Die Stunde der Eurokraten, der Streit mit der Schweiz – und Abkehr von AstraZeneca

Die Watchlist EUropa vom 23. April 2021 –

Ursula von der Leyen war begeistert. Wieder sei ein “wichtiger Meilenstein” für den Corona-Aufbaufonds genommen worden, twitterte die Chefin der EU-Kommission am Donnerstag. Alles werde gut. Was war passiert? Portugal hatte ein Reformprogramm bei der EU-Kommission eingereicht. Es war das erste von 27 – alle EU-Länder müssen Pläne erarbeiten, um in den Genuß von Finanzhilfen zu kommen.

Diese Pläne haben es in sich. Die Regierungen sollen nicht nur erklären, wie die Gelder verwendet werden, und ob sie die vereinbarten Quoten für Klimaschutz und Digitales einhalten.

Nein, die Eurokraten aus Brüssel wollen auch wissen, ob die Empfehlungen aus dem “Europäischen Semester” umgesetzt werden. Und diese Empfehlungen kommen – aus Brüssel!

Erarbeitet werden sie von EU-Beamten, die keiner kennt und die niemandem Rechenschaft schuldig sind. Das Europaparlament ist daran ebenso wenig beteiligt wie Gewerkschaften, Arbeitgeber oder Ökonomen.

Das ist ein Problem, demokratietheoretisch betrachtet. Gewählte Regierungen sollen nur dann Geld aus dem Coronafonds bekommen, wenn sie den Emfehlungen von ungewählten Eurokraten folgen!

Ausgedacht hat sich das Kanzlerin Merkel. Unter dem Motto “Geld gegen Reformen” hat sie durchgesetzt, dass die Coronahilfe an Auflagen gebunden wird, die mit der Bekämpfung von Corona nichts zu tun haben.

Lissabon verspricht 36 Reformen

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Und was hat Portugal nun vorgelegt? Wir wissen es nicht, denn das Procedere ist vertraulich. In der Presse ist von “36 Reformen” und “77 Investitionen” die Rede – doch was genau geplant ist, bleibt geheim.

With a total amount of €16.644 billion, the Portuguese plan includes thirty-six reforms and seventy-seven investments in the areas of resilience (€11.125 billion), climate transition (€3.059 billion) and digital transition (€2.46 billion).

Source: Econstrum

Unklar ist auch, nach welchen Kritierien die EU-Kommission die Programme bewertet. Geht es mehr um neoliberale “Strukturreformen”, oder doch um Klimaschutz und “Resilienz”?

Und welche Rolle spielt Deutschland, auf das dieses Verfahren zurückzuführen ist? Das deutsche Reformprogramm, so war mehrfach zu lesen, kümmere sich nicht um die Empfehlungen der Eurokraten.

Berlin macht, was es will

Statt das Ehegattensplittung abzuschaffen oder die Renten zu kürzen, wie es Brüssel empfiehlt, wurden alte Pläne aus dem Jahr 2020 ein wenig aufgehübscht.

Ich finde, Portugal und die anderen EU-Länder sollten sich an Berlin ein Beispiel nehmen – und den Eurokraten nur das schicken, was sie ohnehin machen wollten.

Wo kämen wir da hin, wenn die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Brüssel gemacht würde, ohne demokratische Kontrolle…?

Siehe auch “Das Dilemma der Vereinigten Staaten von EUropa”

Watchlist

Fällt nach Großbritannien auch die Schweiz von der EU ab? Darum geht es bei einem Spitzentreffen zwischen dem Schweizer Präsidenten Guy Parmelin mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in Brüssel. Auf der Tagesordnung steht das Rahmenabkommen über das bilaterale Verhältnis. Die Schweizer wollen den Vertrag nicht mehr, weil sie einen Verlust an Souveränität fürchten. Die EU gibt sich unnachgiebig und droht mit dem Ausschluß aus dem Binnenmarkt…

Hotlist

  • Tschechien ringt weiter mit Russland, meldet der “Spiegel”: Der diplomatische Konflikt zwischen Tschechien und Russland spitzt sich weiter zu. Nach Verstreichen eines Ultimatums an Russland hat Tschechien faktisch die Ausweisung von bis zu 70 russischen Diplomaten und Botschaftsmitarbeitern beschlossen. – Hintergrund ist ein Vorfall vor sieben Jahren. Die Regierung in Prag nutzt ihn seit Tagen, um Moskau unter Druck zu setzen. Wohin das führen soll, ist völlig unklar; in Brüssel spricht man schon von neuen Sanktionen… – Mehr hier
  • Russland zieht Truppen ab, berichtet die “Deutsche Welle”: Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat den Abzug der Truppen von den Grenzen zur Ukraine angekündigt. Bei einem Besuch auf der Krim sagte er, dass die Ziele der Militärmanöver erreicht seien und die Truppen schon am Freitag mit ihrem Abzug beginnen würden. – Welche Ziele Moskau mit dem Aufmarsch verfolgt hat, bleibt weiter unklar. Offen ist auch, welche Rolle die EU hier spielt. Wochenlang wirkte sie völlig abwesend, auch nun gibt es keinen Kommentar!
  • Abkehr von AstraZeneca: Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte am Donnerstag, man habe die Frist für die Lieferung weiterer 100 Millionen Dosen des problembehafteten Herstellers verstreichen lassen. Gleoichzeitig wurde bekannt, dass die EU eine Klage gegen den Konzern auf Vertragserfüllung vorbereitet, heißt es in der Wiener “Presse”. – Aus meiner Sicht ist das ein Bluff. Nach allem, was bisher bekannt ist, geben die Verträge keinen Lieferanspruch her. Darin war nur von einem “best effort” die Rede – Brüssel will von eigenem Versagen ablenken!