser EU-Bürger? Das IST Rosinenpickerei! Denn ein harter Brexit bringt uns die mittelfristige Ausweisung der EU-Bürger ebenfalls. Warum sollte GB dafür mit einem Freihandelsvertrag belohnt werden?
Peter Nemschak
9. Juli 2018 @ 07:28
Könnte CETA ein Modell für das zukünftige Verhältnis des UK zur EU werden? Warum sollte das UK wirtschaftlich vorteilhaftere Beziehungen mit der EU haben als Kanada, das wie das UK Gründungsmitglied des Commonwealth ist ? Nachdem der wirtschaftliche Schaden für das UK größer als für die EU ist, ziert sich die EU bei den Verhandlungen.