Das Dilemma der “Vereinigten Staaten von EUropa”

Die Coronakrise hat zu einem neuen Integrationsschub geführt – mit einem 750 Milliarden schweren Aufbaufonds und mehr Solidarität. Doch Gewerkschaften, Parteien und Parlamente werden kaum beteiligt. Bleibt die Demokratie auf der Strecke?

Für Martin Schulz steht es außer Frage: Der historische Beschluss vom SPD-Parteitag 1925, der die „Vereinigten Staaten von Europa“ proklamierte, ist für den Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) auch nach einem Jahrhundert noch aktuell.

Allerdings dürfte man sich nicht im Klein-Klein verlieren: „Wir müssen nicht das Olivenöl in vorformatierten Kännchen reichen und die Pizza normieren“, stellt der frühere Präsident des Europaparlaments fest. Gefragt sei vielmehr „eine neue Kompetenzordnung“ für die Europäische Union.

Doch wie kann diese neue Ordnung aussehen? Wie vereint und wie einig müssen die Vereinigten Staaten von Europa sein? Und was muss auf EU-Ebene geregelt werden, was können die Mitgliedstaaten bestimmen?

Das war die Leitfrage bei der dritten und letzten Konferenz zur europäischen Wirtschaftspolitik, die die Friedrich-Ebert-Stiftung, der DGB, die IG Metall, ver.di und die Hans-Böckler-Stiftung am 19. April in Berlin ausrichtete.

Konkret ging es um „Chancen und Grenzen der flexiblen Integration“ – ein Thema, das angesichts der Corona-Pandemie und der Wirtschafts- und Sozialkrise vielen auf den Nägeln brennt.

Die EU, so die Botschaft in Berlin, habe auf die Krise mit einem Integrationsschub reagiert. Mit dem neuen CoronaAufbaufonds sei ein „überfälliger Sprung in eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitikvollzogen worden, sagte Ver.di-Chef Frank Werneke.

Das 750 Milliarden Euro schwere, schuldenfinanzierte Programm, das in Brüssel unter dem Titel „Next Generation EU“ firmiert, sei ein „später Ausdruck von Solidarität“, wie ihn sich die Gewerkschaften schon in der Finanz- und Eurokrise gewünscht hätten.

Leider würden die „Sozialpartner nur unzureichend konsultiert“, so Werneke.

Damit zeigt sich ein Dilemma der „Vereinigten Staaten von Europa“ in der Wirtschaftspolitik: Sie ermöglicht der EU eventuell ein kohärentes, gemeinsames Vorgehen, können aber zu einem  Bedeutungsverlust von Gewerkschaften und Parteien führen.

Die demokratische Legitimation der EU hätten schon vor der Finanzkrise gelitten, konstatierte Vivien Ann Schmidt, Politikprofessorin an der Universität Boston. Umso wichtiger sei es, die Milliardenhilfen der „Next Generation EU“ anders zu steuern.

Gefragt sei eine neue Governance – weg von den strengen Defizitregeln, hin zu dezentraler und flexibler Steuerung.

Weiterlesen auf boeckler.de Siehe auch Vorwärts zu den Sozialen Staaten von Europa?