DSK muss draußen bleiben

Sie sollten miteinander diskutieren – doch das fanden die Frauen gar nicht lustig

Das Europaparlament hat eine Debatte mit dem früheren IWF-Chef Strauss-Kahn abgeblasen. Parlamentspräsident Schulz (SPD) fürchtete offenbar den Zorn der weiblichen Abgeordneten, die DSK wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung in New York und seines unkontrollierten Sexuallebens in Paris grollen. Dabei wollte der Franzose zur Eurokrise sprechen – was wohl mehr zum EU-Parlament passt als die “Vagina-Monologe”, die hier kürzlich präsentiert wurden.

Ich weiß, ich weiß: Beide Themen haben nichts miteinander zu tun. Oder vielleicht doch? In den Vagina-Monologen, die zum Frauentag am 6. März in einem Nebensaal des Parlaments aufgeführt wurden, geht es “von Blümchensex bis zur Vergewaltigung”, wie die “Badische Zeitung” in einem groß aufgemachten Artikel berichtete. Die Badener setzten damit ein Zeichen gegen die “Bild”-Zeitung, die die Aufführung zu einer Affäre hochstilisiert und die grüne EU-Abgeordnete Brantner attackiert hatte.

Um Vergewaltigung geht es auch bei DSK, jedenfalls in den Medien und vielleicht auch noch einmal vor Gericht. Insofern kann man/frau die Reaktion der weiblichen MEPS, darunter die belgische Grünen-Politikerin und Parlamentsvizepräsidentin Durant, verstehen. Allerdings sollte DSK nicht über sein ziemlich unmoralisches Privatleben, sondern über die Eurokrise sprechen, von der er durchaus etwas versteht. 

Eingeladen hatten ihn Nachwuchspolitiker aus der EU40-Gruppe, darunter der deutsche Jungliberale Alvaro. Die Debatte mit Eurogruppenchef Juncker und Ex-EZB-Chef Trichet hätte richtig spannend werden können. Schließlich gilt DSK als Architekt des ersten Hilfsplans für Griechenland – und als Kritiker des aktuellen, einseitig auf Austerität ausgerichteten EU-Kurses. Eine kontroverse Diskussion wäre sicher gewesen, vielleicht hätten die Abgeordneten, die bei der von Kanzlerin Merkel inszenierten Euro-“Rettung” kaum etwas zu melden haben, sogar etwas dazugelernt.

Doch nun muss DSK draußen bleiben. Zwar gilt auch für ihn offiziell noch die Unschuldsvermutung – doch die Empörung und die Angst vor einem Eklat wogen offenbar schwerer. “Schulz hat viele Schreiben von Parlamentarierinnen bekommen und war besorgt über diese Schreiben”, teilte der Sprecher des deutschen Parlamentspräsidenten lapidar mit. Daraufhin habe er mit den Veranstaltern Kontakt aufgenommen “und gebeten, eine Lösung zu finden”. Kurz darauf war DSK von der Teilnehmerliste gestrichen, angeblich hat er freiwllig verzichtet.

Man kann es aber auch anders sehen: Das EU-Parlament – also jene Kammer, die sich gern damit brüstet, hier finde die einzig wahre europäische Debatte statt – hat sich selbst kastriert. Die rotgrünen Moralwächter in Brüssel lassen dabei überraschend tief blicken: Offenbar präsentieren sie lieber intime Monologe als politische Streitgespräche…

…was ganz nebenbei auch zeigt, dass ich mich letztes Jahr ziemlich über die Stimmungslage in Brüssel getäuscht habe. “Europa, wehr Dich” schrieb ich nach DSKs Verhaftung in diesem Blog – im Glauben, die EU würde etwas gegen die Brachialmethoden der US-Justiz unternehmen und für ihren Mann im IWF kämpfen. Nun stellt sich heraus, dass Europa mindestens genauso gnadenlos geworden ist wie die USA… 


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