Was ist eigentlich in Tschechien los?

In Tschechien ist ein heftiger Streit um das Verhältnis zu Russland entbrannt. Dahinter steckt ein Streit zwischen Regierungschef Babis und Präsident Zeman. Aber auch die Geheimdienste haben ihre Finger im Spiel.

Erst kam die Meldung, dass Prag 18 Russen ausgewiesen hat – wegen einer suspekten Explosion in einem Munitionslager, die aber schon sieben Jahre zurück liegt. Merkwürdig.

Denn das zerstörte Lager gehört nicht dem Staat, und die Munition kam offenbar von einem bulgarischen Waffenhändler und war für die Ukraine bestimmt.

Dann schlug Moskau zurück – und wies gleich 20 Tschechen aus. Noch merkwürdiger. Mit einer so heftigen Vergeltung hatte niemand in Prag gerechnet.

Kurz darauf forderte die tschechische Regierung die EU auf, ebenfalls russische Botschaftsmitarbeiter auszuweisen, aus Solidarität. Schweigen in Brüssel und in Berlin.

Und nun kommen Meldungen, die immer wirrer klingen. Der russische Konzern Rosatom darf sich plötzlich nicht mehr als Bauträger für das AKW Dukovany bewerben. 

Aussenminister Hamáček sagt überraschend eine Reise nach Moskau ab, wo er die Lieferung des russischen Impfstoffes „Sputnik V“ an Tschechien vereinbaren wollte.

Und über all dem liegt das Schweigen von Präsident Zeman, der als russlandfreundlich gilt.

Was ist da los? Offenbar streitet Zeman mit Babis über den weiteren außenpolitischen Kurs.

Tschechien rückt von Russland ab – ausgerechnet jetzt, da die Spannungen ohnehin zunehmen, siehe Ukraine.

Ist dies ein Zufall – oder steckt mehr dahinter? Das fragt sich sogar die „FAZ“. Zitat:

Es stellt sich die Frage, warum die Affäre (mit dem Munitionslager) gerade jetzt in den Fokus politischer Aufmerksamkeit geraten ist. Schließlich hat sich der Vorfall schon im Oktober 2014 ereignet. Die Identität der beiden mutmaßlichen GRU-Agenten Alexandr Petrow und Ruslan Boschirow, von denen jetzt bekanntwurde, dass sie angeblich zu einem Besuch in dem Munitionslager angemeldet gewesen sein sollen, ist auch schon seit 2018 bekannt.

Klar scheint, dass der tschechische Geheimdienst BIS die Veröffentlichung lanciert hat – womit er die russischen Geheimdienste SVR und GRU bloß stellte.

Es gibt jedoch auch Spekulationen, dass der amerikanische Geheimdienst CIA seine Finger im Spiel haben könnte. Sie wurden – wo sonst? – in Moskau gestreut. Zitat aus der „SZ“:

Prag habe mit seinen Anschuldigungen von einem angeblichen Staatsstreich in Belarus ablenken wollen. Demnach hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB mit zwei Festnahmen am Samstag in Moskau einen Anschlag auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vereitelt. Lukaschenko erklärte später, FBI oder CIA steckten wohl hinter der Sache.

Nun sind wir völlig verwirrt. Wird Tschechien benutzt, um von dubiosen Vorgängen in Belarus abzulenken – oder wird Prag bedrängt, um sich im Ukraine-Konflikt auf die Seite des Westens zu stellen?

Offenbar findet hier ein Machtkampf statt, der weit über die Innenpolitik hinausgeht. Tschechien ist zu einem Spielfeld der Geopolitik geworden…

P.S. Nun ist der Streit auch ein Fall für die Nato. Die 30 Nato-Staaten erklärten ihre „volle Solidarität“ mit der Regierung in Prag. Die Alliierten zeigten sich dabei „zutiefst besorgt über die destabilisierenden Handlungen Russlands“ auch in anderen Ländern des Bündnisses. Das ist bizarr – denn der tschechische Fall liegt sieben Jahre zurück. Und sieben Jahre lang hat die Nato keinen Pieps dazu gesagt…