Wo Seehofer Recht hat
Innenminister Seehofer ist immer für Aufregung gut. Nach seinem idiotischen Machtkampf mit der Kanzlerin zur Flüchtlingspolitik hat sich der CSU-Mann nun auch noch in den Brexit eingemischt. Alles ganz schlimm?
So stellen es die deutschen Medien dar. Merkel habe sich von dem Brexit-Brief ihres Innenministers distanziert, heißt es. Die Grünen werfen ihm sogar Rechtspopulismus und antieuropäische Reflexe vor.
Dabei spricht Seehofer doch nur aus, was der transatlantische Mainstream denkt. UK muss auch nach dem Brexit fest in der Nato und in der EU-Sicherheitspolitik verankert bleiben – nichts anderes sagt Merkel.
In der Sache gibt es gar keinen Dissens, nur im Stil. Natürlich gehört es sich nicht, dass ein Innenminister unabgestimmt in internationale Verhandlungen hineinfunkt. Das war ein Faux-Pas.
Es gehört sich aber sehr wohl, dass wir in Deutschland und EUropa endlich eine offene und kontroverse Debatte über den Brexit und die EU-Verhandlungstaktik beginnen. Die ist sogar überfällig.
Bisher wird alles nur hinter verschlossenen Türen ausgekungelt, wobei sich regelmäßig die Dogmatiker des Binnenmarkts und die Gegner eines EU-Austritts durchsetzen. Andere Positionen haben keine Chance.
Doch damit treibt die EU die britische Regierung in eine Sackgasse, Brexit-Minister Davis hat gerade den Hut genommen. Wenn die EU bei ihrer harten Haltung bleibt, wird es einen harten Brexit geben – ohne Vertrag.
Wäre es da nicht besser, die eigene Position zu reflektieren und politische Prioritäten zu setzen? Seehofer hat dies zumindest versucht. Wir sollten die Debatte nicht ersticken, nur weil er Seehofer heißt…
Baer
10. Juli 2018 @ 10:39
Die Funktion des Bundeskanzlers erfüllt weder v.d.Leyen und schon gar nicht SCHOLZ.
Das Ausdemwegräumen potentieller Kandidaten ist Merkel wirklich gelungen.
Man muss nur für Vakuum sorgen,um sich unentbehrlich zu machen.Das hat sie wirklich drauf,mehr aber auch nicht.
Dass Seehofer unbequem ist weil er die Dinge beim Namen nennt,liegt ja wohl auf der Hand.
Peter Nemschak
9. Juli 2018 @ 20:09
@ebo Immerhin hat Merkel es geschafft, eine Regierung nach etwas mühsamem Anlauf zu bilden. Seehofer hat sich nicht durchgesetzt. Steherqualitäten kann man Merkel nicht absprechen. Fällt Ihnen jemand Geeigneterer als Merkel für die Funktion des Bundeskanzlers ein ?
ebo
9. Juli 2018 @ 22:51
Natürlich. Von der Leyen könnte es, Scholz könnte es auch. Merkel kann es nur noch so lange, wie Seehofer erlaubt…
Solveig Weise
10. Juli 2018 @ 12:01
Mit Verlaub, was interessieren mich “Steherqualitäten” einer intellektuell unfassbar überschaubaren Person wie Merkel, die jeden Tag neu beweist, dass sie es nicht kann. Die Worthüsen und Musterphrasen sind nahezu unerträglich. Die Vorstellung von VdL oder Scholz als Kanzler machen den Blick in die Zukunft kaum besser.
ebo
10. Juli 2018 @ 12:28
VdL oder Scholz sind nicht meine Wunschkanzler, um das klar zu stellen. Aber sie haben das nötige Format. Gabriel hätte es auch gehabt, im Gegensatz zu Schulz. So oder so: Merkel ist nicht “alternativlos”, nicht einmal aus EU-Sicht.
Peter Nemschak
9. Juli 2018 @ 16:33
Die Verhandler werden sich nicht in die Karten schauen lassen wollen, um ihre Verhandlungsposition nicht zu schwächen. Es bleibt der Öffentlichkeit überlassen, den Fortschritt oder Nicht-Fortschritt der Verhandlungen ohne Einschränkung zu kommentieren und darüber zu debattieren. Jene, die hier verhandeln, sind alle gewählte Politiker und brauchen keine Zurufe von außen. Der Beitrag zeigt, wie wenig Vertrauen manche Wähler in ihre Politiker haben.
ebo
9. Juli 2018 @ 16:46
EU-Chefunterhändler Barnier ist KEIN gewählter Politiker. Er gehört nicht mehr der EU-Kommissioon an, seine Partei hat sich so gut wie aufgelöst.
Peter Nemschak
9. Juli 2018 @ 18:02
Barnier handelt als Erfüllungsgehilfe der Kommission, die für sein Tun politisch verantwortlich ist. So gesehen ist es egal, ob er gewählter Politiker ist. Letztlich entscheidet der Europäische Rat, der seinen nationalen Wählern politisch verantwortlich ist. Mehr Demokratie ist schwer möglich.
ebo
9. Juli 2018 @ 18:14
Die Kommission ist für gar nichts politisch verantwortlich. die Leitlinien formuliert der Rat, also vor allem Deutschland. Und Merkel möchte keine Rechenschaft ablegen, so einfach ist das – leider.
Kleopatra
10. Juli 2018 @ 22:24
In der Tat gibt es ein Dilemma zwischen der Verhandlungssituation, in der man eine gewisse Freiheit braucht, und der Notwendigkeit, über die Ergebnisse „ergebnisoffen“ zu diskutieren. Sinnvollerweise müssten allerdings eher Interessen formuliert werden als Dogmen wie von der „Unteilbarkeit der Grundfreiheiten des Binnenmarkts“ zu verkünden (also kategorisch von GB weiterhin Personenfreizügigkeit zu verlangen). GB wird nach dem Austritt nicht mehr Mitglied der EU sein und daher jede beliebige Regelung mit ihr vereinbaren können (auch z.B. nur die Anwendung einzelner Grundfreiheiten des Binnenmarkts). Auch Irland eignet sich schlecht dafür, auf Prinzipien herumzureiten. Wenn nichts anderes vereinbart wird, ist die irisch-nordirische Grenze ab Ende März eine EU-Außengrenze und daher müsste dann die EU von Irland verlangen, dass es diese Außengrenze streng bewacht.
Die Ideologie, dass man einheitlich zusammenstehen und eine gemeinsame Meinung vertreten müsse (Merkel e tutti quanti), ist insofern gefährlich, als sie existierende Interessenunterschiede verdeckt und außerdem tendenziell ebenfalls zu einer ideologischen statt einer am Interessenausgleich orientierten Verhandlungsführung führt.
Ruck
9. Juli 2018 @ 15:42
“UK muss auch nach dem Brexit fest in der Nato und in der EU-Sicherheitspolitik verankert bleiben – nichts anderes sagt Merkel.” Hat jemand behauptet, dass die Mitgliedschaft in der NATO etwas mit der Mitgliedschaft in der EU zu tun hat. UK war Mitglied in der NATO, bevor es in der EU war; und es wird in der NATO bleiben, wenn es aus der EU draußen ist! Seehofer sieht ein Problem, wo keines ist! Und dieses nichtvorhandene Problem versucht er wie die Elefant im Porzellanladen zu lösen.
hintermbusch
9. Juli 2018 @ 13:49
Sehr guter Kommentar: jeder Beitrag, der eine Debatte in Gang bringt, ist ein Gewinn.
Alles übrige ist undemokratische Kabinettspolitik, die wir so wenig wie möglich wollen.