Die übergriffige Union, der reumütige Litauer – und Baerbock goes to Washington

Die Watchlist EUropa vom 05. Januar 2021 –

Neues Jahr, neues Glück? Nicht für die EU. Schon wenige Tage nach dem Beginn von 2022 steht sie unter Beschuss. Der Entwurf für eine Taxonomie, die Atomkraft und Erdgas als “nachhaltig” und irgendwie “grün” einstuft, sorgt für Frust bei den Grünen und für Wut auf die EU-Kommission. In einer “Nacht- und Nebelaktion”, so heißt es, habe deren Chefin von der Leyen den “European Green Deal” entwertet und die Nachhaltigkeit politisch opportun umdefiniert.

Doch nicht nur Klimaschützer sind empört. Auch in den Tattoo-Studios ist man schlecht auf die EU zu sprechen. Denn seit gestern gilt ein EU-weites Verbot bestimmter Pigmente für Tattoofarben.

Die Beschränkung betrifft krebserregende, erbgutverändernde und fortpflanzungsschädigende Stoffe, in Kosmetika verbotene Chemikalien sowie “einige Pigmente”, wie die EU-Behörde mitteilte.

Die Gurkenkrümmung war nur der Anfang

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Die Verordnung, auf die sich die 27 Mitgliedstaaten bereits vor eineinhalb Jahren geeinigt hatten, trifft eine Lifestyle-Branche, die sich gerade von der Coronakrise erholt hat. Nun fehlen wichtige Farben.

Warum muss sich die EU überall einmischen? Wieso kann sie nicht auch mal die Bürger entscheiden lassen? Tatoos und Taxonomie sind ja nur die beiden jüngsten Beispiele für eine übergriffige Union.

Sie zeigen, dass die (mittlerweile abgeschaffte) Verordnung zur Gurkenkrümmung nicht der letzte Schildbürgerstreich aus Brüssel war. Im Gegenteil, die EU greift immer tiefer in immer mehr Lebensbereiche ein.

Im Namen des allmächtigen Binnenmarkts

Schuld daran sind nicht (nur) regulierungswütige Bürokraten. Schuld sind auch die Mitgliedstaaten, die immer mehr Kompetenzen nach Brüssel abgeben (nun auch in der Gesundheitspolitik) – und das Parlament, das bei jedem EU-Gesetz noch einen draufsetzt.

Der eigentliche, tiefere Grund liegt aber im Binnenmarkt. Weil der Binnenmarkt nur funktioniert, wenn alle 27 EU-Länder im Gleichschritt marschieren, muß alles vereinheitlicht werden – von den Tatoo-Farben bis hin zum Nachhaltigkeits-Label.

Doch was, wenn die Markt-Regulierung den Markt in die Irre führt, wie bei der Taxonomie – oder sogar das Geschäft kaputt macht, wie bei den Tattoos? Darauf gibt es leider keine Antwort aus Brüssel. Höchstens ein paternalistisches “Wir wollen doch nur Euer Bestes”

Siehe auch “Von der Leyens schmutziger Green Deal”. Mehr zum Binnenmarkt hier

Watchlist

Was macht Außenministerin Baerbock in Washington? Mitten in der schweren außenpolitischen Krise mit Russland statet die Grünen-Politikerin der US-Regierung ihren Antrittsbesuch ab. Bei den Gesprächen mit Außenminister Blinken dürfte es neben dem Russland-Ukraine-Konflikt auch um die Klimapolitik und die Winter-Olympiade in Peking gehen. Die USA haben einen diplomatischen Boykott ausgerufen, Baerbock würde es ihnen gerne gleichtun… – Siehe auch “Baerbock redet wie eine Amerikanerin über Europa”

Was fehlt

Das Mea Culpa aus Litauen. Präsident Gitanas Nauseda hat die Eröffnung der taiwanischen Vertretung unter eigenem Namen in Vilnius als “Fehler” bezeichnet. “Ich denke, nicht die Eröffnung des taiwanischen Büros war ein Fehler. Es war der Name, der nicht mit mir abgestimmt war”, sagte er. “Der Name des Büros ist zum Schlüsselfaktor geworden, der jetzt unsere Beziehungen zu China stark beeinflusst.” Der Handel ist zum fast vollständig zum Erliegen gekommen, die EU zeigt sich besorgt…