„Die Jagd ist eröffnet“ – Veto gegen Mercosur

Sie wurde mit nur neun Stimmen Mehrheit gewählt. Reicht das, um die neue EU-Kommission durch das Europaparlament zu bringen? Am Donnerstag bekommt Ursula von der Leyen einen Vorgeschmack auf das, was sie erwartet.

„Die Jagd auf die Kommissare ist eröffnet“, schreibt die belgische Tageszeitung „Le Soir“. Die Parlaments-Fraktionen bereiten sich auf die Anhörungen vor, die Ende September beginnen – und suchen nach Schwächen beim politischen Gegner und im Team von der Leyen.

Die Frontlinien gehen dabei interessanterweise nicht zwischen Pro-Europäern und Nationalisten, auch nicht zwischen deutschen Sozialdemokraten, Grünen und Linken auf der einen und Konservativen auf der anderen Seite – wie noch bei der Wahl von der Leyens im Juli.

Nein, die SPD und die Grünen haben ihren Ärger über den „Verrat“ an den Spitzenkandidaten heruntergeschluckt. Sie versprechen der CDU-Frau eine „unvoreingenommene“ Prüfung ihrer Kommissare. Nur die Linke bleibt in der Opposition, sie spricht von der „Kommission für ein Prozent“

Umso heftiger feinden sich nun Konservative und Liberale an, im Kern also CDU/CSU und die Anhänger des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Sie streiten nicht nur über den „European way of life“ und die Migrationspolitik, sondern auch über Wackelkandidaten.

Nachdem die Liberalen von „Renew Europe“ die Anwärter aus Ungarn und Rumänien infrage gestellt haben, wollen die Konservativen von der EVP nun alle Kandidaten unter die Lupe nehmen, gegen die Ermittlungen laufen – vor allem die liberale Französin Sylvie Goulard.

Wenn sie ernst machen, könnte diesmal nicht nur das fast schon rituelle Bauernopfer fallen, also ein/e Kommissar/in. Vielmehr deutet sich eine Kettenreaktion an – nach dem Motto: Schlägst Du meinen Bauern, so schlag ich Deinen. „Die Jagd ist eröffnet“ – wird es ein Gemetzel?

Siehe auch „Von der Leyens Wackelkandidaten“

Watchlist:

  • Kommt es zum Eklat um den „Schutz der europäischen Lebensart“ und die Migrationspolitik? Das dürfte sich am Donnerstag bei der „Konferenz der Präsidenten“ im Europaparlament zeigen. Hauptthema in dem Treffen mit dem EU-Parlamentspräsidenten und den Vorsitzenden der Fraktionen soll die Ressortaufteilung und -benennung in der neuen Kommission sein. Von der Leyen könnte dabei Federn lassen.
  • Platzt das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten? Am Mittwoch hat das Parlament in Österreich die Regierung verpflichtet, in Brüssel ein Veto einzulegen. Der Deal muss von der EU jedoch einstimmig beschlossen werden. Zuvor hatten auch schon Frankreich, Irland, Finnland und Luxemburg Ablehnung signalisiert. Nur die Exportnation Deutschland sieht keine Probleme – und drängt auf Weiterbehandlung.

Was fehlt:

  • Die Kampferklärung des Europaparlaments an Boris Johnson. Die Straßburger Kammer unterstützt uneingeschränkt die harte Verhandlungslinie der EU-Kommission beim Brexit – und warnt vor einem ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Oktober. Die neu gewählten Abgeordneten – darunter 73 Briten – sprechen sich sogar für einen weiteren Aufschub aus. Er müsse aber gut begründet sein.
  • Die Antwort von Johnson: Er lud Parlamentspräsident David Sassoli zu einem Besuch in London ein. Er hat außerdem seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, eine positive Einigung für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zu finden. Sassoli begrüßte das – das sei auch sein Wunsch.
  • Die Hoffnung: Es könnte doch noch zu einem Deal kommen, schreibt die „Süddeutsche“. Wie in diesem Blog bereits seit Tagen beschrieben, erkennt auch das Blatt aus München plötzlich Bewegung beim Brexit. Allerdings lassen sich Johnsons Ziele kaum mit jenen der EU vereinbaren. Mehr dazu hier: „Was Johnson wirklich will“