Eine Nowitschok-Tote – und keine EU-Reaktion
Erinnert sich noch jemand an den Fall Skripal? Damals reagierte die EU massiv auf den russischen vermuteten Giftgas-Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok. Dutzende russische Diplomaten wurden ausgewiesen. Nun starb eine Frau an einer weiteren Nowitschok-Vergiftung – doch die Reaktion bleibt aus.
Wegen des Todes seien Mordermittlungen aufgenommen worden, erklärte die Polizei. Die britische Premierministerin May zeigte sich nach Angaben der Tagesschau betroffen. “Ich bin entsetzt und geschockt”, sagte sie.
Doch weder May noch die EU-Chefs riefen die Alarmstufe Rot aus, wie im Fall Skripal. Was merkwürdig ist – denn Skripal und seine Tochter wurden nicht tödlich verletzt, wie nun die 44-jährige Britin. Auch ihr 45-jähriger Partner schwebt in Lebensgefahr.
Eigentlich sollte man nun eine ähnliche harte Reaktion erwarten wie im Fall Skripal. Doch die Ermittler spielen den neuen, tödlichen Fall erstaunlich routiniert herunter.
Das Paar aus Amesbury könne ein Fläschchen oder eine Injektionsspritze mit Resten des Gifts gefunden haben, das beim Attentat auf Skripal und seine Tochter verwendet wurde.
Okay – aber selbst, wenn dem so wäre, dann wären doch auch diesmal wieder “die Russen” schuld? Schließlich soll doch Russland hinter der Chemieattacke auf Skripal gesteckt haben.
Also müsste man doch erneut mit dem Finger auf Moskau zeigen – und Sanktionen ankündigen? Oder sind sich die Ermittler ihrer Sache plötzlich nicht mehr so sicher? Auch im Fall Skripal stehen ja Beweise aus.
Und was ist eigentlich mit dem britischen Chemierwaffen-Labor in Porton Down? Es liegt “zufällig” in der Nähe beider Tatorte – sowohl im Fall Skripal als auch jetzt wieder. Könnte das Gift nicht auch von dort stammen?
Fragen über Fragen. Fest steht nur, dass London und Brüssel es nicht einmal für nötig halten, an den “Präzedenzfall” Skripal zu erinnern. Die größte diplomatische Konfrontation seit dem Kalten Krieg – schon vergessen?
Siehe auch “Neues von Skripal – trotz Zensur”
kaush
11. Juli 2018 @ 17:00
Man hat sich schon beim Fall Skripal bis auf die Knochen blamiert – und tote Drogenabhängige sind einfach schlecht für krude Verschwörungstheorien zu verwenden, die eh kaum noch einer glaubt.
Mit dem Westen geht es rasant bergab.
Dixie Doom
10. Juli 2018 @ 17:33
In der postfaktischen, postdemokratischen Ära des Internet-Info-Plastikmülls und der McMedien Oligopole haben selbst honorige AkademikerInnen, hochintelligente PhilosophInnen und auch vermeintlich visionäre KünstlerInnen Gedächtnisse wie Nemos blaue Freundin Dory entwickelt. Entweder das, oder es gibt ausser einer handvoll Don Quixotes nur noch elende Feiglinge weit und breit. Wat nu?
Wibra
15. Juli 2018 @ 11:26
Die Presse will nichts merken.
Baer
10. Juli 2018 @ 10:29
Wer lässt sich schon gerne bei einer Verschwörung ertappen? Konzertierte Aktion ist auch für Laien erkennbar,nur die Presse merkt nichts.
Verschwörungstheorien werden so langsam zur tatsächlichen Verschwörung, sieh mal einer an.
Summerhill
10. Juli 2018 @ 09:00
Na ja…
Gestern im britischen Unterhaus ist der Verteidungsminister höchstpersönlich schon mal wieder durchgedreht.
Der Guardian schreibt:
The defence secretary, Gavin Williamson, directly accused Moscow on Monday. He told the Commons: “The simple reality is that Russia has committed an attack on British soil which has seen the death of a British citizen. That is something that I think the world will unite with us in actually condemning.”
ebo
10. Juli 2018 @ 09:07
Stimmt, aber May, Macron und Merkel halten still…
hintermbusch
9. Juli 2018 @ 16:50
Diese Novichok-Geschichte erinnert tatsächlich ein wenig an die Anschläge mit Rizin um den 11. September herum. Die Ermittlungen sind nach anfänglich großer Panikmache in der Versenkung verschwunden. Viele Spuren deuteten auf den Mitarbeiter eines amerikanischen Waffenlabors, der dann praktischerweise tot gefunden wurde. Dann Schweigen.
Scherzbischof
10. Juli 2018 @ 12:13
Im Prinzip ja, nur war es 2001 Anthrax. Rizin war 2013.
Peter Nemschak
9. Juli 2018 @ 16:20
Ist alles sehr schnelllebig. Derzeit schauen alle im UK auf den Austritt der BREXIT-Falken aus der Regierung. Da braucht es keine Verschwörungstheorien. Dass die Frau – ohne bisher auffällige Biografie – gestorben ist, besagt gar nichts. Auch die Skripals waren bereits mehr tot als lebendig.
ebo
9. Juli 2018 @ 16:43
Zwei Verletzte – EU und US starten größte Massenausweisung russischer Diplomaten seit dem Kalten Krieg
Eine Tote – “besagt gar nichts”
Schöne Logik…
Peter Nemschak
9. Juli 2018 @ 16:55
War die Tote je in eine Ost-West-Spionagegeschichte involviert? Wenn ja, muss ich das überlesen haben. Wenn nein, ist es außer für die Lokalpresse und die Tabloids nicht von besonderem medialen Interesse.