Die unberechenbare Kommission
Von der Leyen II. ist da. Am 1. Dezember hat die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufgenommen. Doch niemand weiß, was das neue, rechtslastige Team wirklich vorhat.
Schon die Regierungserklärung, die von der Leyen im Juli abgegeben hat, war ein populistischer Wunschkatalog ohne innere Ordnung oder Strategie. Es war für jeden etwas dabei.
Nun wurde das Programm noch einmal angepasst, um sowohl den Grünen als auch den Rechten zu gefallen. Da alles im Hinterzimmer ausgedealt wurde, sind die Folgen unklar.
Zwischen Selenskyj und Trump
Vollends unberechenbar wird die neue Kommission aber durch das Versprechen an die Ukraine, alles zu tun, was ihr Präsident Selenskyj wünscht – und durch die Wahl von Donald Trump.
Trump will den Krieg beenden, die Ukraine will ihn bis zum Sieg fortführen, die EU hängt mittendrin und wird in die Zange genommen. Sie soll sowohl für die USA einspringen als auch für die Ukraine.
Das kann nicht gutgehen, das weiß wohl auch VDL. Doch statt sich wenigstens verbal zu Frieden und Diplomatie zu bekennen und eine eigene Strategie vorzulegen, hat sie zwei Hasardeure engagiert.
Kommen nun Kriegsanleihen?
Die neue EU-Außenbeaufragte Kallas und der erste, laut EU-Vertrag eigentlich verbotene “Verteidigungs”-Kommissar Kubelius wollen alles tun, um Russland die Stirn zu bieten – koste es, was es wolle.
Kommen nun Kriegsanleihen, genannt Eurobonds? Werden Soldaten aus den EU-Ländern in die Ukraine geschickt, wie dies Paris erwägt, kann Kiew den Bündnisfall nach Artikel 42 Absatz 7 EUV ausrufen?
Und wie wird die neue EU-Kommission darauf reagieren? Wir wissen es nicht, denn von der Leyen hat sich alle Optionen offen gehalten. Und das zahnlose, Russland-feindliche Parlament hat ihr freie Hand gegeben…
Dieser Beitrag ist zuerst in unserem Newsletter erschienen (Abonnement/Paywall) Siehe auch “Ursulas Sprechpuppen kommen” und Die erste Amtshandlung der neuen EU-Spitze gilt nicht ihren Bürgern
Helmut Höft
2. Dezember 2024 @ 07:36
@ebo
Kannst Du bitte das Thema „laut EU-Vertrag eigentlich verbotene “Verteidigungs”-Kommissar“ irgendwie etwas ausführen?
Dass da nirgendwo etwas steht zu einem „europäischen Kriegskommissar“ reicht – vllt. nicht nur mir – nicht.
Danke im Voraus.
ebo
2. Dezember 2024 @ 09:39
Gern. Für die Landesverteidigung sind die EU-Länder zuständig, nicht die EU. Die EU darf laut Vertrag nicht einmal militärische Projekte aus dem EU-Vertrag finanzieren (Art 41.2)). Da es auch keine EU-Armee gibt, macht ein EU-Verteidigungsminister eigentlich keinen Sinn. Allerdings sieht der Lissabon-Vertrag auch den Aufbau einer eigenen Sicherheitspolitik vor. Darauf – und auf den Krieg um die Ukraine – berufen sich nun die Anhänger eines “Verteidigungskommissars”. Normalerweise hätte man erwarten dürfen, dass das Parlament diese Forderung hinterfragt und Sicherungen einzieht, wie dies im Bundestag der Fall ist. Doch die EU-Abgeordneten haben alles fraglos abgenickt; sie haben nicht mal ein echtes Mitspracherecht bei rüstungs- und verteidigungspolitischen Fragen. De facto wird der neue Kommissar also (wie eigentlich alle) von Frau von der Leyen abhängen – und vom Geld.
Kleopatra
2. Dezember 2024 @ 15:01
Gemäß Artikel 41 Absatz 2 Satz 1 gehen “Ausgaben aufgrund von Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen” nicht zu Lasten des Haushalts der Union. Das heißt doch aber nur, dass sie anders finanziert werden müssen; wenn solche Maßnahmen verboten wären, müsste man ihre Finanzierung ja gar nicht im Vertrag regeln. Freilich bedeutet das, dass das Parlament außen vor bleibt, denn es muss im Zweifel nur den Ausgaben nach dem Haushalt zustimmen.
Gemäß Satz 3 des zitierten Absatzes brauchen Staaten, die “eine förmliche Erklärung nach Artikel 31 Absatz 1 Unterabsatz 2 abgegeben haben”, sich an der Finanzierung solcher Maßnahmen zu beteiligen.
Das heißt, dass die Möglichkeit, dass der EU militärische oder verteidigungspolitische Maßnahmen durchaus nicht verboten sind; sie müssen nach dem Vertrag aber von den Mitgliedstaaten bzw. denjenigen von ihnen, die mit der Maßnahme einverstanden sind, am EU-Haushalt vorbei finanziert werden.
Auch wenn die Landesverteidigung in einzelstaatlicher Zuständigkeit verbleibt, sind also offenbar militärische/verteidigungspolitische Maßnahmen als Möglichkeit durchaus vorgesehen.
Kleopatra
2. Dezember 2024 @ 15:03
Pardon: Staaten, die die Erklärung abgegeben haben, brauchen sich nicht an der Finanzierung von “Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen” zu beteiigen.
Skyjumper
2. Dezember 2024 @ 19:45
@Kleopatra
Grundsätzlich folge ich Ihrer Logik. Allerdings bezweifel ich stark (auch wenn ich den Beweis schuldig bleiben muss) dass der Posten des Kommissar Kubelius (nebst Nebenposten) nicht bereits aus dem EU-Haushalt bezahlt wird. Was dann bereits einen Verstoss gegen Art. 41 darstellen würde, denn der Posten als solches weißt ja nun einen unübersehbaren Bezug zu militärischen und/oder verteidigungspolitischen Maßnahmen auf.
Arthur Dent
1. Dezember 2024 @ 22:46
Wenn man als Privatperson solche Versprechungen macht wie die Kommission, alles zu tun, was Präsident Selenskyi möchte, dann würde man eine solche Person einen zurecht einen Trottel nennen.
Karl
2. Dezember 2024 @ 09:41
Das Volk ist in der EU nur virtuell repräsentiert: “British politicians responded to the American’s cry of ‘no taxation without representation’ (um 1770) by arguing that the colonists already had virtual representation.”
KK
2. Dezember 2024 @ 14:54
Man würde ihn wohl nicht nur einen Trottel nennen, sondern wegen akuter Fremdgefährdung in eine geschlossene Psychiatrie einweisen.